Feiersinger: Salzburg? Eine Lachnummer
Wolfgang Feiersinger weiß, wie die Henne läuft. Er braucht sich dem Hühnerstall nur nähern, da kommt sein Federvieh auch schon brav angelaufen. Alles hört auf sein Kommando, das war früher auf dem Fußballfeld schon so und das ist heute auf der Almwiese nicht anders. Die Hochwildalm in Aurach in Tirol, in 1557 Metern Seehöhe. Ein Knusperhäuschen aus Holz, umgeben von mächtigen Bergen. Es gibt frisches Bauernbrot und Tilsiter vom Senner nebenan, im Brunnen auf der Veranda kühlen die Getränke. Wolfgang Feiersinger, 46-facher österreichischer Nationalspieler und Champions-League-Sieger mit Borussia Dortmund (1997) ist seit drei Jahren Almwirt. Von Juni bis Oktober ist er täglich auf der Hochwildalm. Und das aus Überzeugung. Die Glamourwelt des nahen Kitzbühel ist nicht das seine ("das ist der Ausverkauf der Identität und der Gipfel der Dekadenz"), der 47-jährige Pinzgauer lebt lieber in und mit der Natur. KURIER: Herr Feiersinger, was sagen eigentlich Ihre ehemaligen Fußballer-Kollegen zu dem Leben, das Sie führen? Wolfgang Feiersinger: Bestimmt können viele nicht nachvollziehen, was ich hier mache. 98 Prozent verstehen nicht, was die Natur und was die Berge einem geben können.Was gibt Ihnen denn das Leben auf der Alm? Was wir hier schon alles erlebt haben, das ist unbezahlbar: Wenn dir zum Beispiel im Winter der Skidoo einen Meter im Schnee versinkt und du Tage brauchst, dass du ihn wieder raus kriegst. Sie können mir glauben: Fad wird`s hier heroben nie. Die meisten meiner ehemaligen Kollegen wären damit aber überfordert.Überfordert mit dem Leben abseits der Zivilisation? Ich mach` mir hier ja alles selbst. Ich hab` den Hennenstall gebaut, ich koche für die Gäste, wasche ab, serviere. Da heroben bin ich mein eigener Chef, ich genieße es, dass mir keiner dreinplappert und sagt, was ich zu tun habe. Ist das nicht ein Leben mit vielen Entbehrungen?Das ist doch alles relativ. Ich brauch` nicht mehr den großen Lebensstil. Heute kann ich mich viel mehr über Kleinigkeiten freuen.
War das früher anders? Das sind eben die Schattenseiten des Berühmtseins und des Gutverdienens. Ich habe mir damals ja auch Sachen gekauft, die überhaupt nicht nötig gewesen wären. Furchtbar. Aber als Fußballer lebst du in einer Scheinwelt, die mit dem eigentlichen Leben nichts zu tun hat. Das ist heute sicher noch viel ärger als zu meiner Zeit.Was meinen Sie konkret? Du musst ja als junger Spieler den Boden unter den Füßen verlieren, wenn du mit 18, 19 Jahren gleich mit Unsummen konfrontiert wirst. Da passt die Relation einfach nicht mehr, die Schere geht extrem auseinander, in unserer ganzen Gesellschaft. Der Fußball ist ja nur ein Spiegel davon.Das klingt nicht danach, dass Ihr Herz noch am Fußball hängen würde?Ganz ehrlich: Ich tu` mich schwer, ein ganzes Spiel konzentriert zu verfolgen. Wieso das? Ich bin satt, außerdem gefällt mir die ganze Entwicklung nicht. Da ist viel zu viel Show, viel zu viel Geschäft drum herum. Auch die Spieler haben sich gewandelt.Inwiefern? Wenn ich schon höre, dass der Christian Fuchs einen Öffentlichkeitsberater hat. Bei aller Liebe. Oder die ganzen Psychologen, die heute im Fußball arbeiten. Ganz ehrlich: Als gesunder Mensch muss ich die Situation selbst bewältigen. Ich finde, die Spieler von heute sind nicht mehr so mündig.
Themenwechsel: Wissen die Gäste der Hochwildalm eigentlich, wer Sie bedient?Einige kommen extra wegen mir her. Was mich sehr freut: Bei den deutschen Gästen genieße ich einen ganz anderen Stellenwert als bei den Österreichern. Wie muss man das verstehen?Die wissen mehr zu schätzen, was ich als Fußballer erreicht habe. Ich trau` mich zu sagen: Von den Einsätzen in der Champions League und im UEFA-Cup her, hat kein anderer Österreicher so viele Spiele auf diesem Niveau gespielt. Aber in Österreich genieße ich nicht den Stellenwert, der mir eigentlich zustehen würde.Warum ist das so?Wahrscheinlich, weil ich mich selbst nie so in den Mittelpunkt gestellt habe, wie ein paar andere. Scheinbar ist es in unserer heutigen Gesellschaft besser, wenn einer einen Vogel oder einen Pecker hat. Der kommt dann besser an als ein bodenständiger, zurückhaltender Typ.Stichwort Marko Arnautovic?Der Arnautovic ist das negative Extrem. Der rühmt sich, dass er die Champions League gewonnen hat. Dabei hat er nur zwei Minuten gespielt. Ich hab` vier Halbfinalpartien in der Champions League gespielt.Das Finale gegen Juventus haben Sie aber verpasst.Das ist die einzige Episode aus meinem Fußballerleben, die mir heute noch wehtut. Wenn du vorher alle Partien machst, und dann im Finale nicht einmal auf der Bank sitzen darfst, dann ist das der Hammer. Du sitzt oben auf der Tribüne und hast das Gefühl, dass du nicht zur Mannschaft dazu gehörst.Haben Sie Sich über den Champions-League-Sieg überhaupt freuen können?Nein, damals bin ich komplett neben den Schuhen gestanden. Du kannst dich in dem Moment nicht freuen. Trotzdem berührt mich Dortmund auch heute noch. Toll, wie die Menschen in dieser Stadt mit dem Verein mitgehen. Ich möchte da auch wieder einmal rauf und mich in die Fankurve stellen. Dortmund ist einer der wenigen emotional gesunden Vereine, die es noch gibt. Es gibt auch andere Beispiele.Sie werden doch nicht etwa Red Bull Salzburg meinen? Ich will gar nicht viel darüber reden, weil mir das so aufstößt. Was die aufführen, da speibst dich an. Hut ab, was Red Bull weltweit geschafft hat, aber das, was in Salzburg abgeht, das ist schon imageschädigend für den Konzern und nur noch eine Lachnummer.
Wolfgang Feiersinger: Meisterkicker und Naturbursch
Der Mensch Wolfgang Feiersinger (*30. Jänner 1965 in Saalfelden) lebt in St. Johann in Tirol. Tochter Laura (19) ist erfolgreiche Fußballerin beim FC Bayern. Der Fußballer Feiersinger wechselte mit 21 Jahren von Saalfelden zu Austria Salzburg, wo er zum Leistungsträger und Publikumsliebling avancierte. Mit den Salzburgern gewann Feiersinger drei Mal den Titel und erreichte das UEFA-Cup-Finale. Von 1996 bis 2000 spielte er für Borussia Dortmund und gewann die Champions League. Feiersinger kam 46-mal im Nationalteam zum Einsatz und war Mitglied der WM-Mannschaft 1998. Der Hüttenwirt Seit drei Jahren bewirtschaftet der Naturliebhaber und Bergfex die Hochwildalm in Aurach. Die Hütte ist von Juni bis 1. Oktober durchgehend offen. Gehzeit vom Wildpark Aurach: 90 Minuten.
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