Dragovic: "Außer der Sonne fehlt mir nichts"

Top informiert: Dragovic weiß über Gegner Rapid bescheid.
Aleksandar Dragovic fühlt sich in Kiew wohl. Von einem Stadt-Besuch rät er Rapid-Fans ab.

Es sind die Geschichten, die nur der Fußball schreibt: Rapid will in der Europa League für Österreichs Fußball werben und gegen Dynamo Kiew am Donnerstag in die K.-o.-Runde einziehen (21.05 Uhr, ORFeins und Sky). Dem entgegen stellt sich Aleksandar Dragovic, 27-facher ÖFB-Teamspieler und Legionär in Kiew. Also in jener Stadt, die derzeit durch die Proteste ihrer Bevölkerung für die internationalen Schlagzeilen sorgt. Der 22-jährige Wiener ist seit dem Wechsel vom FC Basel in die Ukraine im Sommer um neun Millionen Euro Ablöse teuerster Fußballer Österreichs.

KURIER: Herr Dragovic, können Sie in Kiew ruhig schlafen?

Aleksandar Dragovic: Ja, das ist kein Problem. Ich wohne zwar im Zentrum und nur fünf Gehminuten von den Protesten entfernt, aber wenn man nicht direkt dort hingeht, bekommt man nicht viel davon mit.

1100 Rapid-Fans kommen am Donnerstag nach Kiew. Worauf sollten sie achten?

Ich würde ihnen empfehlen, nicht in die Innenstadt zu gehen. Dort ist alles gesperrt, an jeder Ecke steht die Polizei. Vielleicht ist es besser, sie halten sich in der Nähe des Stadions auf.

Sie sind seit Sommer in Kiew. Haben Sie sich gut eingelebt?

Absolut. Ich fühl’ mich pudelwohl. Es schneit zwar seit vier Tagen bei minus neun Grad durch, aber außer, dass ich nicht viel Sonne sehe, fehlt mir nichts. Meine Freundin und meine Großeltern sind hier, sie versuchen, mir alles abzunehmen, damit ich mich ganz auf den Fußball konzentrieren kann.

Das müssen Sie auch. Am Donnerstag geht es gegen Rapid in der Europa League um viel. Sind Sie angespannt?

Nicht mehr als sonst. Es regiert die Vorfreude auf ein Duell mit einem Klub aus Österreich. Das Bauchkribbeln kommt ein paar Minuten vor dem Spiel.

Dynamo Kiew hat im Sommer um 50 Millionen Euro neue Spieler eingekauft, Rapid hat ein Jahresbudget von knapp 20 Millionen. Kiew steht also unter Druck, spüren Sie das?

Diesbezüglich kann jeder behaupten, was er will. Ob Rapid nichts zu verlieren hat, ist uns auch egal. Auf solche Spielereien lass’ ich mich gar nicht ein. Wir spielen daheim und konzentrieren uns nur auf uns.

In der ukrainischen Liga hat Ihr Klub fünf Punkte Rückstand auf die Spitze, in der Europa League müssen Sie zittern. Wie fällt Ihr sportliches Fazit aus?

Wir hatten sogar schon elf Punkte Rückstand. Am Anfang fehlte uns die Konstanz, was klar ist bei fünf neuen Spielern. Von den letzten acht Meisterschaftsspielen haben wir aber sieben gewonnen. Und den Hänger, den wir in der Europa League zuletzt in Genk hatten, können wir am Donnerstag wieder ausbügeln. Wenn uns das gelingt, war es für uns ein erfolgreiches halbes Jahr.

Was wissen Sie über Rapid?

Unser Trainer Oleg Blochin hat uns alle Videos von den letzten Rapid-Spielen gezeigt, auch die Partie auf dem katastrophalen Boden in Wolfsberg. Wir sind also top informiert.

Worauf wird es ankommen?

Rapid versucht, einen schönen und gepflegten Fußball von hinten heraus zu spielen. Ausschlaggebend wird sein, dass wir Schaub, Boskovic und Hofmann ausschalten. Das sind hervorragende Techniker und die drei Schlüsselspieler einer hungrigen Mannschaft.

Ihr Ex-Klub Basel kann heute gegen Schalke in die K.-o.-Runde der Champions League einziehen. Sind Sie traurig, nicht mehr dabei zu sein?

Überhaupt nicht. Ich war mit Basel drei Mal Meister und auch in der Champions League. Ich habe meine Ziele dort erreicht und eine neue Herausforderung angenommen. Dynamo Kiew ist ein Weltklub, ich habe eine andere Kultur und Sprache kennengelernt und kann mich weiterentwickeln. Ich bin sehr froh, hier zu sein.

Drücken Sie Basel dennoch die Daumen?

Natürlich. Ihre Chancen stehen auch sehr gut, Schalke ist nicht in Überform. Ein Weiterkommen wäre sehr gut für den Schweizer Fußball.

Gut für den österreichischen Fußball wäre ein Erfolg von Rapid am Donnerstag.

Da müssen leider andere ihre Daumen drücken.

Von Kiews Olympiastadion sind es etwa 20 Minuten Fußmarsch bis ins Zentrum und damit auch zu den Schauplätzen der seit Tagen andauernden Proteste gegen Präsident Janukowitsch und die Regierung. So ist etwa der Bessarabska Rynok, jener Platz, auf dem vor wenigen Tagen die Lenin-Statue gestürzt wurde, wirklich in der Nähe des Stadions. Fußballfans, die zu Fuß unterwegs sind, oder sich ein bisschen in der Stadt umschauen möchten, müssen damit rechnen, auch in eine Protestkundgebung zu geraten. Unfreundliche Begegnungen mit den Regierungsgegnern muss man allerdings nicht befürchten, Gäste aus EU-Europa werden fast immer freundlich empfangen.

Auch die ansonsten für ihre ruppigen Umgangsformen berüchtigten Anhänger von Dynamo Kiew sollten gegenüber den Gästen aus Wien eher zurückhaltend auftreten. Sind sie doch zum Großteil ebenfalls auf der Seite der Opposition und haben damit in diesen Tagen ganz andere Gegner als die etwa 1100 Rapid-Fans.

Die Rapid-Vereinsleitung geht auf Nummer sicher und rät ihren Anhängern auf der Homepage, die Innenstadt zu meiden. Zwar waren die Sicherheitskräfte zuletzt eher zurückhaltend, doch Straßen wurden abgesperrt, um Regimegegner von Regierungsgebäuden fernzuhalten.

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