Den Kleinen schlägt die große Stunde

Alter Verein, frischer Wind: AFC Bournemouth ist erstmals erstklassig.
Bournemouth, Ingolstadt, Carpi: Neulinge klopfen an die großen europäischen Fußball-Ligen an.

Die einen mussten 116 Jahre auf den großen Moment warten. Die anderen waren seit der Vereinsgründung 1909 fast nur in den Niederungen des Fußballs zu finden. Und bei einer weiteren Mannschaft dachte man bis vor Kurzem noch eher an Pferdestärken als an Dribbelkünste.

In den großen europäischen Fußballländern schlägt heuer einigen kleinen Klubs die große Stunde. In Deutschland (Ingolstadt) und in Spanien (Girona) klopfen Teams an die 1. Liga an, die bisher die oberste Spielklasse nur vom Hörensagen gekannt haben. Seit gestern ist Carpi erstmals ein italienischer Serie-A-Ligist. Und in England steht AFC Bournemouth als Aufsteiger in die Premier League fest – ein Neuling mit 116 Jahren.

AFC Bournemouth

Noch vor sieben Jahren stand der Verein vor einem Scherbenhaufen. AFC Bournemouth, bei dem George Best einst seine Karriere ausklingen ließ, war da gerade in die vierte Liga abgestiegen und musste auch noch mit 17 Minuspunkten in die Saison starten.

Was dann folgte, ist eine Geschichte, die Trainer Eddie Howe ein "Fußballmärchen" nennt. Erst retteten Fans den Verein vor dem Ruin, dann führte Jungtrainer Howe (37) die "Kirschen", wie der Klub, der dem russischen Geschäftsmann Maxim Demin gehört, genannt wird, step by step nach oben. Gary Lineker, der WM-Torschützenkönig von 1986, sieht in diesem Eddie Howe gar die englische Ausgabe von Jose "The Special One" Mourinho. Speziell ist die Spielwiese in Bournemouth, der Dean Court fasst nur 12.000 Fans.

Carpi FC

Carpi oder Capri – die Verwechslung mit der Ferieninsel war schon immer das Dilemma der 70.000-Einwohnerstadt in der Emilia Romagna. Vielleicht hilft ja nun der Fußballverein auf die Sprünge, mit Carpi geht jedenfalls die Sonne auf. Der Durchmarsch des Aufsteigers in die Serie A ist nicht mehr zu verhindern. "Dabei wollten wir nur oben bleiben", sagt Sportdirektor Giuntoli. Denn eigentlich ist sogar die Serie B noch eine Nummer zu groß für diesen Klub, der bis vor zwei Jahren immer nur in den unteren Leistungsstufen am Ball war. Heute profitiert Carpi von der Krise vieler Traditionsteams und von seiner Seriosität. Drei Millionen Euro beträgt der Spieleretat, mit einem Altersschnitt von 23,7 Jahren hat Carpi eines der jüngsten Teams.

Altehrwürdig sind der Trainer und das Stadion: Fabrizio Castori (60) ist allen italienischen Fans ein Begriff, seit er einmal nach einer Schlägerei auf dem Spielfeld für zunächst drei Jahre gesperrt wurde. Das "Stadio Sandro Cabassi", eine alte Radbahn mit 4144 Plätzen, wirkt wie das Relikt aus einer anderen Zeit – daher will Carpi seine Heimspiele in der Serie A in Parma austragen.

FC Ingolstadt

Den Kleinen schlägt die große Stunde
epa04408780 Ingolstadt's Marvin Matip (L) vies for the ball with Munich's Rubin Okotie during the German Bundesliga second division soccer match between TSV 1860 Munich and FC Ingolstadt 04 at Allianz Arena in Munich, Germany, 20 September 2014. Munich is wearing a special jersey for the Oktoberfest. (ATTENTION: Due to the accreditation guidelines, the DFL only permits the publication and utilisation of up to 15 pictures per match on the internet and in online media during the match.) EPA/NICOLAS ARMER
Seit die Fußballer aufs Gas drücken, herrscht in der Audi-Stadt der Ausnahmezustand. "Es knistert, man spürt die Euphorie", erzählt Torhüter Ramazan Özcan, neben Coach Ralph Hasenhüttl und Stürmer Lukas Hinterseer einer von drei Österreichern beim Leader in der 2. deutschen Bundesliga. Bereits am Montag könnte Ingolstadt mit einem Sieg gegen Nürnberg den Aufstieg in die 1. Bundesliga fixieren.

Girona FC

Dem FC Barcelona winkt in der kommenden Saison ein neues katalanisches Derby. Der Klub aus der 100.000-Einwohnerstadt Girona liegt derzeit auf Platz 2 der Segunda Division und steht vor dem erstmaligen Aufstieg – mit einem Stadion, das gerade einmal 9286 Zuschauer fasst.

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