U-Ausschuss-Reform: "Der große Wurf ist es nicht"

U-Ausschuss im Parlament
Geteilte Meinungen zur Reform des U-Ausschuss-Procederes - von "in Ordnung" bis "zahnlos".

Rechtsanwälte von prominenten Auskunftspersonen in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen finden in den neuen Regeln durchaus Positives für ihre Klienten. Thomas Kralik und Herbert Eichenseder begrüßen etwa, dass künftig auch ein Richter Teil des Ausschusses ist. An anderen Punkten üben sie aber auch Kritik.

Ob Karl Heinz Grasser, Ernst Strasser oder Hubert Gorbach - auch prominente Ex-Minister sind nicht davor gefeit, ab und zu in einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss geladen zu werden. Wie jeder andere Zeuge durften sie auch schon bisher eine "Vertrauensperson" zur Befragung mitnehmen, wobei es sich dabei meistens um Anwälte handelt.

Mehr Professionalität

Dass sie dort künftig neben einem parlamentarischen Vorsitz auch auf einen pensionierten Richter treffen, der etwa die Erstbefragung durchführt, wird positiv beurteilt: Rechtsanwalt Herbert Eichenseder, der unter anderem Ex-Vizekanzler Hubert Gorbach als Vertrauensperson in einen U-Ausschuss begleitet hat, erhofft sich davon mehr Professionalität, wie er im Gespräch mit der APA sagte.

Ähnlich sieht das Rechtsanwalt Thomas Kralik, der etwa Ex-Minister Ernst Strasser bei einem Auftritt im U-Ausschuss beraten hat. Inwieweit es mit der Richterbefragung eher um eine Art Gerichtsverfahren geht als um politische Verantwortung, werde man aber in der Praxis abwarten müssen.

Zeugenladung umstritten

Nicht so begeistert ist Kralik davon, dass künftig schon ein Viertel der Abgeordneten Zeugen laden kann: Dies werde das Verfahren "extrem aufblasen", gab er zu bedenken. Er befürchtet, dass dann auch öfter Auskunftspersonen nicht aus sachlichen Gründen geladen werden, sondern einfach um "politische Schmutzwäsche" zu waschen.

"Absolut in Ordnung" findet Kralik, dass Befragungen auf maximal vier Stunden beschränkt werden. Die Befragungen seien für die Auskunftspersonen sehr anstrengend, die Konzentration lasse einfach irgendwann nach, erklärte er. Eichenseder hält die Beschränkung für nicht so relevant: Man könne in drei Stunden nur Blödsinn fragen oder eben gezielt. Wichtig wäre ihm, dass nicht alle Fraktionen dasselbe fragen, also nicht "unnötig quälen".

Strafe fürs Fernbleiben

Als "überzogen" bewertet Gorbachs Vertrauensanwalt die höheren Strafen, wenn ein Zeuge nicht kommt: Das Bundesverwaltungsgericht kann künftig auf Ersuchen des Ausschusses Beugestrafen von bis zu 30.000 Euro im Wiederholungsfall verhängen. Eichenseder meint, die Möglichkeit zur polizeilichen Vorführung würde hier ausreichen. Kralik dagegen ist durchaus dafür, in diesem Bereich rigoros vorzugehen: Die gesetzlich festgeschriebene Pflicht, zu erscheinen, habe eben jeder Staatsbürger zu befolgen.

Keine Fotografenmeute mehr

"Keine schlechte Idee" ist für Kralik auch das Vorhaben, dass sich Auskunftspersonen an den Verfassungsgerichtshof wenden können, wenn sie sich in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt fühlen. Ausdrücklich begrüßt der Anwalt auch, dass sich die Parlamentarier darum kümmern wollen, dass Zeugen das Hohe Haus und das Ausschusslokal ungestört betreten und verlassen können. Das sei bisher "sehr, sehr lästig" gewesen, Strasser sei etwa nach seinem Auftritt auch außerhalb des Parlaments von Fotografen verfolgt worden.

Ein Anliegen wäre Kralik noch, die Rechte der "Vertrauenspersonen" zu stärken. Derzeit habe man kaum Möglichkeiten einzuschreiten, wenn Mandanten mit falschen Vorhalten verunsichert und "in die Falle" gelockt würden. Er wünscht sich etwa, im Fall des Falles die Stopptaste drücken zu können und seinem Mandanten zu raten, zunächst nichts zu sagen, um sich dann mit dem Verfahrensanwalt zu beraten - das dürfte er derzeit eigentlich nicht, beklagte Kralik. Sein Resümee der Reform lautet jedenfalls: "Der große Wurf ist es nicht."

Die Medienanwältin Maria Windhager sieht die geplante Stärkung der Persönlichkeitsrechte im U-Ausschuss skeptisch. Dass nicht im öffentlichen Rampenlicht stehende Zeugen geschützt werden sollen, sei zwar grundsätzlich gut. Die aktuelle Punktation werfe aber mehr Fragen auf als sie beantworte, sagte Windhager der APA. Für "zahnlos" hält sie die Aufhebung der Abgeordneten-Immunität bei Verleumdung.

Vereinbart wurde im Parlament, dass Abgeordnete künftig nicht mehr durch ihre Immunität geschützt werden sollen, wenn sie jemanden verleumden. Damit folgen die Parteien dem deutschen Vorbild: Dort sind "verleumderische Beleidigungen" vom Schutz der Immunität ausgenommen. Auch für österreichische Kollegen soll künftig gelten, dass ihre Immunität bei Verleumdung (§297 StGB) nicht mehr greift.

Schwer nachweisbar

Windhager hält dies aber für zahnlos - und zwar, weil eine Verleumdung (im Gegensatz zur üblen Nachrede) in der Praxis schwer nachzuweisen sei. Dafür müsste ein Abgeordneter nämlich z.B. jemand wissentlich mit falschen Behauptungen der behördlichen Verfolgung aussetzen. "Ich mache seit 15 Jahren Medienrecht, ich habe noch nie eine Verleumdung gehabt", sagt die Anwältin. "Juristisch betrachtet ist es immer nur eine üble Nachrede."

Grundsätzlich begrüßt wird von ihr dagegen der Plan, den Persönlichkeitsschutz der Auskunftspersonen zu stärken. Schließlich sei es für politische Randfiguren "sehr belastend", in den medialen Fokus gerückt zu werden. "Es geht um die Abwägung: ist das ein eine Person von öffentlichem Interesse, oder ist das die kleine Sekretärin", so Windhager.

Unklarheiten

Die aktuelle Punktation wirft für Windhager allerdings mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Die Rede ist davon, dass Auskunftspersonen - sofern es sich nicht ohnehin um "öffentliche Personen" handelt - "im Hinblick auf den Schutz vor Bekanntgabe ihrer Identität (inkl. Bildnis) dieselben Rechte wie Personen im gerichtlichen Strafverfahren" erhalten. "Wie das genau geschützt werden soll ist unklar", sagt Windhager.

Im SP-Klub hieß es dazu auf APA-Anfrage, dass dies durch parlamentsinterne Regelungen - etwa durch einen gesonderten Zugang zum Ausschusslokal unter Umgehung von Kameras und Fotografen – gesichert werden soll. Änderungen im Medienrecht selbst soll es demnach nicht geben.

Die geplante "Informationsordnung" für den Umgang mit vertraulichen Akten im Parlament sieht eine zentrale Rolle für die Nationalratspräsidentin vor. Sie muss prüfen, ob bestimmte Unterlagen geheim bleiben sollen. Auch über die Strafverfolgung von Abgeordneten wegen Geheimnisverrats entscheidet sie. Grundsätzlich sind die Regeln an die Geheimschutzordnung des Bundes angelehnt. Ein Überblick:

ÖFFENTLICH/NICHT ÖFFENTLICH: Grundsätzlich sollen Dokumente, für die kein besonderer Schutz nötig ist, öffentlich sein. Nur für den internen Gebrauch bestimmte Unterlagen werden in der aktuellen Punktation als "nicht öffentlich" bezeichnet. Darunter fallen wie bisher auch alle einem U-Ausschuss übermittelten Akten.

KLASSIFIZIERUNGSSTUFEN: Darüber hinaus sind für besonders schutzwürdige Unterlagen vier Vertraulichkeitsstufen vorgesehen: "VS-Eingeschränkt", "VS-Vertraulich", "Geheim" und "Streng Geheim". Sie können u.a. verhängt werden, wenn das im wirtschaftlichen Interesse des Staates oder im Interesse einer Verfahrenspartei nötig scheint. Die Definition ist der Geheimschutzordnung des Bundes nachempfunden (siehe APA468 vom 24. Juni), weil der Großteil der infrage kommenden Akten von der Regierung stammen wird. Allerdings kann das Parlament auch eigene Unterlagen klassifizieren.

ENTKLASSIFIZIERUNG: Ob und wenn ja welcher Geheimhaltungsstufe ein Dokument unterliegt, entscheidet grundsätzlich der Urheber (also z.B. die Regierung). Im Fall einer zu strengen Einstufung kann die Nationalratspräsidentin ein Dokument aber re- oder entklassifizieren. Die Regierung kann dagegen beim Verfassungsgericht berufen.

VERWENDUNG IM AUSSCHUSS: In medienöffentlichen Sitzungen des U-Ausschusses dürfen sowohl "öffentliche" als auch "nicht-öffentliche" Unterlagen zitiert werden. Sobald klassifizierte Informationen zur Sprache kommen, ist der betreffende Teil der Sitzung jedoch "vertraulich" durchzuführen. Flexibilität ist aber vorgesehen: Wer klassifizierte Unterlagen in öffentlicher Sitzung verwenden will, kann dies beim Ausschuss oder beim Obmann (einer der Nationalratspräsidenten) anmelden oder er beantragt (bei der Präsidentin, siehe oben) die Entklassifizierung. Außerdem können die Abgeordneten vertrauliche Unterlagen "eigenverantwortlich" in öffentlicher Sitzung verwenden, müssen dann aber auf die Geheimhaltung der geschützten Informationen achten.

STRAFEN: Bricht ein Abgeordneter die Geheimhaltung, dann sind Sanktionen möglich, bereits bestehende Strafbestimmungen (310 StGB) werden aber entschärft: Bei "eingeschränkten" und "vertraulichen" Akten sind maximal Ordnungsgelder (bis 1.000 Euro) vorgesehen, bei "geheimen" oder "streng geheimen" weiterhin bis zu drei Jahre Haft. Allerdings kann die Staatsanwaltschaft nicht mehr von sich aus tätig werden, sondern nur noch nach Ermächtigung durch die Parlamentspräsidentin. Im Gegenzug werden Abgeordnete in diesem Fall nicht mehr durch die Immunität geschützt.

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