Titanic Hypo: Wer sie versenkte, wo das Geld ist, wer zahlen soll

Titanic Hypo: Wer sie versenkte, wo das Geld ist, wer zahlen soll
Die Aufarbeitung des Hypo-Debakels zeigt: Es gibt viele Schuldige, der Steuerzahler bleibt auf Milliarden sitzen. Die Bad Bank wurde schon 2009 debattiert.

Ein Mal protestierte Bundeskanzler Werner Faymann noch, es half freilich nichts. "Es geht nicht, dass man uns das Thema einfach rüberschiebt", sagte er in Brüssel am 10. Dezember 2009. Vier Tage später war die Hypo Alpe-Adria notverstaatlicht.

Die Bayerische Landesbank hatte ihre erst zwei Jahre zuvor erworbene Kärntner Tochter erfolgreich "rübergeschoben" und das mit Abstand teuerste Kapitel der österreichischen Wirtschaftsgeschichte eröffnet. Die Not der Übernahme durch den Staat erklärte der damalige Finanzminister Josef Pröll: "Ich musste – mit Beratung der Nationalbank, der Finanzmarktaufsicht und auch der EU – eine klare Entscheidung treffen. Die ist gefallen, damit nicht ein ,Lehman-II‘ für Österreich und Europa droht".

Zuerst ging es schnell: Schon am Tag nach der Verstaatlichung umriss Notenbank-Chef Ewald Nowotny eine Lösung, die in Deutschland Erfolg zeigte. Die Trennung in eine gute und eine schlechte Bank – eine Bad Bank. Der Plan: die Fortführung und Sanierung des noch einigermaßen intakten Bank-Teils und die strikt getrennte Abwicklung des Rests.

Doch es kam anders: Die Hypo war nicht auf Kurs zu bringen und die Politik (vor allem Maria Fekter) sperrte sich gegen die Übertragung der Altlasten in eine staatliche Bad Bank, weil dadurch die Schulden der Republik in die Höhe schnellen. Erst jetzt, mehr als vier Jahre nach der Notverstaatlichung, soll dieser Schritt gesetzt werden.

Doch das kommt zu spät. Längst hat die EU verordnet, dass die Bank und ihre noch profitablen Teile bis 2015 verkauft sein müssen. Die "Good Bank" hört also Ende nächsten Jahres zu existieren auf. Übrig bleibt nur die Bad Bank, eine Art Mülldeponie für die kaum verwertbaren Altlasten. Und sie bleibt dem Steuerzahler 10, 20, 30 Jahre erhalten. Sagen kann das heute niemand.

"So lange an die Sanierbarkeit zu glauben, das war der Kardinalfehler", sagt WIFO-Experte Franz Hahn. Er fühlt sich bestätigt. Schon Anfang Dezember 2009, als der Kampf zwischen Wien, München und Klagenfurt richtig brutal wurde, weil niemand die schwer angeschlagene Hypo wollte, war es Hahn, der prophezeite: "Die Bank kann man nur mehr abwickeln." Dieser Tatsache muss heute Finanzminister Michael Spindelegger ins Auge sehen.

Was geschah bis zur Verstaatlichung der Hypo durch die Republik Österreich?

Ausgestattet mit Kärntner Landeshaftungen, die am Höhepunkt mehr als das Zehnfache der Landesbudgets ausmachten, hat die Bank über Jahre hinweg eine hochriskante Expansionspolitik in Südosteuropa verfolgt. Im Zuge der Finanzkrise brachen viele Märkte massiv ein, die Zahl der Not leidenden Projekte und Kredite schoss extrem in die Höhe. Aus vielen Ländern hat man sich mittlerweile zurückziehen müssen, die Bank schrumpfte um mehr als ein Viertel. Zum Zeitpunkt der Notverstaatlichung hatte der Bund bereits mit 2,2 Milliarden Euro ausgeholfen.

Der Anteil, den kriminelle Vorkommnisse am Untergang der Hypo haben, lässt sich bis heute nicht seriös schätzen – ist aber Teil der zähen juristischen Aufarbeitung.

Was geschah danach? Wer sind die Schuldigen am Hypo-Desaster?

Der Skandal um die Hypo hat viele Väter, deren Zusammenspiel über Jahre zum Debakel führte. An oberster Stelle stehen wohl der verstorbene Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider und eine Bank, die sich vom Landesfürsten für seine Prestigeobjekte und Großmannsucht hat einspannen lassen. Unter Haiders Regierung wurden die exorbitanten Landeshaftungen für die Hypo-Anleihen genehmigt. Durch die hohen Verluste der Bank war 2009 auch das Bundesland Kärnten von der Pleite bedroht. Ein Jahr nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers, dem Auslöser der globalen Finanzkrise, sollten aber auch die anderen Großbanken – allesamt stark in Mittel- und Osteuropa engagiert – vor einem lebensgefährlichen Dominoeffekt geschützt werden.

Eine Mitschuld trägt auch die Bundesregierung – ab 2000 unter VP-Kanzler Wolfgang Schüssel –, die vor dem explosionsartigen Anstieg der Haftungen die Augen verschloss. Die eigentlich aktiven Spieler waren die Vorstände um den mittlerweile verurteilten Ex-Hypo-Chef Wolfgang Kulterer. Risiken wurden geflissentlich übergangen, der Glaube an eine goldene Zukunft am Balkan, die der Hypo saftige Gewinne einbringen wird, war unwidersprochener Antrieb der Bank. Der Hypo-Aufsichtsrat hat das Treiben der Hypo-Vorstände gebilligt. Weggeschaut haben all die Jahre auch die Bankenaufseher: Finanzmarktaufsicht und Nationalbank haben Prüfer in die Hypo entsandt, die Mängel wie fehlende Risikokontrolle oder Zweifel an der Kapitalerhöhung meldeten. Folgen hatte dies aber lange nicht.

Erst Ende 2005 erzwang die Aufsicht nach dem Platzen eines riskanten Swap-Geschäfts und Bilanzfälschung den Rücktritt des Vorstands. Wesentliche Mitschuld an dem Debakel hat auch die BayernLB, die die Hypo im Mai 2007 erwarb. Die Bayern verschärften den Expansionskurs noch einmal, negierten jedoch die Gefahren der Finanzkrise. So wurde auch die BayernLB zum Milliardengrab.

Wo liegt das politische Versäumnis?

Anstatt als neuer Hypo-Eigentümer eine klare Linie zum Abbau der Bank vorzugeben, ließ die Regierung den Vorstand im Regen stehen. Gottwald Kranebitter sollte die Bank sanieren, gleichzeitig warf ihm die Politik Prügel vor die Füße, indem sie die Bank als "von krimineller Energie durchsetzt", bezeichnete. Daher brach immer mehr Geschäft der Hypo weg, übrig blieb ein Berg fauler Kredite. Kranebitter zog sich im Vorjahr entnervt zurück, auch Hypo-Aufsichtsratschef Johannes Ditz schmiss alles hin. Finanzministerin Fekter wehrte sich gegen die Bad Bank, die ihr Nachfolger jetzt umsetzt. Die Verzögerung kostet den Steuerzahler zumindest eine Milliarde Euro.

Wie kann man 13 bis 19 Milliarden Euro verzocken? Wo ist das Geld?

Die Summe der faulen Kredite und Leasingverträge der Hypo beträgt 8,5 Milliarden Euro. Die Kreditnehmer, ob Baufirmen oder Hotelbetreiber, sind insolvent oder vorübergehend zahlungsunfähig. Daher ist es auch möglich, dass Teile der Kredite irgendwann wieder einbringlich werden. Der überwiegende Teil der Kreditnehmer stammt aus Italien, Kroatien, ein Teil aus Slowenien. Diese Länder stecken seit Jahren in der Rezession, das hat die Bank arg in Mitleidenschaft gezogen.

Weitere gut 5 Milliarden Euro sind Kredite, die wahrscheinlich noch bedient werden könnten, die aber in Märkten sind, aus denen sich die Hypo zurückzieht oder schon verabschiedet hat (Italien, Ukraine, Deutschland, Ungarn, Bulgarien, Mazedonien). Dazu kommen sechs Milliarden Euro an Wertpapieren und Immobilien, die die Bank zu verkaufen versucht.

Wohin fließt das Geld der Steuerzahler?

Das Steuerzahler-Geld – bisher fast vier Milliarden Euro – dient zur Abdeckung der Hypo-Verluste und hat die Bank bis heute am Leben gehalten. Den zweiten, größeren Teil an Steuerzahler-Geld wird die geplante Bad Bank verschlingen. Diese Verwertungs-Anstalt soll all die faulen Kredite, Leasinggeschäfte oder Immobilien abverkaufen, die eigentlich niemand mehr will. Der absehbare Verlust ist hoch. Eine Schätzung sagt: Wenn die Bad Bank mit Geschäften im Wert von ursprünglich 13 Milliarden startet, dürften damit drei Milliarden zu erlösen sein. Der Rest bleibt als Verlust beim Steuerzahler hängen.

Kann man zum Beispiel das Bärental verkaufen, um Geld für die Hypo aufzutreiben?

Der Privatbesitz der Familie des verstorbenen Landeshauptmanns Jörg Haider hat mit der Hypo nichts zu tun. Die Verlust jedes Unternehmens wie eben auch der Hypo haben die Eigentümer zu tragen. Und das sind im Fall der Hypo die Steuerzahler.

Was ist mit dem Kärntner Zukunftsfonds?

Der Zugriff auf die 500 Millionen Euro, die Kärnten nach dem Verkauf der Hypo 2007 in dem Fonds angelegt hat, ist nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Landtag möglich. Die politische Durchsetzung ist also schwierig. Verhandelt wird derzeit darüber, ob Kärnten nicht wenigstens einen Teil der Gelder einbringt, die das Land als Provisionen für die Hypo-Haftungen kassiert hat. Anlässlich der Notverstaatlichung hat Kärnten rund 200 Millionen Euro beigesteuert, Bayern etwas mehr als 800 Millionen. Seither hält sich die Diskussion, dass der Bund damals über den Tisch gezogen worden wäre. Manche, wie Hannes Androsch, sagen von Bayern. Andere sagen: von Kärnten.

Gibt es Möglichkeiten, die Anleihekäufer zur Kassa zu bitten? Also Banken, Versicherungen, Pensionskassen und Hedge Fonds?

Viele, die Hypo-Anleihen ohne Landesgarantie haben, mussten bereits herbe Verluste einstecken. Die Hypo hat große Teile dieser Anleihen weit unter dem Nominalwert zurückgekauft. Jene Investoren, die landesgarantierte Anleihen haben, wird man nicht zwingen können, auf Teile zu verzichten. Das geht maximal freiwillig und auf dem Verhandlungsweg. Die Opposition fordert die Bundesregierung auf, es zumindest zu versuchen. Die Grünen wollen einen Schuldenschnitt bei den Gläubigern von zumindest 30 Prozent erreichen.

Auch im Insolvenzfall wäre es wohl nur dann möglich, die Gläubiger zur Kassa zu bitten, wenn auch das Land Kärnten pleitegeht und der Bund nicht aushilft. Das könnte jedoch die Reputation des Finanzplatzes schwer beschädigen. Deshalb warnen Nationalbank und Hypo-Taskforce eindringlich vor einer Insolvenz. Österreich würde als ein Land eingestuft, das als unzuverlässig gilt und dessen Gesetze im Notfall nicht halten.

Außerdem: In Europa wurden zwar etliche Banken in der Finanzkrise (teil-)verstaatlicht, aber noch keine Staatsbank in die Pleite geschickt. Hier will die Bundesregierung einmal nicht Vorreiter sein.

Kann man von den Bayern etwas holen?

Kaum, eher muss Österreich noch Milliarden zahlen. Einerseits jene 2,3 Milliarden Euro, die seitens der Bayern noch in der Bank stecken. Als Darlehen, sagt Bayern – als Eigenkapital, sagt Österreich. Und andererseits Schadenersatz, sollte nachgewiesen werden, dass die Bilanz 2006 gefälscht war, auf Basis derer die Hypo 2007 von Bayern gekauft wurde. Die einzige Chance: Österreich könnte eine Irrtumsklage einbringen, um nachzuweisen, dass man bei der Notverstaatlichung 2009 über den wahren Zustand der Bank getäuscht wurde. Doch die Regierung braucht auch die Zustimmung Bayerns für die Hypo-Bad-Bank. Daher gelingt eine Einigung wohl nur außergerichtlich und politisch.

Welche politischen Folgen und Konsequenzen hatte das Hypo-Debakel bisher?

Haiders FPÖ beziehungsweise BZÖ in Kärnten wurden abgewählt, Kärnten hat seit dem Vorjahr mit Peter Kaiser wieder einen roten Landeshauptmann. Eine andere Konsequenz: Vereinbart wurden Obergrenzen für Landeshaftungen, aber nur für die Zukunft. Nach letztem Stand ist der Bund in Summe Haftungen von 103 Milliarden Euro eingegangen. Bei den Ländern und Gemeinden beträgt die Summe 77 Milliarden Euro.

Titanic Hypo: Wer sie versenkte, wo das Geld ist, wer zahlen soll

HC Strache geißelt die Hypo als "Finanzverbrechen" – freilich nicht als das der Blauen, sondern von Rot-Schwarz. Werner Faymann sucht ausgerechnet in Tagen wie diesen, Wolfgang Schüssel den Rang als Schweige-Kanzler abzulaufen. Nur Finanzminister Spindelegger kam als Eigentümervertreter der Skandal-Bank um dürre Sätze wie diese nicht herum: "Ich fürchte, wir werden diese Suppe auslöffeln müssen."

Wie viele Milliarden drohen, bleibt der Spekulation überlassen. Nach dem GAU mit dem Budgetloch lässt Rot-Schwarz die Nation auch über den Super-GAU, das Hypo-Loch, rätseln: 13 Milliarden, 19 Milliarden – oder darf’s, dank der Bayern, noch ein bisserl mehr sein?

Wenn die Regierung nicht bald in die Offensive geht, gelingt Strache das, wovor sie hinter den Kulissen zu Recht warnt: Die FPÖ ist dabei, einen Skandal, der seinen Wurzeln im Blauen hat, Rot-Schwarz komplett umzuhängen. Faymann & Spindelegger ist im Fall Hypo vieles vorzuwerfen, eines aber nicht: Dass sie in Malversationen aktiv verwickelt waren und das zu verbergen hätten. Mit kleinlautem und kleinmütigen Agieren geben sie diesem Misstrauensvorschuss aber weiter Nahrung. Dabei ist unbestreitbar: An der Wiege des Desasters stand Kärnten. Die Landesbank hatte für Haiders Brot und Spiele zu blechen: Ein Stadion für 32.000 Fußballfans, das gähnend leer steht: einen Fußballklub, der trotz gekaufter Bundesligalizenz als Provinzkickverein liquidiert wurde; eine Fluglinie, die pleite ist; eine Seebühne, die mangels Zuschauermasse als Bordell enden soll; einen Formel-1-Rennstall – und viele sauteure Verrücktheiten mehr.

Fanal Lehman-Pleite auf Europäisch

Fakt ist auch, dass die Notverstaatlichung alternativlos war. Jede andere Entscheidung barg das Risiko, dass die Hypo Alpe-Adria zum europäischen Pendant der Lehman-Pleite wird, die die Weltwirtschaft fast in den Abgrund riss – und jene schwere Krise lostrat, an der wir noch leiden.

Über die Zeit davor und danach gibt es aber viele offene Fragen: Wie konnte es kommen, dass der Haftungsrahmen der Bank derart maßlos aufgeblasen wurde? Warum hat die Aufsicht tatenlos zugeschaut? Warum hat die Politik so lange in Sachen Bad Bank laviert?

Die Antworten sind komplexer als die Fragen. Umso dringlicher ist, dass die Regierung auf Augenhöhe mit jenen redet , die jetzt die Zeche begleichen sollen. Wo ist der runde Tisch im Kanzleramt mit Kärnten & Co zur Schadenswiedergutmachung? Wann lädt der Finanzminister zum Bürgerforum, um Rede und Antwort zu stehen? Wo ist die Initiative der beiden Klubchefs für neue Regeln, die nicht nur den Steuerzahler, sondern auch Politiker und Aufsichtsorgane in die Haftung nehmen? Ein kleines Zeichen der Hoffnung kommt ausgerechnet aus Kärnten. Landeshauptmann Peter Kaiser entschuldigt sich "bei allen, dass so etwas passiert ist". Was noch fehlt, ist tätige Reue, sein Beitrag zur Schadenswiedergutmachung. Die 500 Millionen, die Kärnten aus dem Hypo-Deal lukrierte, haben nicht mehr sakrosant zu sein.

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