SPÖ-Schieder: Spindelegger betreibt "Propaganda"

Finanzminister Michael Spindelegger.
In der ÖVP steigt der Druck in Richtung Steuerentlastung. Die Koalition wird zunehmend belastet.

Ja, es werde sie natürlich geben, die Steuerreform – aber eben erst dann, wenn Land und Verwaltung nachhaltig reformiert seien, und wenn die für die Reform nötigen Milliarden erfolgreich eingespart worden seien.

Seit Wochen bemüht sich Finanzminister Michael Spindelegger, mit dieser Botschaft beim Koalitionspartner, der politischen Öffentlichkeit und insbesondere den Wählern zu landen. So auch am Freitag.

Via ORF-Radio tat der Vizekanzler kund, dass ihn die neuerlich ventilierten Forderungen nach einer raschen Steuer-Entlastung nur mäßig beeindrucken.

"Keine Reform auf Pump" lautete die Ansage des ÖVP-Bosses.

Blockierer? Er doch nicht. Wenn jemand blockiere, dann wohl die Gewerkschafter – hier insbesondere die sozialdemokratischen, befindet der Vizekanzler.

Die Klarstellung tat insofern not, als zuletzt auch in der Volkspartei deutliche Begehrlichkeiten in Richtung Steuerentlastung kamen.

„Ich hoffe, dass der Finanzminister bald diese Propaganda mit falschen Zahlen beendet.“ Andreas Schieder
Klubobmann der SPÖ

Norbert Schnedl, Chef der ÖVP-nahen Christgewerschafter, hatte bereits am Mittwoch via KURIER auf eine rasche Entlastung der heimischen Arbeitnehmer gedrängt – im Idealfall ab dem Jahr 2015. Am Donnerstag waren dann die von der ÖVP gestellten AK-Präsidenten in Tirol und Vorarlberg mit der Forderung an die Öffentlichkeit geprescht, über die Steuerreform bald eine Volksbefragung abzuhalten.

Populismus-Keule

Spindelegger wischte derlei am Freitag einfach weg: "Mit Populismus macht man keinen Euro locker."

Die beharrliche Haltung des Vizekanzlers ändert freilich wenig daran, dass der politische Druck auf ihn stetig steigt. "Wenn die deutsche Bundesregierung unter einer Angela Merkel über die Abgeltung der kalten Progression nachdenkt, dann sollten wir in Österreich auch dazu in der Lage sein", sagte Freitagnachmittag FCG-Chef Schnedl zum KURIER. Immerhin bedeute eine steuerliche Entlastung der Arbeitnehmer auch eine Ankurbelung der Wirtschaft. Schnedl: "Das bringt mehr Umsatzsteuer, mehr Körperschaftssteuer – und es schafft neue Jobs."

Beim Koalitionspartner sorgt der Finanzminister mit seiner unbeirrbaren Haltung in Sachen Entlastung seit Wochen für Zähneknirschen.

Die Aussage Spindeleggers vom Freitag, wonach sich Österreich eine Steuersenkung nicht leisten könne, weil die SPÖ und ihre Gewerkschafter die Strukturreformen blockierten, rief einen zornigen SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder auf den Plan. "Das ist eine billige Ausrede! Wie man weiß, sitzen die Blockierer in Spindeleggers Lager. Bei der Schule und bei der Föderalismusreform blockiert die ÖVP, und die Steuerreform blockiert der Finanzminister selbst", sagte Schieder zum KURIER.

Propaganda-Vorwurf

Den Vorhalt, die roten Gewerkschafter würden die Steuer- und Abgabenquote mit einer Vermögenssteuer auf über 50 Prozent hinauf treiben, kommentiert Schieder so: "Das ist falsch. Ich hoffe, dass der Finanzminister bald zu finanzpolitischer Expertise zurückkehrt und diese Propaganda mit falschen Zahlen beendet."

Die SPÖ und die Gewerkschaft würden keine Erhöhung der Steuer- und Abgabenquote wollen, sondern eine Entlastung der Arbeitnehmer und des Mittelstandes. Schieder: "Das macht Italien, das wird in Deutschland diskutiert. Aber in Österreich betreibt der Finanzminister eine Unkultur des Nichtredens."

Die OECD hat am Mittwoch – einmal mehr – bestätigt, was ÖGB-Boss Erich Foglar schon vor zwei Monaten im KURIER beklagt hat: Einem durchschnittlichen Arbeitnehmer in Österreich blieb im Vorjahr bei einem Brutto-Gehaltsplus von 2,4 Prozent de facto nichts übrig, wenn man Inflation und Steuern abzieht. Mit 49,1 Prozent an Abgabenbelastung liegt Österreich unter 34 Industrieländern mit Platz 3 im unrühmlichen Spitzenfeld.

Foglar hatte die jüngste Steuersenkungs-Debatte Anfang April im KURIER-Interview losgetreten: "Wir haben es so satt. Ich weigere mich, weiterhin Lohnerhöhungen nur für den Finanzminister zu verhandeln." Den Menschen müsse wieder mehr netto vom Brutto bleiben.

Die Regierung hat zwar eine Steuerreform in ihr Programm geschrieben, bis dato ist aber nichts passiert.

Foglar will nicht weiter zuwarten. Der rot-dominierte ÖGB-Vorstand hat gestern – auch mit Zustimmung der Christgewerkschafter – beschlossen, mit der Arbeiterkammer über den Sommer ein Konzept zur Entlastung der Arbeitnehmer auszuarbeiten. Im September wird es präsentiert. Von der Regierung wird verlangt, dass die Reform schon 2015 steht.

SPÖ und ÖVP wollen bis Ende 2015 lediglich ein Gesetz vorlegen. Das haben die beiden Parteien vergangene Woche in einem unverbindlichen Parlamentsantrag festgeschrieben.

Stillstand überwinden

Was will der ÖGB konkret? Der Eingangssteuersatz (36,5 Prozent) müsse "deutlich" gesenkt werden. Auch bei den übrigen Tarifstufen solle es Änderungen geben. Details will Foglar nicht nennen. Fest steht, dass das ÖGB-Modell im Herbst intensiv beworben wird. Die Gewerkschafter wollen so den Druck auf die Regierung erhöhen, "damit die Steuerreform nicht auf den St. Nimmerleinstag verschoben wird. Wir wollen, dass der Stillstand endlich überwunden wird", sagt Foglar zum KURIER. Was ist, wenn die ÖVP dabei bleibt, dass die Reform aus budgetären Gründen ab 2015 nicht leistbar sei? "Geht nicht gibt’s nicht", stellt der ÖGB-Frontmann kämpferisch klar.

„Wir machen Druck, damit die Steuer- reform nicht auf den St. Nimmerleinstag verschoben wird.“

Ein Fünftel der Senkungskosten würden sich allein durch höhere Einnahmen bei der Umsatzsteuer (durch mehr Konsum) finanzieren. Foglar will auch "einen fairen Beitrag von jenen 83.000 Millionären, die es sich leisten können". Den Mittelstand wolle der ÖGB nicht belasten.

"Nagelprobe für die ÖVP"

Die SPÖ tat so, als fühle sie sich von der Gewerkschaft nicht unter Druck gesetzt. Im Gegenteil: Mehrere rote Regierungsmitglieder und Partei-Geschäftsführer Norbert Darabos ließen wissen: "Der ÖGB-Beschluss unterstützt den Kurs der SPÖ für eine Steuerreform." Die Steuerentlastung ab 2015 werde "zur Nagelprobe für die ÖVP". Verkehrsministerin Doris Bures sagte zum KURIER, sie erhoffe sich "mehr Tempo vom Regierungspartner".

Der denkt nicht daran, zu beschleunigen. Einmal mehr heißt es, eine Steuerreform werde es geben, "sobald das Volumen (also die Gegenfinanzierung) dafür erarbeitet ist". Spielräume seien durch "echte Reformen in den Kernbereichen Verwaltung, Frühpensionen, ÖBB-Infrastruktur und Förderungen unverzüglich umzusetzen". Das haben die ÖVP-Vorständler vergangenen Montag beschlossen. Neue Steuern kommen für die Schwarzen nach wie vor nicht infrage. Nicht nur der ÖGB, auch die SPÖ drängt ja auf Vermögenssteuern.

Kommentare