Rot-Schwarz: Scheidung, bitte warten!

Mitterlehner, Faymann: Die Stimmung ist getrübt, trotzdem muss alles beim Alten bleiben.
Warum die Regierung noch hält, auch wenn sich die Koalitionspartner nicht trauen.

Wenn sich die Chefs der beiden Regierungsparteien – wie jüngst beim Asylgipfel – eher ungeniert und vor Publikum beflegeln, und wenn der Vizekanzler dem Regierungschef ganz unverblümt die Kanzlertauglichkeit abspricht, dann passt dafür nur ein Begriff: Regierungskrise.

Am Freitag versuchte der wahlkämpfende Wiener SPÖ-Chef Michael Häupl den Zank zwischen Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner zwar ein Stück weit kleinzureden. "Ich bin es Leid, Beziehungssysteme zu kommentieren", sagte Häupl zu Ö1. In der Politik gehe es nicht um Befindlichkeiten, sondern um Lösungen.

Doch auch oder gerade weil Parteichef Faymann am Wochenende versucht, zumindest medial wieder in die Offensive zu kommen (heute Interview im Mittagsjournal, morgen ORF-Pressestunde), stellt sich die Frage: Liegt Rot-Schwarz in den finalen Zügen? Atmosphärisch spräche ja vieles dafür.

Was stimmt ist, dass sich relevante Kräfte in der ÖVP bis vor kurzem tatsächlich mit dem Gedanken getragen haben, die Karten per Nationalratswahl neu zu mischen – Neo-Parteiobmann Mitterlehner war im Umfrage-Hoch, die SPÖ schwächelte.

Das Problem ist nur: Das Momentum kam der ÖVP abhanden, der "Django-Bonus" (Mitterlehners Couleur-Name) ist längst wieder perdu.

"Wir haben immer gewusst, dass die Umfrage-Werte nur kurzfristig nach oben gehen. Wer glaubte, dass uns der Django-Bonus das Kanzleramt sichert, der war einfach auf dem Holzweg", sagt ein ÖVP-Stratege.

Das mag durchaus sein. Weitaus bedeutsamer ist freilich ein anderer Faktor, nämlich die politische Großwetterlage. Und die stellt sich nun, im Juni 2015, für beide Regierungsparteien ausnehmend grimmig dar.

" In einer Situation, in der SPÖ und ÖVP bei wichtigen Wahlen signifikant verlieren und gleichzeitig die FPÖ stark zulegt, wäre es politischer Selbstmord wählen zu gehen. Streit hin oder her", sagt ein Vertrauter des Kanzlers.

Tatsächlich musste diese Woche ausgerechnet das rote Urgestein Karl Blecha eine Umfrage des SPÖ-nahen Ifes-Instituts präsentieren, wonach die FPÖ bei der Sonntagsfrage glatt vor der SPÖ auf Platz 1 zu liegen kommt.

SPÖ und ÖVP können, ja dürfen vorerst nichts tun, um die Koalition zu beenden – sie sind einander ausgeliefert, auf Gedeih und Verderb.

Das gilt selbst für den Fall, dass sich ein Szenario realisiert, in dem Faymann nach verpatzten Wahlen in Wien und Oberösterreich als Parteichef gehen muss. "Wir werden gut daran tun, die Koalition mit welchem SPÖ-Boss auch immer so lange wie möglich fortzusetzen. Egal, ob er Faymann, Christian Kern oder Gerhard Zeiler heißt ", sagt ein Vertrauter von ÖVP-Boss Mitterlehner.

SPÖ und ÖVP müssen auf Zeit spielen. Nur so haben sie eine theoretische Chance, dass die Stimmung dreht, dass FPÖ-assoziierte Themen wie die Asyl-Debatte abflauen, und dass die Sympathie für Blau abnimmt. Bis zur Wien-Wahl geht sich derlei keinesfalls aus, bis dahin bleibt also alles beim Alten.

Insbesondere dem Kanzler ist das vermutlich gar nicht unrecht. "Er mag nicht der größte Visionär sein", erzählt ein Faymann-Intimus, "aber eines kann der Werner besser als viele andere, nämlich: um sein politisches Überleben kämpfen. Das ist die Rolle seines Lebens."

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