Rot-Blau in Eisenstadt, Wut im rot-grünen Wien

Niessl und Tschürtz: Ein Aktivist störte die Pressekonferenz.
Das Regierungsbündnis zwischen Rot und Blau ist fix. Die Proteste lassen SP-Landeschef Niessl und seinen blauen Vize Tschürtz kalt. Ganz oben im Koalitions-Pakt: Volksbefragungen zu "brisanten Themen" und "temporäre Grenzkontrollen".

Je lauter die Kritik an Rot-Blau wurde, desto rasanter schienen die beiden künftigen Koalitionspartner im Burgenland das Ziel erreichen zu wollen. Bereits fünf Tage nach der Landtagswahl präsentierten SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl und FPÖ-Frontmann Hans Tschürtz am Freitag im Eisenstädter Landhaus ihr nach Selbsteinschätzung "sehr gutes" 38-seitiges Koalitionsübereinkommen, das in den kommenden fünf Jahren "professionell abgearbeitet werden soll", wie Niessl hinzufügte. Zum Vergleich: Für den bisher letzten rot-schwarzen Pakt nach der Wahl 2010 brauchte es für 20 Seiten ganze 24 Tage.

Kaum hatten die beiden Landesparteichefs knapp vor 14.30 Uhr die Pressekonferenz im SPÖ-Landtagsklub begonnen, wurde sie auch schon wieder unterbrochen: Ein Aktivist der "Offensive gegen Rechts", die mit einer kleinen Abordnung vor dem Landhaus aufmarschiert war und für 11. Juni eine Demonstration in der Landeshauptstadt ankündigte, pflanzte sich vor den beiden kurz konsternierten Politikern auf und rief: "Sicher nicht ohne unseren Widerspruch" und "wir lassen ihnen keine ruhige Minute", ehe er von Niessls Pressesprecher freundlich hinauskomplimentiert wurde.

Rot-blauer Pakt

Um Verbindlichkeit bemühten sich Niessl und Tschürtz auch in der rund halbstündigen Präsentation. Zur Kritik aus der eigenen Partei außerhalb der Landesgrenzen verwies Niessl einmal mehr darauf, dass es sich um eine autonome Entscheidung der burgenländischen SPÖ handle und dass er von seinen Bürgermeistern und Vizebürgermeistern "ausschließlich Zustimmung" geerntet habe.

Die FPÖ stellt in der neuen Regierung zwei der sieben Mitglieder, neben Tschürtz, der als Landeshauptmannstellvertreter ein "Sicherheits"-Ressort (Feuerwehr, Katastrophenschutz, Straßenpolizei, Rotes Kreuz etc.) übernehmen wird, zieht auch der bisherige freiheitliche Klubdirektor Alexander Petschnig in die Regierung ein. Der Wirtschaftsakademiker übernimmt das neu geschaffene Ressort Wirtschaft und Tourismus. Und die SPÖ verzichtet auf das ihr zustehende Amt des Dritten Landtagspräsidenten, das die freiheitliche Landtagsabgeordnete Ilse Benkö erhält.

Bei der SPÖ sind neben Niessl die bisherigen Landesräte Helmut Bieler (bisher Finanzen) und Verena Dunst (Frauen) gesetzt, weitere Personalia sollen am Montag nachgereicht werden. Ob Soziallandesrat und Kanzler-Kritiker Peter Rezar bleiben darf, ist noch offen.

Inhaltlich finden sich im Pakt viele SP-Wahlkampfhits, etwa Bürokratieabbau und Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping. Und man wolle "so gut wie möglich" burgenländische Arbeitsplätze für Burgenländer schaffen. Ganz wichtig für die FPÖ: Volksbefragungen "zu brisanten und wichtigen Themen", aber auch "temporäre Grenzkontrollen".

Auf die Frage, wie sehr FPÖ-Bundesparteichef Heinz-Christian Strache und Generalsekretär Herbert Kickl in die Gespräche eingebunden waren – dem KURIER wurde aus sicherer Quelle zugetragen, dass beide am letzten Verhandlungstag bis zum Schluss in Eisenstadt vor Ort waren –, sagte Tschürtz, man habe Strache das Papier nach Abschluss der Verhandlungen zur Kenntnis gebracht. Er habe es als "herzeigbar" befunden. Aber: Das Abkommen sei zwischen SPÖ und FPÖ im Burgenland geschlossen.

Weiterführende Links

Das Burgenland ist nun ein Einzelfall, nämlich das einzige Land, in dem die Freiheitlichen Partner in einer Koalition sind. Bisher stellten sie lediglich Proporz-Landesräte. Die rot-schwarze Zusammenarbeit ist mittlerweile absolutes Minderheitenprogramm, es gibt sie derzeit in Niederösterreich, wie es in der Steiermark weitergeht, bleibt abzuwarten.

Am Ruder waren die Blauen bis zur Wahl 2013 in Kärnten und bis 2009 als Juniorpartner in Vorarlberg. In Kärnten wurden sie abgewählt, dort regiert jetzt die "Kenia"-Koalition aus SPÖ, ÖVP und Grünen, die Blauen haben nur mehr einen Proporz-Landesrat. Einen solchen gibt es auch in Oberösterreich und drei nicht-amtsführende Stadträte in Wien.

In Vorarlberg brachte sich die FPÖ mit einem antisemitischen Sager ihres Parteichefs Dieter Egger 2009 um die - seit 1949 bestandene - Mitarbeit in der Regierung. Intensive Bemühungen, nach der Wahl 2014 wieder aufgenommen zu werden, fruchteten nicht: LH Markus Wallner entschied sich für Schwarz-Grün.

Damit folgte er dem Trend, der die Regierungen seit 2013 bunt werden ließ. In Salzburg entschied sich LH Wilfried Haslauer - nachdem die ÖVP in der Finanzskandal-Wahl den ersten Platz zurückholte - für die Zusammenarbeit mit Grünen und dem Team Stronach, also die zweite Dreier-Koalition Österreichs. Auch in Tirol beendete LH Günther Platter vor zwei Jahren die lange Ehe mit der SPÖ und wandte sich den Grünen zu.

Schwarz-Grün

Vorreiter für Schwarz-Grün ist Oberösterreich: Dort ging LH Josef Pühringer schon 2003 mit den Grünen zusammen. Eine Fortsetzung nach der Wahl im September ist recht wahrscheinlich. Rot-Grün gibt es nur einmal, und diese Koalition stellt sich im Oktober der ersten Wahl: In Wien erkor 2010 Bürgermeister Michael Häupl die Grünen zum Partner.

Die Zeit der früher - solange SPÖ oder ÖVP noch die Absolute hatten - auf Landesebene oft geübten Alleinregierungen ist vorüber. In einem Land wäre eine solche noch möglich: In Niederösterreich verteidigte LH Erwin Pröll 2013 die VP-Absolute - aber er kooperierte dennoch mit der SPÖ.

Weil in Niederösterreich die Regierung nach Proporz gebildet wird, bekam dort nach der Wahl 2013 das Team Stronach - wie in Kärnten auch - einen Regierungssitz. Der Proporz sichert allen größeren Parteien die Vertretung in der Landesregierung. Mittlerweile hat allerdings die Mehrheit der Bundesländer auf das Mehrheitssystem umgestellt, das eine "freie" Koalitionsbildung mit von der Koalition selbst ausgewählten Regierungsmitgliedern ermöglicht. Burgenland und die Steiermark bilden ihre Regierungen heuer erstmals in "freien" Verhandlungen. In Oberösterreich und Wien wurde es bisher nichts mit der Abschaffung des Proporzes, Kärnten arbeitet daran, in Niederösterreich besteht er noch.

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