Neuer Anlauf zum rot-schwarzen Paar-Lauf

Partner: Kanzler Faymann und Vize Mitterlehner plauderten am Dienstag viel.
SPÖ und ÖVP bemühen sich wieder um Harmonie. Der neue Kurs zeigt sich in Ton und Inhalt. Sowohl bei der Steuersenkung als auch bei der Bildung setzen beide demonstrativ auf Konsenssuche.

Der Bundeskanzler nannte ihn den "lieben Reinhold" und das war für ÖVP-Chef Mitterlehner am Dienstag mehr als nur ein Grund zum Schmunzeln.

Mit dem demonstrativ verwendeten "Du" – Werner Faymann hatte es dem neuen Vizekanzler erst vor einer Woche angeboten – wollte der SPÖ-Chef zeigen: Wir können miteinander, wir ziehen an einem Strang.

Nun macht ein selbstbewusstes "Du" noch keinen großkoalitionären Neustart. Doch tatsächlich war nach dem ersten Ministerrat in frischer Besetzung eine Entspannung zwischen den Koalitionären spürbar.

"Total auf Konsens" seien alle gewesen, erzählt ein Teilnehmer im Anschluss an die Sitzung. Und das liegt wohl daran, dass etwa die personellen Erneuerungen der ÖVP von den roten Regierern mehrheitlich goutiert werden. Neo-Vizekanzler Mitterlehner? Er gilt im SPÖ-Lager seit jeher als verlässlicher Großkoalitionär und Sozialpartner. Der neue Chef im Finanzressort, Hans Jörg Schelling? Er wird ob seiner Expertise aus dem Hauptverband respektiert. "Schelling kennt die Spielregeln, weiß wie man verhandelt", sagt ein hochrangiger SPÖler. Der junge Staatssekretär Harald Mahrer wird im roten Klub wie auch in der Regierungsmannschaft zumindest als guter Kommunikator gesehen.

Klausur im neuen Stil

Die verteilten Vorschusslorbeeren werden langfristig freilich nicht reichen, um einen nachhaltigen Image-Aufschwung zu erzeugen. Deshalb überlegen rote und schwarze Strategen, wie der "neue Stil" auch spür- und sichtbar wird.

Am 26. und 27. September werden die ersten "Leitlinien" bei einer internen Klausur finalisiert. "Schon jetzt ist aber klar, dass wir die neue Harmonie nicht verkaufen oder bewerben, sondern vor allem leben müssen", sagt ein Berater Werner Faymanns.

Soll heißen: Die Bundesregierung muss "Leuchtturm-Projekte" wie die Steuerreform ohne verbale Tritte ans Schienbein des jeweils anderen über die Bühne bringen. Ein frommer Wunsch?

Mitnichten. Zumindest am gestrigen Parlamentstag war der Ton beispielsweise in Sachen Steuerreform deutlich verändert.

Der SPÖ-Chef sagte zu, es werde "keine kleinkarierten Debatten" geben. Wichtig sei zunächst, dass die Bürger entlastet würden. Im Gegenzug antwortete der neue ÖVP-Boss Mitterlehner nicht wie sein Vorgänger mit einem kategorischen Nein zu Vermögenssteuern. Der "Neue" sprach lieber davon, dass sich die Regierung durch eine "Aufgaben-Reform Spielraum schaffen" müsse. "Und eventuell bleibt dann irgendwo noch eine Gegenfinanzierung über"– ein Signal an den Koalitionspartner, am Ende könnte es wohl doch eine Form von Obolus auf Vermögen geben.

Keine Tabus

Ähnliches war beim ideologischen Streit-Thema der Bildung zu beobachten: Anstatt bekannte Spindelegger-Positionen zu ventilieren, blieb Mitterlehner bei der Frage nach der Gesamtschule der 10- bis 14-Jährigen gelassen: "Wir können über alles reden. Es gibt keine Tabus."Alles paletti, also? "Ich würde nicht von einer großen Chance reden, aber sagen wir: Es geht jetzt bergauf", beurteilt ein Minister die koalitionäre Lage.Die FPÖ sieht den Neustart-Versuch von SPÖ und ÖVP anders: Heinz-Christian Strache und sein Klub stellten einen "Misstrauensantrag" an die gesamte Bundesregierung – knapp 24 Stunden nach der offiziellen Angelobung.

Sie hinterlasse "politisch eine Lücke"; Sie sei "eine Kämpferin für Demokratie, Minderheitenrechte und Gleichberechtigung" gewesen. Und: Wie sie mit ihrer schweren Krankheit umgegangen sei, verdiene "Respekt".

Am Dienstag, exakt einen Monat nach ihrem Tod wurde Barbara Prammer nochmals von allen Parteien im Parlament gewürdigt.

Ihre Nachfolgerin an der Spitze des Nationalrats, die bisherige SPÖ-Infrastrukturministerin Doris Bures, bekam auch viel Positives zu hören – und wurde von der überwiegenden Mehrheit unterstützt. 78 Prozent der Parlamentarier stimmten für Bures als Nationalratspräsidentin. Sie kündigte an, "eine gute, faire und überparteilichagierende Präsidentin sein" sein zu wollen.

Ein Maßstab dafür, ob ihr das gelingt, werden die Untersuchungsausschüsse sein, die künftig von den Nationalratspräsidenten geführt werden. ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka sprach "von einer großen Herausforderung". Auch Grünen-Chefin Eva Glawischnig sieht angesichts der neuen Regeln für U-Ausschüsse "eine große Bewährung" auf Bures zukommen.

Die neue Präsidentin galt bisher als eine, die für ihre Partei praktisch alles macht. Spannend wird daher sein, wie sie es anlegen wird, wenn etwa rote Regierungsmitglieder vor einen U-Ausschuss geladen werden sollten.

Im Parlament steht auch noch anderes an. Das Hohe Haus muss dringend saniert werden. Es wird diskutiert, ob und wie die parlamentarischen Spielregeln geändert werden sollen (z. B. Rederecht für EU-Parlamentarier im Parlament in Wien; Hearings für angehende Minister).

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