Platznot für Flüchtlinge gelindert
Das bundespolitische Zentrum verlagert sich ab Freitag geografisch gen Westen. Die Regierung geht – erstmals in neuer Zusammensetzung – in Klausur (siehe unten). In Schladming wollen SPÖ und ÖVP gute Stimmung und Arbeitseifer demonstrieren. Da passt das unangenehme Asyl-Thema so gar nicht dazu.
Im Wiener Rathaus kam es nicht so gut an, dass Mitterlehner seine Vereinbarung mit Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) hinausposaunte. Die beiden Politiker hatten Mittwochabend miteinander telefoniert. Der Stadtchef, so hieß es, hätte zugesagt, dass Wien weitere Flüchtlinge beherbergen könnte – aber aufgeteilt auf drei Unterkünfte.
Wenig verwunderlich: Häupl hat angesichts der Wien-Wahl 2015 kein Interesse, ein Großquartier für Asylwerber in der Stadt zu haben.
Kurze Verstimmung
Man einigte sich aber bald. Mitterlehner und Häupl gaben letztlich bekannt, dass in Erdberg 350 Personen und in der ehemaligen Wiener Wirtschaftsuni 250 Verfolgte logieren können. Die WU muss adaptiert werden. Das Gebäude in Erdberg ist ab Montag benützbar.
Bilder: Flüchtlingsquartier in Erdberg
Mitterlehner schätzt das Entgegenkommen von Häupl sehr. Immerhin werden in Wien aktuell schon 7114 Flüchtlinge versorgt – um 31 Prozent mehr als die Quotenregelung für die Bundesländer vorsieht. Ein solches Bemühen in der Flüchtlingsfrage vermisst die ÖVP bei der Bundes-SPÖ. Die Schwarzen drängen weiterhin darauf, dass Kasernen (roter Minister) genutzt werden können.
VP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner macht auch weiter Druck auf die Gemeinden, Quartiere zu suchen. Bis dato haben Flüchtlinge ja nur in 515 von rund 2300 Gemeinden eine Bleibe. Der Ball wird zudem an die Kirche weitergespielt. Die VP-NÖ appelliert in einem Brief an Kardinal Christoph Schönborn, dass die Kirchen "im Sinne der Menschlichkeit rasch zusätzliche Quartiere zur Verfügung" stellen sollten.
Wo auch immer Flüchtlinge unterkommen, arbeiten dürfen sie weiterhin nur eingeschränkt. Trotz eines Appells von Gemeindebund-Präsident Mödlhammer sieht Mikl-Leitner "keinen Änderungsbedarf". Sie argumentiert, Flüchtlinge könnten ohnedies nach drei Monaten arbeiten: Bei einem positiven Bescheid hätten sie "vollen Zugang zum Arbeitsmarkt"; Wenn das Verfahren noch laufe, könnten sie als Saisonniers oder Erntehelfer tätig sein.
SPÖ pro Mikl-Leitner
SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer teilt Mikl-Leitners Ansicht. Das hängt wohl mit der steigenden Arbeitslosigkeit zusammen – und damit, dass die FPÖ dagegen ist, dass Asylwerber generell arbeiten dürfen. SPÖ und ÖVP wollen HC Strache keine Möglichkeit geben, mit diesem Thema zu punkten.
Mitarbeit: Matthias Hofer
Der Schlosser ist bereits am Werk. Elektriker, Installateure und Reinigungspersonal rücken demnächst an. Seit rund einem Jahr steht ein Großteil des Gebäudes in der Erdbergstraße 186–196 leer. Doch jetzt muss es schnell gehen. Ab kommendem Montag sollen hier Hunderte Flüchtlinge untergebracht werden. Von 600 Menschen war zunächst die Rede (siehe Geschichte oben). Doch die Asylwerber sind nicht allein: Im zweiten Stock befindet sich das Wiener Ballsportgymnasium. Und im Keller trainiert die Polizei-Sondereinheit WEGA.
Skeptische Schüler
Örtlich werden die Asylwerber jedenfalls von den Schülern getrennt. Sogar mit separaten Aufgängen. Wer zur Schule will, wählt den blauen Aufgang, der rote ist für die Flüchtlinge.
Ursprünglich war in dem siebenstöckigen Gebäude ein Schulungszentrum für Zollbeamte. Doppel- und Einzelzimmer mit Betten und Möbeln sind vorhanden. Die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) führte zuletzt Verhandlungen mit dem Betreiber von Studentenwohnheimen. Diese Pläne liegen zumindest in den kommenden vier Monaten auf Eis. So lange soll das Quartier den Asylwerbern zur Verfügung stehen.
Auch Patrick Aschenbrenner ist nur zufällig in der Gegend. Dagegen ist er trotzdem. "Die Studenten wären mir schon lieber als die Asylwerber", sagt er. "Der Staat soll lieber auf seine Leute schauen. Das ist keine gute Idee. Aber ich kann es eh nicht ändern." Nachsatz: "Ich bin froh, dass ich nicht hier wohn’."
Das tun aber ohnehin nicht allzu viele. Denn rundum stehen vor allem Büro- und Verwaltungsgebäude.
Die ÖVP stimmte sich gestern bei ihrer Klubklausur im Parlament auf die Herbstarbeit – und auch auf die Regierungsklausur in Schladming ein. Partei-Obmann Reinhold Mitterlehner redete den Seinen dabei ins Gewissen: "Mit guter Stimmung allein bewegt man gar nichts."
Die Mandatare hatten tags davor von Klubchef Reinhold Lopatka die Order erhalten haben, sich den Medien nur ja nicht allzu heiter zu präsentieren. Seit dem Abgang von Michael Spindelegger und der Umbildung des Regierungsteams ist in der ÖVP ja Erleichterung und Zuversicht spürbar. Die Schwarzen wissen freilich, dass nun die Mühen der Polit-Ebene auf sie warten. Davor warnte Mitterlehner seine Leute eindringlich. "Der gute Eindruck ist noch lange keine gute Arbeit." Die Bürger müssten spüren, dass sie von der Politik profitieren.
Dass sollten SPÖ und ÖVP ab heute auch in Schladming zeigen, befand gestern der steirische Landeshauptmann Franz Voves, der eine "unglaublich schlechte Grundstimmung in der Bevölkerung" ortet. Er glaubt aber, dass die Klausur "Schwung" bringen kann.
Bei der Regierungstagung in der Obersteiermark stehen die Themen Wirtschaft, Bildung und Steuerreform auf der Agenda. Heute, Freitag, werden sich die Teilnehmer vor allem mit Konjunktur, Beschäftigung – und den Auswirkungen der Sanktionen (Russland) auseinandersetzen. Mit dabei sind Wirtschaftskammer-Boss Christoph Leitl und ÖGB-Chef Erich Foglar.
Ein Vorhaben: Wie der KURIER erfuhr, sollen die 2011 in Kraft getretenen Bestimmungen gegen Lohn- & Sozialdumping verschärft werden – um zum Beispiel besser gegen Firmen vorgehen zu können, die Mitarbeiter nicht angemessen entlohnen.
Kein Thema wird die ÖIAG sein. Die Zukunft der Staatsholding soll später erörtert werden. Auch das Bonus-Malus-System für Betriebe, die ältere Arbeitnehmer beschäftigen, wird dem Vernehmen nach nicht bei der Klausur besprochen, weil es noch keine Einigung gibt.
Am Samstag wird über die Steuerreform (siehe Seite 2) und die Bildung debattiert. Was die Verwaltungsreform betrifft, sollen laut Mitterlehner "30 konkrete Beispiele" vorgestellt werden, die ohne Gesetzesänderungen umgesetzt werden könnten.
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