Gut, dass eine "Reform" abgesagt wurde

Gut, dass eine "Reform" abgesagt wurde
Im griechischen Mutterland der Demokratie zeigt sich, wie das Volk bei einem Plebiszit ausgenutzt werden kann.

Die Aufregung über das jüngste Reform-Begräbnis hielt sich in Grenzen. Doch das Schweigen ist unfair. Ausnahmsweise hätten sich SPÖ und ÖVP Lob für eine "Reform"-Verweigerung verdient. In der vergangenen Woche trugen sie einen Volksabstimmungs-Automatismus, mit dem das Parlament durch ein Plebiszit hätte ausgehebelt werden können, zu Grabe. Zum zweiten Mal binnen zwei Jahren nahmen sie von diesem populistisch getriebenen Vorhaben Abstand. Warum das gut ist, wird uns im Mutterland der Demokratie gerade vorgeführt.

Die Syriza-Regierung gaukelte den Griechen vor, sie könnten mit einem Kreuzerl beim "Oxi" Sparauflagen abwehren. Verständlicherweise stimmten die krisenzermürbten Griechen freudig für "Nein". Dass ein "Oxi" bedeutet, die griechischen Rechnungen an 18 andere Demokratien und deren Steuerzahler zu schicken, darüber klärte Syriza die Griechen nicht auf.

Das Ergebnis ist doppelt negativ. Die Griechen müssen erkennen, dass sie von verlogenen Politikern zum Machterhalt missbraucht wurden. Das Parlament hat in der Nacht auf Samstag das Gegenteil von dem beschlossen, zu dem die Griechen nur fünf Tage zuvor "Oxi" sagten. Noch schlimmer: Nicht zufällig jubelten Rechtspopulisten in ganz Europa, auch die FPÖ in Österreich, über das griechische Referendum. Mit dem Schlachtruf – was für die griechischen Schuldner gilt, muss für die österreichischen Zahler erst recht gelten! – verlangt die FPÖ eine Volksabstimmung über "jeden weiteren Cent für Griechenland". Nun kommen die Regierungen der anderen Euro-Staaten unter noch größeren Druck als bisher, vor ihren Steuerzahlern Hilfskredite mittels strenger Auflagen zu rechtfertigen. Das griechische Plebiszit kehrt sich gegen die geplagten Griechen.

Für Nationalisten wäre es ein Fest, würde jetzt in den verschiedenen Euro-Ländern der plebiszitäre Propagandakrieg über die "Nazi-Deutschen" und die "faulen Griechen" ausbrechen.

Wohlmeinende Bürger, die sich ein fundiertes Bild machen wollten, hätten es nicht einfach. Selbst für Spitzen-Ökonomen ist der Fall Griechenland knifflig. Nobelpreisträger Joseph Stiglitz etwa nennt Griechenland ein Musterbeispiel einer starken Demokratie, negierend, dass in der griechischen Politik Turbo-Nepotismus und Unfähigkeit herrschen. Auch über einen Grexit gehen die Meinungen diametral auseinander. Während Stiglitz, sein berühmter US-Kollege Paul Krugmanund der Deutsche Hans Werner Sinn den Griechen zum Verlassen des Euro raten, weil dies das Beste für sie wäre, sagt der Chef des deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts, Marcel Fratzscher, das genaue Gegenteil: "Ein Grexit würde Griechenland und Europa großen Schaden zufügen."

Man sieht: Ökonomen wären bei einem Referendum keine große Entscheidungshilfe.

Unsere Verfassung schreibt vor, dass über "grundlegende Änderungen" das Volk abstimmt. Der EU-Beitritt war so ein Fall.

Sollte sich die Eurozone in eine Richtung entwickeln, die "grundlegende Änderungen" für Österreich bedeutet, müsste es laut Verfassung wieder eine Volksabstimmung geben.

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