Die ÖVP zieht’s Richtung Blau

Bild mit Symbolcharakter
Der Job-Gipfel hat den Frust der ÖVP über die Koalition mit der SPÖ nicht beseitigt.

Der Arbeitsmarktgipfel vom vergangenen Freitag ist also kein Flop geworden. Sondern ein Mini-Erfolg. Nach mehreren Monaten Anlauf.

Damit hat die Regierung zwar nicht den Turnaround geschafft, aber zumindest ein Lebenszeichen von sich gegeben.

Das war auch überfällig. Vergangene Woche, vor dem freitägigen Jobgipfel, hatte sich das koalitionäre Stimmungsbarometer bereits dem Gefrierpunkt genähert. "Katastrophal" sei das Verhältnis zwischen den Regierungspartnern, erzählt ein Minister dem KURIER.

Hinter den Kulissen nervten einander die Politikerkabinette mit dem üblichen Haxelstellen. Auch auf offener Bühne flogen die Fetzen, und zwar ausgerechnet beim sensiblen Flüchtlingsthema. Kanzler Werner Faymann gibt den humanitären Helfer, die ÖVP-Minister Sebastian Kurz und Johanna Mikl-Leitner gefallen sich als Proponenten der "Law & Order"-Fraktion. Die ÖVP verbeißt sich in den angeblich "unfähigen" Verteidigungsminister, der Kanzler setzt sich in offenen Gegensatz zu seiner Innenministerin.

Auf solche Art stärkt eine Regierung das Zutrauen in ihre Handlungsfähigkeit wohl eher nicht.

Es ist nicht nur die Bevölkerung, die an der SPÖ-ÖVP-Koalition zweifelt. Auch weite Teile der ÖVP haben den Glauben an die eigene Regierung verloren. Der jahrelange Grabenkampf mit der SPÖ um jeden Zentimeter politischen Kompromiss hat sie zermürbt. Hinzu kommen Wahlverluste, die sie um ihre Existenz bangen lässt.

Vor allem die jüngere Garde in der ÖVP und der Wirtschaftsflügel wurden von einer Anti-SPÖ-Stimmung erfasst. Die SPÖ mausert sich in diesem ÖVP-Milieu geradezu zum Feindbild. "Viele Funktionäre sagen, an der Seite der SPÖ verenden wir schön langsam", erzählt ein ÖVP-Politiker.

Je größer der Frust über die SPÖ, umso größer die Lust auf eine Regierung mit der FPÖ. ÖVP-Spitzenfunktionäre reden ganz offen über eine Zukunft mit den Freiheitlichen. Da fallen Sätze wie: "Hoffentlich wird Josef Moser nicht Bundespräsident, den brauchen wir nämlich als Finanzminister."

Die Hemmschwelle, mit der FPÖ und Heinz-Christian Strache eine Koalition zu machen, sinkt in der ÖVP aus vielerlei Gründen.

Erstens, weil die ÖVP einen Fluchtweg aus der Koalition mit der SPÖ sucht. Ein ÖVP-Politiker: "Unsere Leute sind weniger von Strache begeistert. Die Triebfeder ist eine Anti-SPÖ-Stimmung."

Zweitens, weil es Rot-Blau im Burgenland gibt, was die moralischen Argumente gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ untergräbt.

Drittens, weil Schwarz-Blau in Oberösterreich ein starkes Signal innerhalb der ÖVP darstellt: Die Oberösterreicher waren im Spektrum der Volkspartei eher mitte-links angesiedelt. Wenn sogar die Oberösterreicher Schwarz-Blau machen, was spricht dann noch dagegen?

Die ÖVP-Oberösterreich muss wegen der Koalition mit der FPÖ auf Landesebene zwar etliche Parteiaustritte verkraften, aber der Protest fiel geringer aus als befürchtet.

Viertens, weil in ganz Europa Rechtspopulisten an die Macht kommen, da sei – anders als im Jahr 2000 – nicht zu befürchten, dass Österreich an den Pranger gestellt würde.

Wie groß der ÖVP-Frust über die Koalition mit der SPÖ ist, lässt sich an folgender Aussage eines durchaus besonnenen ÖVP-Politikers ablesen: "Selbstverständlich will die ÖVP in einer Koalition mit der FPÖ den Kanzler stellen. Sollten wir jedoch nach der nächsten Nationalratswahl entscheiden müssten, ob wir nochmals den Juniorpartner der SPÖ spielen oder Partner eines FPÖ-Kanzlers werden, hätte Zweiteres, wenn die Stimmungslage so bleibt, wahrscheinlich die Mehrheit."

Den roten Gewerkschaftern ist die Stimmung in der ÖVP nicht verborgen geblieben. Bei der alljährlichen Sozialpartner-Tagung in Bad Ischl "war das Klima diesmal so frostig, dass es direkt schon peinlich war", erzählt ein roter Spitzengewerkschafter dem KURIER. Und er hat offenbar eine gute Beobachtungsgabe: "Die wollen nicht nur Schwarz-Blau, die würden sogar Blau-Schwarz machen, nur um aus der großen Koalition wegzukommen."

Dem Vizekanzler, ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, unterstellen die Gewerkschafter jedoch keine Gelüste auf einen Partnerwechsel. Mitterlehner war am Donnerstag zu Gast im ÖGB-Vorstand. Die Aussprache, so ein Teilnehmer, sei sachlich-freundlich verlaufen.

Vielleicht schuf das ja die Basis für den Doch-noch-Erfolg am Freitag.

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