Rechtsruck: Wie blau sind die Roten?

SP-Chef Faymann, FP-Frontmann Strache: Bleibt Rot-Blau ein pannonisches Schreckgespenst?
Burgenlands Niessl in Asylpolitik auf FP-Kurs. Polit-Stratege: Mit FPÖ reden klüger als ausgrenzen.

Es wäre der erste Rauswurf in der Geschichte des Vereins geworden, Hans Niessl ist ihm zuvorgekommen.

Der burgenländische Landeshauptmann kehrt dem Bund Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer den Rücken. In seinem Begründungsschreiben verteidigt Niessl einmal mehr die rot-blaue Zusammenarbeit im Burgenland. "Der Auffassung zu sein, dass man niemals und unter keinen Umständen mit einer demokratisch gewählten und somit vom Volk legitimierten Partei, in diesem Fall der FPÖ, zusammenarbeiten könne bzw. dürfe, halte ich für einen zu überdenkenden Ansatz", schreibt Niessl.

Volksbefragung

Dem nicht genug, ist Niessl gegen das vom Bund ins Auge gefasste Verfassungsgesetz zur Schaffung neuer Asylquartiere – notfalls auch gegen den Willen der Länder und Gemeinden. Wie sein Koalitionspartner FPÖ kann er sich zur Asylfrage auch eine Volksbefragung im Burgenland vorstellen und fordert den Einsatz des Heeres – nicht nur für Transport und Versorgung von Flüchtlingen.

Niessl macht mehr und mehr Politik gegen die eigene Parteilinie, befinden seine Kritiker. Niessl vollzieht die nötige Öffnung hin zur Strache-FPÖ, sagen seine Fans, wenn auch selten öffentlich.

Zuletzt hatte der wahlkämpfende rote OÖ-Chef Reinhold Entholzer eine Diskussion in seiner Partei über den Umgang mit der FPÖ gefordert. Die SPÖ setze sich mit der FPÖ nicht auseinander, sondern sage nur "FPÖ pfui". "Wir sollten konkret sagen, warum pfui und das dokumentieren. Durch die Vranitzky-Doktrin ist das obsolet geworden." In der Diskussion sollte herauskommen, was "die No-Gos sind".

Diese Stoßrichtung vertritt im Grunde auch der ehemalige SPÖ-Geschäftsführer und Politik-Stratege Josef Kalina. Natürlich solle die Sozialdemokratie mit der FPÖ reden, "auch wenn das manchmal sehr schwer fällt. Deshalb muss man nicht gleich mit denen koalieren. Aber erst dann kann man austesten, zu welchen Sachlösungen sie bereit wären. Denn eine Partei, die gleichauf mit allen anderen ist, kann man auf Dauer nicht so behandeln, als wären sie auf keinen Fall regierungsfähig", sagt Kalina. Das sei eine demokratische Normalität. "Natürlich geht hier ein Bruch durch die Sozialdemokratie, das ist mir bewusst. Aber mit der FPÖ zu reden, halte ich trotzdem für den klügeren Weg."

Umgekehrt machen die Blauen neuerdings ganz auf Arbeitnehmer-Partei und versprechen vollmundig, künftig in Wien die bessere rote Politik zu machen.

Ansteckungsgefahr

Bürgermeister Michael Häupl, dem im Oktober eine schwere Wahlniederlage droht, hält weiter dagegen. Häupl ist für einen reinen Assistenzeinsatz des Heeres, gegen eine Asyl-Volksbefragung und gegen die Einbindung der FPÖ (siehe unten). Niessl soll sich von FPÖ "nicht anstecken" lassen, rät Häupl.

Für den Politologen Fritz Plasser verschwimmen die Lager-Grenzen zusehends, zu ähnlich seien sich die Wählergruppen von FPÖ und SPÖ. Große Überschneidungen gebe es auch inhaltlicher Natur. Das reiche von der Arbeitslosigkeit und Sicherheitsthemen bis zur Asylpolitik. Dazu komme die rote und blaue Skepsis gegenüber der EU.

Einzelne Gruppen innerhalb der SPÖ seinen zudem traditionell FPÖ-affiner als andere, etwa die Gewerkschaft oder die SPÖ in Kärnten und Oberösterreich. Deshalb ist der "Tabubruch" Niessls für Plasser auch kein Dammbruch, vielmehr sei dieser Damm schon lange nicht mehr dicht. Die Politik der FPÖ-Freunde in der SPÖ könne man daher auch als "sozialpragmatischen Populismus" bezeichnen.

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