Brennt die Schule im Advent?

Brennt die Schule im Advent?
Gewerkschaft rüstet sich für „Kampfmaßnahmen“ wegen Alleingangs der Regierung.

Gleichklang und Handlungsstärke – das wollen der Kanzler und der Vizekanzler signalisieren. Und so erklärten sie am Dienstag wortgleich, warum die Regierung das neue Lehrerdienstrecht beschlossen hat – ohne Sanktus der Gewerkschafter: 35 Mal sei mit ihnen verhandelt worden, geboten habe man ihnen etwas, das „sich sehen lassen“ könne. „Es gibt aber den Moment des Entscheidens – wenn man merkt, dass Entgegenkommen nicht zu spüren ist“, sagte Werner Faymann.

Den Widerstand gegen die Neuerungen versteht weder er noch Michael Spindelegger. Sie sollen erst ab dem Schuljahr 2019/20 gelten, für jetzige Lehrer also nicht. Im Übrigen gebe es für die künftigen „ein deutlich höheres Einstiegsgehalt als in anderen Berufen“, sagte Spindelegger. Dafür müssten sie mehr lehren: „Wir haben eine andere Schule als vor 20 Jahren.“ In der werde auch nachmittags unterrichtet und betreut. Auch Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek hat am Dienstagabend das beschlossene Lehrerdienstrecht verteidigt. So gebe es nun endlich eine Gleichstellung unter den Lehrertypen, etwa beim Gehalt, betonte die Ministerin in der ZiB 2. Ob sie künftig selbst Ambitionen auf das Bildungsressort hat, wollte sie nicht beantworten.

Ende der Fahnenstange

Für Spindelegger und Faymann sei „bedauerlich“, dass die Lehrer mit Ausstand drohen. Werden sie tatsächlich streiken? Imagefördernd wäre es ja nicht. Und so ist manchen Standesvertretern auch nicht wohl dabei. In einer Bundeskonferenz der Gewerkschaft aller Staatsbediensteten, geleitet von Beamtenboss Fritz Neugebauer, wird am Mittwoch darüber debattiert. Ergebnis dürfte sein: ein „Vorratsbeschluss für Kampfmaßnahmen“, wie das auf Gewerkschaftsdeutsch heißt. Jürgen Rainer, Frontmann der BMHS-Lehrer, ist jedenfalls dafür, wie er dem KURIER sagte: „Am Ende der Fahnenstange ist der Streik.“ Er hat in vier Tage lange ausgelotet, wie seine Klientel, die 23.000 BMHS-Pädagogen, dazu stehen: „Sie sind flächendeckend für gewerkschaftliche Maßnahmen.“

Die wird es dann wohl bald geben; die Regierenden möchten nämlich, dass das neue Dienstrecht, maximal minimal modifiziert, noch vor Weihnachten im Parlament beschlossen wird. „Protest ist keine Trotzreaktion, sondern soll etwas bewirken. Nach dem Beschluss käme der Protest zu spät“, sagte AHS-Lehrergewerkschaftschef Eckehard Quin dem KURIER. Er hat schon vergangene Woche dahingehend Druck gemacht. „Nicht widerstandslos hinnehmen“ würde er einen Alleingang der Regierung. Auch Rainer hatte Rot und Schwarz gewarnt: „Wenn das so kommt, marschieren wir kerzengerade in einen Arbeitskampf.“

Es scheint, als wären Quin und Rainer dem obersten Lehrergewerkschafter zu forsch unterwegs. Paul Kimber sagt lediglich: „Wir werden uns geeignete Maßnahmen in allen Lehrerbereichen überlegen.“ Das Repertoire reicht von Resolutionen und Dienststellenversammlungen bis zu Demonstrationen und Streik. Gut möglich , dass die Pflichtschullehrer auf andere Art aufbegehren als jene an Gymnasien und BMHS. Das muss freilich nicht nur die Beamtengewerkschaft gutheißen, sondern auch der ÖGB. Dessen Spitzen tagen am Donnerstag. Auch wenn sie sich nicht gegen den Protest der Lehrer verwahren werden, offensiv unterstützen werden sie sie nicht. Der Grund: Das Verständnis schlechter gestellter Berufsgruppen für den Aufruhr der Pädagogen halte sich in Grenzen.

Der Direktor der Albertina nutzte jüngst eine Radio-Live-Sendung zur Abrechnung mit der Schule. Bevor er im „Klassik-Treffpunkt“ seine Musikvorlieben preisgab, klagte Klaus Albrecht Schröder „als Vater“ leidenschaftlich über fehlende Nachmittagsbetreuung, zunehmende Freistunden und Ferien. Lehrer-Proteste gegen Mehrarbeit könne er nicht mehr hören: Wer habe die Eltern gefragt, als mit den „Herbstferien“ in vielen Schulen zusätzlich freie Tage eingeführt wurden?

Das ist polemisch zugespitzt, trifft aber die Gefühlslage vieler Schul-„Kunden“. Das ist ungerecht gegenüber jenen vielen Lehrern, die das starre System längst durchbrechen und sehr viel mehr an Zeit und Energie investieren, als es die Paragrafen verlangen.

Ein neuer Mindestzeitrahmen für alle Lehrer war überfällig und wurde seit gezählten zwölf Jahren diskutiert und – bis zuletzt ergebnislos – verhandelt. Die alte Regierung will das neue Dienstrecht nun noch vor Weihnachten gemeinsam durchs Parlament winken.

Die Scharfmacher in der Lehrergewerkschaft werden sich schwertun, in Zeiten wie diesen einen Streik zu argumentieren. Kein jetzt aktiver Lehrer muss sich der Reform unterwerfen. Die ersten Junglehrer, für die ausschließlich die neue Regeln gelten, gehen jetzt noch zur Schule.

Die bis heute gültigen langen Sommerferien wurden einst von Kaiserin Maria Theresia erfunden. Die Kinder sollten trotz (neuer) Schulpflicht so weiter bei der Erntearbeit mithelfen können. Das finale Tauziehen im Dezember 2013 ums Dienstrecht kann daher nur der Anfang einer breiten Debatte sein: Was braucht die Schule, um endlich fit fürs 21. Jahrhundert zu werden – inklusive besserer Arbeitsbedingungen für Schüler und Lehrer.

Die Regierung ist in den eineinhalbjährigen Verhandlungen zum Lehrerdienstrecht der Gewerkschaft bei den Kernthemen nur in einem Punkt entscheidend entgegengekommen: Lehrer, die Funktionen wie etwa Klassenvorstand, Mentor oder Beratungslehrer ausüben, sollen bis zu zwei Stunden weniger unterrichten. "Ich kann mir vorstellen, dass hier das Entgegenkommen gewährleistet ist", so Spindelegger.

In dem im Mai 2012 übergebenen Erstentwurf zum neuen Dienstrecht mussten alle Lehrer noch 24 Stunden pro Woche unterrichten. Im Zuge der Verhandlungen reduzierte sich die Lehrverpflichtung dann für jene Lehrer, die als Klassenvorstand fungieren (und damit etwa praktisch alle Volksschullehrer) oder als Mentoren, Beratungslehrer, Kustoden bzw. "Qualitätsmanager", um bis zu zwei Stunden.

Das Grundgehalt für alle Lehrer blieb in allen Entwürfen dagegen gleich und reicht von 2.420 Euro am Anfang über sechs Gehaltssprünge bis zu 4.330 Euro am Ende der Karriere. Entgegengekommen ist die Regierung der Gewerkschaft im Laufe der Verhandlungen beim Gehalt nur in einigen kleineren Punkten: So sollen etwa Lehrer in der einjährigen Berufseinführung (Induktionsphase) bereits das volle Einstiegsgehalt bekommen. Außerdem erhalten Direktoren gegenüber dem Erstentwurf höhere Zulagen, und Oberstufenlehrer sollen weiter Prüfungstaxen ausbezahlt bekommen - das spielt vor allem für Lehrer, die die Matura abnehmen, eine Rolle.

Ein weiteres Zugeständnis der Regierung betrifft nicht das Dienstrecht selbst, sondern dessen Inkrafttreten: Gegenüber dem Erstentwurf wurde den neu eintretenden Lehrern ein Optionsrecht eingeräumt. Zwischen 2014/15 und 2018/19 dürfen Neueinsteiger selbst entscheiden, ob für sie das alte oder neue Dienstrecht gilt. Erst mit 2019/20 fallen alle Berufsanfänger verpflichtend unter das neue Regelwerk.

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