Das Zittern vor dem blauen Durchmarsch

„Mit Blut und Charakter ist uns Großartiges gelungen“: HC Strache stellt den Führungsanspruch
Euphorisiert von den Wahlsiegen greift die FPÖ nun nach der Macht. Ihre Chance, bald (mit) zu regieren, ist groß wie nie; ihre Gegner sind derzeit ratlos.

Er ließ seine Zuhörer fünf Minuten lang warten, und als er endlich auf dem Podium saß, da schienen seine Augen müde, er wirkte abgekämpft.

Doch kaum hatte Heinz-Christian Strache am Montag seine Bilanz über die vergangenen 24 Stunden begonnen, schien alle Müdigkeit verflogen – es gab Wichtiges, nein, es gab Monumentales zu verkünden. "Wir haben gestern Geschichte geschrieben! Mit viel Blut und Charakter wurde Großartiges vollbracht", jauchzte der blaue Parteichef, immer noch euphorisiert von den Wahlgewinnen in der Steiermark und dem Burgenland.

Eine Dreiviertelstunde lang referierte er dann über die "Ignoranz" von SPÖ und ÖVP; er geißelte ihre Asyl-, Zuwanderungs- und Arbeitsmarktpolitik und warf Rot wie Schwarz "Dummheit", "Arroganz" und noch einiges mehr vor. Die wichtigsten Botschaften an diesem Tag nach den Landtagswahlen war aber die: "Wir lassen uns auf Dauer nicht mehr von der Regierungsverantwortung fernhalten."

Ja, sie wollen in die Verantwortung genommen werden, die Freiheitlichen. Daran ließ ihr Bundesparteichef am Montag keinen Zweifel aufkommen. Die spannende Frage ist zu dieser Stunde, ob die FPÖ bereits in Graz oder Eisenstadt in die Regierung kommt.

Ist sie, wie Generalsekretär Herbert Kickl in Anlehnung an Conchita Wurst befand, "unstoppable", also nicht aufzuhalten?

Wahlkampf-Experten und Meinungsforscher sind überzeugt, dass die Freiheitlichen in der gegenwärtigen Situation nur schwer gebremst werden können. "Egal, was die SPÖ auf Bundes- oder Landesebene auch anstellt – es wird den Freiheitlichen für ihre Wahlkämpfe in Oberösterreich und Wien tendenziell eher nützen", sagt OGM-Chef Wolfgang Bachmayer.

Der Meinungsforscher sieht die Regierungsparteien in einer "strategischen Doppelmühle" gefangen: "Grenzt man die FPÖ aus, kann sie das bei den anstehenden Landtagswahlen weidlich thematisieren. Frei nach dem Motto: ‚SPÖ und ÖVP haben ihre Lektion offenbar noch immer nicht gelernt, sie brauchen demnach einen noch schärferen Denkzettel.‘"

Einbinden, ausgrenzen?

Strategisch nicht viel besser wird die Lage, wenn die SPÖ die Blauen in Regierungsverantwortung holt.

Warum, das erklärt Bachmayer so: "Damit würde die Wahlkampf-Strategie der Wiener SPÖ konterkariert, weil sie die Strache-FPÖ ja als nicht regierungsfähig plakatieren möchte."

Egal, wie es SPÖ und ÖVP also anlegen, die Sache droht schiefzugehen.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass jene Konstellationen, in denen die FPÖ wahrnehmbar eine Regierungsverantwortung übernommen hat (z. B. Kärnten und Schwarz-Blau auf Bundes-Ebene) finanziell wie politisch ausnehmend negative Bilanzen brachte.

"Heinz-Christian Strache hat es in den vergangenen Jahren geschickt verstanden, sich von der Haider-FPÖ zu distanzieren", befundet Wahlkampf-Experte Thomas Hofer gleichlautend mit Bachmayer. Mit dem Verweis auf das Hypo-Desaster oder die Fehler von Schwarz-Blau sei heute keine Wahl gegen die FPÖ zu gewinnen.

Was also können SPÖ und ÖVP noch tun, um den Vormarsch der Blauen aufzuhalten? Hofer: "Sie müssten eigene Themen setzen und die FPÖ auf politische Felder zerren, auf denen diesen die Kompetenz fehlt." Aber das sei eigentlich schon vor dem Wahlsonntag klar gewesen – und dennoch nicht passiert.

Weiterführende Links

Alle Ergebnisse finden Sie hier für die Steiermark und hier für das Burgenland.

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Welches Ressort in der Landesregierung er gerne übernehmen würde? Da muss der burgenländische FPÖ-Frontmann Hans Tschürtz nicht lange überlegen: "Straßenbau, Feuerwehren, Katastrophenschutz, alles, was mit Sicherheit zu tun hat", sagt der 55-jährige Ex-Polizist am Montag zum KURIER.

Nach den massiven Zugewinnen bei der Landtagswahl am Sonntag, ist der freiheitliche Klubchef seinem Traumjob einen Schritt nähergekommen. Die Blauen konnten um sechs Prozentpunkte auf 15 Prozent zulegen und die Anzahl ihrer Mandate von drei auf sechs verdoppeln.

Er könne sowohl mit der SPÖ als auch mit der Volkspartei, wiederholte Tschürtz. Die SPÖ wandle bei den Themen Sicherheit und Arbeitsmarkt "auf FPÖ-Spuren", mit der Volkspartei wiederum gebe es Anknüpfungspunkte in der Familienpolitik.

Zwei Termine

Seit Montag ist klar, dass der FPÖ-Landesparteichef nicht nur von SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl eine Einladung zu Sondierungsgesprächen erhalten wird (vielleicht noch diese Woche), sondern auch von ÖVP-Landeshauptmannvize Franz Steindl. Der VP-Chef kündigte am Montag überraschend an, "selbstverständlich" die erste Einladung der stimmenstärksten SPÖ am Mittwoch wahrzunehmen, danach aber selbst mit allen anderen Parteien zu sondieren. Das sei im erweiterten Parteipräsidium einstimmig beschlossen worden. "Die Menschen wollen, dass sich was ändert", begründete Steindl das "Wettrennen" um die künftige Koalition. Für die ÖVP sei "alles möglich". Niessls Konter: "Wir werden sehen, wer schneller fertig ist." Er verwies auf die Usance, dass die stimmenstärkste Partei den Regierungschef stelle. Wenn man glaube, im Burgenland einen anderen Weg gehen zu müssen, "kann sich die Sozialdemokratie auch andere Partner suchen", so Niessl. "Wir sind auf die ÖVP nicht angewiesen."

Möglich sind realistischerweise neben Rot-Schwarz auch Rot-Blau oder Schwarz-Blau plus Bündnis Liste Burgenland. Und es geht um viel: Die SPÖ will den seit 1964 besetzten Landeshauptmannsessel unter allen Umständen verteidigen, die ÖVP hat die Chance, ihn nach 51 Jahren zurückzuerobern.

Er wolle Landeshauptmann werden, aber nicht um jeden Preis, erläuterte Steindl. In den Sondierungen soll dieser Preis ausgelotet werden. Indes gerät Steindl innerparteilich unter Druck: Der scheidende Landtagsabgeordnete Matthias Weghofer forderte ihn zum Rücktritt auf und präferiert eine Koalition mit Blau und LBL. Geeignete Nachfolger Steindls seien Nationalrat Niki Berlakovich oder der Eisenstädter Bürgermeister Thomas Steiner. Steindl wies die Forderung zurück.In den Parteigremien sei er selbst nicht zur Diskussion gestanden, es habe auch keine Vertrauensabstimmung gegeben.

In der SPÖ sei sein Rücktritt "kein Thema" gewesen, betonte Niessl am Montag. Ganz im Gegenteil, er habe vom Landesparteivorstand einstimmig eine Generalvollmacht erhalten. Damit könne er "entscheiden, mit wem wir in eine Koalition eintreten und wie das Regierungsteam aussieht". Der Landesparteivorstand trage allenfalls auch eine rot-blaue Koalition einstimmig mit, so Niessl. Das hieße aber nicht, dass man eine solche auch anstrebe. Im Fall des Falles würde die Entscheidung aber autonom im Burgenland fallen, versicherte Niessl, die Bundespartei würde bloß "informiert".

Offener Ausgang

Erledigt ist Rot-Schwarz damit noch längst nicht, auch wenn die massiven Verluste vom Sonntag kein Vertrauensvotum für die Große Koalition sind. Aber im Vergleich zu VP-FP-LBL mit bloß 19 von 36 Mandaten oder dem Tabubruch einer rot-blauen Regierung bleibt sie aus Sicht der Großparteien am Ende vielleicht das kleinere Übel.

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