Häupl hält Bundeskanzler für unterschätzt

Freude kam am 1. Mai auf der Tribüne vor dem Rathaus keine auf.
Wiens Bürgermeister stellt sich erneut demonstrativ hinter den angezählten Werner Faymann. Kommende Woche werden die Weichen endgültig gestellt.

Zu bereden gab es merkbar viel: Nicht weniger als achteinhalb Stunden haben die Wiener Sozialdemokraten am Montag hinter verschlossenen Türen darüber debattiert, wie es mit der Partei und vor allem mit ihrem Vorsitzenden Werner Faymann weitergehen soll.

Es gab einiges zu verdauen in den vergangenen acht Tagen: Erst das desaströse Ergebnis bei der Bundespräsidentenwahl; dann die auf- und abwogende Personal- und Kursdebatte in aller Öffentlichkeit; und schließlich, am Sonntag, ein verpatzter 1. Mai – inklusive einem Pfeif-Konzert für den Bundesparteichef. Am Ende stellte sich Bürgermeister Michael Häupl vor die wartenden Journalisten – und machte deutlich, dass er Faymann (noch?) nicht fallen lassen, ihm vielmehr eine Atempause verschaffen möchte: Ja, es gebe eine Personaldebatte. "Aber ich glaube, dass Werner Faymann ein sehr unterschätzter Bundeskanzler ist." Nach dem gemeinsamen TV-Auftritt war es bereits das zweite Mal, dass Häupl Faymann demonstrativ den Rücken stärkte. Und auch gestern gab es durch Häupl nur eine Einschränkung: Ob Faymann in der Partei akzeptiert sei, werde man sehen. "Ich unterstütze ihn – aber nicht nur aus Mangel an Alternativen." Mit dieser Haltung, meint Häupl, sei er nicht allein: "Das ist eine eklatante Mehrheitsmeinung in der SPÖ."

Eine Mehrheitsmeinung? Vielleicht ist es so, vielleicht auch nicht. Jedenfalls ließ Häupl offen, wann der nächste Parteitag stattfinden soll. "Im Moment" geht Wiens SPÖ-Boss davon aus, dass es beim Termin im November bleibt. Also keine Vorverlegung, wie von den Faymann-Kritikern gefordert? Häupl: "Schau ma mal." Fix ist jedenfalls, dass bereits kommenden Montag der Bundesparteivorstand tagt, und bei dieser Gelegenheit die von Faymann mehrfach angekündigte "Strategiegruppe" eingesetzt werden soll. Faymann sollte sich im Herbst turnusmäßig der Wiederwahl stellen – und hofft offensichtlich, dass sich die Wogen bis dahin glätten. Seit dem desaströsen Ergebnis bei der Präsidentenwahl wird aber von namhaften SPÖ-lern eine Vorverlegung des Parteitages gefordert. Damit würde wohl das Ende der Ära Faymann als Parteichef eingeleitet. Ob es dazu kommt, bleibt vorerst offen. Häupl soll nun die Stimmung in den roten Länderorganisationen ausloten. Hat sich der Zorn auf die Parteispitze gelegt?

Lostag für Faymann

"Der 9. Mai wird jedenfalls ein Lostag für die SPÖ. Da braucht es eine Entscheidung", sagt der Salzburger SPÖ-Chef Walter Steidl. Er bleibt bei seiner Forderung, dass der Parteitag vorverlegt werden, also noch vor dem Sommer stattfinden soll. "Je länger man das hinauszögert, desto öfter wird es zu unguten Szenen wie am Sonntag auf dem Rathausplatz kommen." Ähnlich sieht der steirische Landeshauptmannstellvertreter Michael Schickhofer die Lage: Am 9. Mai gelte es, ein ambitioniertes Zukunftskonzept vorzulegen, lässt Schickhofer ausrichten. Demonstrativ hinter Faymann stellen sich nach wie vor die Genossen in Oberösterreich, Tirol und Niederösterreich. Vorarlbergs SP-Chef Michael Ritsch will sich nicht festlegen.

Für ihn steht nur eines fest: "Die große Koalition ist gescheitert, sie ist Geschichte." Er geht davon aus, dass im Herbst 2016 oder im Frühjahr 2017 gewählt wird – wenn der Blaue Norbert Hofer Bundespräsident wird. Noch ehe es dazu kommt, will Kärntens SP-Landeschef Peter Kaiser die Weichen in der eigenen Partei gestellt wissen. Er will einen früheren Parteitag. Ob dieser Gemengelage könnte es dazu kommen, dass die partei-intern zunehmend einflussreichen Burgenländer das Zünglein an der Waage sind. Wie sieht Landeshauptmann Hans Niessl die Lage? Offiziell wollte Burgenlands SP-Chef die Situation gestern nicht groß kommentieren. Aus seinem Umfeld hieß es allerdings, dass man sich stark an den Wiener Genossen orientiere. – Womit wir wieder bei Michael Häupl angelangt wären.

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