Zwei Haudegen im Abwehrkampf

Josef Pühringer, Michael Häupl: Für beide ist die bevorstehende Wahl vermutlich die letzte ihrer Karriere.
In den nächsten drei Wochen geht es für Josef Pühringer und Michael Häupl um die Wurst.

Sie wurden Landeshauptleute, als ihre heutigen Erstwähler noch nicht geboren waren. Josef Pühringer (65) wurde 1995 Chef von Oberösterreich, Michael Häupl (66) 1994 Chef von Wien.

Für beide ist die bevorstehende Wahl vermutlich die letzte ihrer Karriere, und beide haben sich ihre Abschlussvorstellung wohl einfacher vorgestellt. Die beiden Haudegen müssen unter extrem schlechten Bedingungen einen Abwehrkampf gegen die FPÖ führen: Eine lahme Bundesregierung. Ein Europa, das nicht und nicht aus der Krise findet. Und nun noch eine Flüchtlingskrise, die die Hilflosigkeit dieser Bundesregierung erneut gnadenlos entblößt. Folge: Den Freiheitlichen winken in Oberösterreich und Wien lawinenartige Gewinne.

Angesichts dieser Sondersituation ist es für die ÖVP-Oberösterreich und die SPÖ-Wien ein Glück, dass sich Pühringer und Häupl mit all ihrer Erfahrung noch einmal in die Schlacht werfen. Jeder der beiden stemmt sich auf seine Art gegen die Rechtspopulisten. So hämmert Pühringer seinen Wählern ein: "Es geht um Oberösterreich." Unausgesprochene Bitte an die Wähler: Straft nicht mich, wenn ihr auf den Bund, die EU oder irgendwelche globalen Krisen angefressen seid. Denn ich, Pühringer, bin der Sicherheitsanker in allen Fährnissen.

Zwei Haudegen im Abwehrkampf
OÖ Plakatkampagne September

Mit breiter Brust wirbt auch Michael Häupl. "In Krisenzeiten kann man sich auf mich verlassen", sagt er auf Wahlveranstaltungen. Die SPÖ-Wien setzt ganz auf Leadership des Bürgermeisters. Dem erprobten Stadtoberhaupt sollen die Menschen vertrauen, nicht einem Strache, der sich "von einer Wahrsagerin Rat holt".

Pühringer und Häupl nehmen in diesem Persönlichkeitswahlkampf viel Risiko auf sich, denn es wäre für die beiden alles andere als gerecht, nach zwei Jahrzehnten Einsatz für ihre Bundesländer geschlagen vom Platz gehen zu müssen.

Üblicherweise wird in der Polit-Branche über Landtagswahlen gespöttelt: "Gehen sie gut, waren es die Landeshauptleute. Gehen sie schlecht, war es der Bund."

Zwei Haudegen im Abwehrkampf
BM Häupl_Bilder HONORARFREI

Diesmal stimmt das.

Die Flüchtlingskrise taugt nur bedingt als Entschuldigung für die schlappe Bundesregierung. Sie hat vor der Krise wenig bis nichts zusammengebracht. Sie hat bei der Unterbringung der Schutzbedürftigen versagt, und sie scheint sich jetzt hinter der Tragödie zu verstecken, damit sie nur ja nicht gefragt wird, ob sie vielleicht sonst was zusammen bringt.

Zum Vergleich Italien: Obwohl es eine der Flüchtlingsanlaufstellen in Europa ist, hat Matteo Renzi eine Schulreform, eine Verwaltungsreform und eine Wahlrechtsreform durchgezogen und packt jetzt eine große Staatsreform inklusive Volksabstimmung an.

Man darf davon ausgehen, dass die Bundespolitik nicht ungeschoren davon kommen wird. Gehen die Landtagswahlen nur annähernd so aus, wie es die Umfragen signalisieren, verlieren SPÖ und ÖVP in Oberösterreich und Wien gemeinsam mehr als dreißig Prozentpunkte. Dabei wären Häupl und Pühringer in diesem Szenario noch Weltmeister im Vergleich zu Werner Faymann und Reinhold Mitterlehner. SPÖ und ÖVP liegen nämlich in bundesweiten Umfragen überhaupt schon zehn Prozent hinter der FPÖ (profil/Unique Research) (mehr dazu hier).

Daraus folgt:

Erstens, wie immer die Landtagswahlen ausgehen, SPÖ und ÖVP im Bund werden nicht vorzeitig wählen, außer jemand ist von der akuten Lust befallen, Heinz Christian Strache zum Kanzler zu machen.

Wahrscheinlicher ist, dass die Regierung versuchen wird, das Flüchtlingsthema auszusitzen.

Zweitens, man kann nach einer derartigen Patzen-Niederlage schwer zur Tagesordnung übergehen. Daher ist mit heftigen Debatten zu rechnen – Ablöse der Innenministerin? Rauswurf des Kanzlers?

Was dann tatsächlich passiert, ist nicht absehbar, weil in der SPÖ der Spielmacher, Michael Häupl, zuerst seine Wahl zu bestehen hat.

Zwei Haudegen im Abwehrkampf

Nicht nur wegen der bundespolitischen Implikationen, auch ökonomisch ist es für die anderen sieben Bundesländer nicht einerlei, wer in Wien und Oberösterreich ans Ruder gelangt. In Oberösterreich wird ein Viertel der österreichischen Exporte generiert. Es steht als Industriekernland im globalen Wettbewerb. Aktuell bemüht sich Pühringer beispielsweise, rund um die neue MedUni Linz einen Cluster mit Medizintechnik und Pharmaindustrie aufzubauen.

Wien wiederum prägt Österreichs Image im Ausland. Nicht auszudenken, was ein blauer Bürgermeister für den Ruf von Stadt und Staat bedeuten würde. Kärnten gerät mitunter immer noch als Haider-Country negativ in die Schlagzeilen. Wien ist zudem das Wirtschaftszentrum schlechthin. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt in Wien bei 47.200 €, im Bundesschnitt bei 38.500 €.

Kommentare