"Koalition kann Wähler zurückgewinnen"

Kanzler Kern, Vizekanzler Mitterlehner
Laut Meinungsforscher Peter Hajek könnten SPÖ und ÖVP auf dem volatilen Wählermarkt reüssieren, wenn sie "neu denken".

Auch wenn Alexander Van der Bellen nun doch die Bundespräsidentenwahl gewinnt und der Regierung die Demütigung eines blauen Staatsoberhaupts erspart bleibt – an der prekären Lage für SPÖ und ÖVP ändert sich deswegen wenig.

FPÖ-Kandidat Norbert Hofer hat 50 Prozent der Wählerstimmen bekommen. Die Kandidaten von SPÖ und ÖVP flogen mit je elf Prozent im ersten Wahlgang hinaus. Die Unabhängige Irmgard Grisserreichte fast 20 Prozent, obwohl sie weder über Apparat noch Parteienförderung noch Medienerfahrung verfügte: An diesen Ergebnissen der Bundespräsidentenwahl lässt sich nicht rütteln, und sie sind vor allem ein Misstrauensbeweis gegenüber Rot-Schwarz.

Wird die FPÖ, nachdem sie die Hofburg knapp verpasste, nun umso heftiger ins Kanzleramt drängen? Welche Chance hat die Regierung, einen blauen Durchmarsch zu stoppen?

In der Woche nach dem 1. Mai, als Werner Faymann auf dem Rathausplatz ausgebuht worden war und sich gegen den Rücktritt stemmte, kletterte die FPÖ bei der Nationalratswahl-Frage auf den Rekordwert von 39 Prozent. Die SPÖ fiel unter 20 Prozent und riss die ÖVP mit hinunter (Grafik). Nach dem Wechsel zu Christian Kern stieg der SPÖ-Wert um acht Prozentpunkte an, die ÖVP erholte sich leicht. Die FPÖ verlor, hält aber immer noch bei hohen 34 Prozent.

"Koalition kann Wähler zurückgewinnen"

Meinungsforscher Peter Hajek, dessen Institut Unique Research seit der letzten Nationalratswahl in regelmäßigen Abständen die Sonntagsfrage stellt, liest aus den Daten vor allem eines ab: "Die Wähler sind extrem volatil. Das macht es möglich, dass auch SPÖ und ÖVP wieder Wähler an sich binden." SPÖ und ÖVP müssten jedoch bereit sein, in "neuen Kategorien" zu denken. Ein weiterer Ausbau des Sozialstaats sei beispielsweise "Kategorie alt", stattdessen solle die SPÖ neu definieren, wer die Nicht-Privilegierten von heute sind und versuchen, diese an sich zu binden.

Dasselbe gelte für die ÖVP. Sie sollte damit anfangen, für den Begriff "bürgerlich" eine aktuelle Definition und damit ihre primäre Zielgruppe zu finden.

Vorerst bastelt die Koalition an eher kleinen Retuschen. Wieder einmal ist das Pressefoyer nach der Ministerratssitzung Gegenstand des Reformeifers. Diskutiert werden mehrere Varianten.

  • Foyer abschaffen und stattdessen einen Regierungssprecher installieren, der den Journalisten die Beschlüsse des Ministerrats verlautbart. Oder
  • Foyer mit Fachministern, statt immer mit Kanzler und Vizekanzler. Oder
  • ein neues Design für die bisherige Doppel-Conference. Letzteres wird heute beim Ministerrat der Fall sein. Aber ob dies die endgültige Version bleibt, war gestern noch nicht zu erfahren.

Das Pressefoyer nach dem Ministerrat wurde von Medienkanzler Bruno Kreisky erfunden. Es war seine 13 Regierungsjahre hindurch das Forum des Bundeskanzlers.

Auch Franz Vranitzky nutzte die wöchentliche Medienbühne für ein Kanzler-Solo, sehr zum Verdruss der ÖVP. Denn Kreisky war Chef einer Alleinregierung, während Vranitzky einer Koalition mit zwei Parteien vorstand.

Um einen neuen Stil zu demonstrieren, führte Wolfgang Schüssel in seiner schwarz-blauen Regierung die Doppel-Conference mit Vizekanzlerin Susanne Riess ein. Seither gibt es das Doppel, allerdings wurde mehrfach das Design gewechselt.

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