"Frau Merkel ist eine Kennerin der österreichischen Politik"

Man versteht sich: Bundeskanzler Kern bei Angela Merkel – Doskozils Kritik an ihr war kein Thema.
Berlin-Besuch: Kern war nach Doskozil-Sager bei Merkel – in der Türkei-Frage blieb er hart, im September soll ein Folge-Treffen in Wien stattfinden.

So richtig vorteilhaft ist das offizielle Foto des Berliner Bundeskanzleramts nicht gerade, vor allem nicht für Christian Kern. Der schaut neben seinen Amtskollegen aus Slowenien, Kroatien und Bulgarien etwas verdrossen drein, nur Angela Merkel in der Mitte strahlt.

Ob Absicht oder nicht, darf nur spekuliert werden. Wie herzlich der Empfang in Merkels Residenz in Meseberg nahe Berlin wirklich war, das wissen ohnehin nur die beiden selbst. Schlecht war es aber sicher nicht, dass Österreichs Kanzler vor seinem Arbeitsessen mit Merkel und den Amtskollegen vom Balkan präventiv vorbaute: "Ich bin nicht der Meinung, dass Frau Merkel unverantwortlich gehandelt hat", ließ er ihr über die APA vom Flugzeug aus ausrichten – eine Ohrfeige für Minister Doskozil, der Merkel dies via Krone und Bild in puncto Flüchtlinge vorgeworfen hatte.

Mit Merkel hat Kern über Doskozils Störfeuer jedenfalls nicht mehr gesprochen, ließ er nach der Unterredung wissen; er sagte nur so viel: "Frau Merkel ist eine Kennerin der österreichischen Innenpolitik." Den Disput mit Doskozil, der derzeit gerade in New York weilt, machten sich die beiden untereinander aus; in Berlin gab's Wichtigeres zu besprechen.

Alle Augen auf den Türkei-Deal

Zuvorderst war das neben der Flüchtlingsfrage der Türkei-Deal – mit den Regierungschefs von Kroatien, Slowenien und Bulgarien saß quasi die geschlossene Balkanroute mit am Tisch, und die hat ein großes Interesse daran, dass das Abkommen mit der Türkei hält. Selbiges gilt für Österreich: "Der Deal muss unter allen Umständen verteidigt werden", so Kern. Das bedeute aber nicht, dass man mit Milde gegenüber Ankara agieren müsse – da unterscheiden sich die Positionen in Wien und Berlin deutlich: Während Kern über ein Ende der Beitrittsverhandlungen nachdenkt, will man das in Berlin wegen des Flüchtlingsdeals nicht riskieren.

Für Kern ist das eine schwierige Gratwanderung; sein Treffen mit Merkel, übrigens schon das zweite nach Amtsantritt, änderte an seiner Haltung aber nichts. "Ich habe meine Position erneut klargemacht", sagte er; man könne ja nicht einfach zur Kenntnis nehmen, dass sich die rechtsstaatlichen Zustände in der Türkei seit geraumer Zeit massiv verschlechtern würden. Dass Merkel hier eine andere Sichtweise vertrete, sei ihm durchaus klar; "verhandeln, nicht vergrätzen", sei ihre Devise, formulierte er recht salopp. Sein Konsensvorschlag sei darum eine Alternativlösung zum Vollbeitritt – etwas, was durchaus nach einer Option klingt, mit der CDU und CSU sich anfreunden könnten.

Mini-Flüchtlingsgipfel im September

Was die Migrationsfrage betrifft, war man sich überdies einig, dass "man Geld in die Hand nehmen müsse", um vor allem in Afrika – hier speziell in Niger und Mali – für einen Stopp des Wegzugs zu sorgen. Zudem, da sind sich Deutschland und Österreich einig, soll Griechenland in die Pflicht genommen werden: Die EU habe Teile des Deals noch nicht erfüllt, weil Athen säumig sei – 4000 Flüchtlinge hätten in die Türkei rücküberstellt werden sollen, geschehen sei das nicht. Deshalb lädt Kern die Teilnehmer des heutigen Treffens plus Griechenland im September nach Wien ein – zu einem Mini-Flüchtlingsgipfel nach dem Treffen der EU-27 in Bratislava, wo auch der Brexit diskutiert wird. Zu diesem Thema besprach man heute nur, dass formelle Beschlüssen erst im Frühjahr fallen sollen.

Das klingt, als würden Kern und Merkel einander verstehen. Mit jenem Mann, mit dem er am Samstag den Abend verbringt, hat er es aber wohl noch einfacher. Kern sieht sich mit SPD-Außenminister Steinmeier ein Stück im Gorki-Theater an. "Common Ground" heißt es – das passt.

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