IV-Chef: "Das System hat sich überlebt"

IV-Chef Georg Kapsch fordert von der Regierung, dass sie sich von den Sozialpartnern emanzipiert.
Industrie-Boss Georg Kapsch: Regierung darf nicht mehr auf Sanktus von Kammern & ÖGB warten.

Aus der 6. Urlaubswoche für alle wird nichts. Die Arbeitgeber sind dagegen.

Aus der Arbeitszeit-Flexibilisierung – vulgo Zwölf-Stunden-Tag – wird daher auch nichts. Die Arbeitnehmer sind dagegen.

Das Bonus-Malus-System, das dazu beitragen sollte, ältere Menschen länger in Beschäftigung zu halten, wollten zuerst beide Seiten – es steht auch im Regierungsprogramm. Jetzt liegt das Projekt aber auf Eis – und die Koalition hat wieder eine Reform weniger zu vermarkten. Dabei stehen SPÖ und ÖVP nach den herben Verlusten in Oberösterreich und vor der schicksalhaften Wien-Wahl enorm unter Druck. Wohl auch deshalb wurde gestern – einmal mehr – eine Wohnbau-Offensive beworben, die im März erstmals verkündet worden war.

Nichts mehr zu verteilen

Die Kritik an den sich gegenseitig blockierenden Sozialpartnern wird immer lauter, hat die Regierung doch nicht wenige Vorhaben an das Präsidenten-Duo Christoph Leitl (WKÖ) und Erich Foglar (ÖGB) delegiert. Ein hochrangiger Schwarzer ätzt: "Die Sozialpartner sind zu den großen Verhinderern in diesem Land geworden."

Ein ÖVP-Regierungsvertreter kennt auch die Gründe dafür: "Die Sozialpartner verhandeln immer nur auf ein Win-Win-Ergebnis hin, aber dieses System funktioniert nur in Zeiten der Hochkonjunktur. Jetzt gibt es einfach nichts zu verteilen."

Eine Sichtweise, die der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Kapsch, teilt. Kapsch, prinzipiell ein klarer Befürworter des Ausgleichs zwischen den Interessen der Arbeitgeber- und -nehmer, sagt im KURIER-Gespräch: "Die Regierung hat zu regieren, egal, was die Sozialpartner wollen oder nicht wollen, tun oder nicht tun. Das System der Sozialpartnerschaft in seiner heutigen Form hat sich überlebt, weil es alle Institutionen durchdringt und alles blockiert. Die Regierung muss selbst die Entscheidungen für den Standort treffen. Dann kann man nicht auf das Ja der Betroffenen warten."

Regierungs-Ultimatum

Kapsch befürwortet damit das, was Finanzminister Hans Jörg Schelling schon gefordert hat: Nötigenfalls ohne den Sanktus der Sozialpartner ein Bonus/Malus-System zur Entlastung des Pensionssystems einzuführen.

Auch SPÖ-Klubchef Andreas Schieder kann dem Zugang Schellings, der den Sozialpartnern nur noch maximal sechs Monate Zeit geben will, um eine entsprechende Reform vorzulegen, einiges abgewinnen. Mit dieser Haltung ist Schieder in seiner Partei nicht allein.

Nur die Betroffenen sind gegen Fristsetzungen. AK-Präsident Rudolf Kaske kontert Blockierer-Vorwürfen gar mit der selbstbewussten Analyse: "Die Sozialpartner sind nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung."

In dieser Form will das momentan niemand außerhalb der Kammern und des ÖGB unterschreiben. Selbst SPÖ-Pensionistenchef Karl Blecha sagt zum KURIER: "Die Sozialpartnerschaft steckt in einer schweren Krise." Er fügt aber hinzu: "Wir brauchen sie trotzdem, weil der soziale Friede in Österreich ein Ergebnis der Sozialpartnerschaft ist."

Die Schelling-Drohung vom Ultimatum an Leitl & Co findet Blecha "gut, um mehr Druck auf die Sozialpartner auszuüben. Sie müssen das zum Anlass nehmen, um darüber nachzudenken, wie man mit der Blockade umgeht. Ich bin aber dagegen, dass man über die Sozialpartner drüberfährt."

Schuld-Frage

Wer ist schuld daran, dass die Sozialpartner momentan nichts zustande bringen? Aus der Sicht des SPÖ-Manns Blecha sind es die Schwarzen: "Derzeit blockiert die Wirtschaftskammer alles." In der ÖVP hält man hingegen die überzogenen Forderungen der Arbeitnehmerseite – Stichwort: 6. Urlaubswoche für alle – für das Hauptübel (siehe Interview rechts). Kapsch wundert sich: "Es müssten doch beide das selbe Interesse haben: Möglichst viel an Beschäftigung in Österreich zu halten. Das ist das übergeordnete Interesse im Sinne des Standortes."

Der KURIER hat Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner gefragt, warum Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Vertreter derzeit keinen Konsens finden.

KURIER: Herr Haubner, es wird keine 6. Urlaubswoche geben, auch das Bonus-Malus-System wurde abgesagt. Warum lehnt die Wirtschaft das ab?
Peter Haubner: Wir sind im achten Jahr der Wirtschaftskrise. 40 Prozent der Klein- und mittelständischen Unternehmen schreiben keine Gewinne mehr. Wir gehören zu den Ländern mit den höchsten Lohnnebenkosten. Die Betriebe tragen im Zuge der Steuerreform den Großteil der Gegenfinanzierung. Weitere Belastungen sind nicht verkraftbar. Da wären Unternehmen und Arbeitsplätze gefährdet. Wir müssen Impulse setzen, um die Konjunktur und die Beschäftigung anzukurbeln.

Welche Impulse wären nötig?
Die Lohnnebenkosten müssen so schnell wie möglich gesenkt werden – um mindestens 1,5 Prozent. In Deutschland sind sie um sieben Prozent niedriger als bei uns. Im Gewerbe hat sich der Handwerkerbonus bewährt, er sollte verlängert werden. Bürokratische Hürden müssen abgebaut werden.

In der Sozialpartnerschaft geht momentan nichts weiter. Warum funktioniert das System nicht mehr so wie früher?
Es ist nicht die Zeit für neue soziale Leistungen. Wir müssen zuerst etwas erwirtschaften, um wieder etwas verteilen zu können. Die Gewerkschaft stellt Forderungen, die die Wirtschaft derzeit nicht erfüllen kann. Man kann in einer Partnerschaft aber nicht einen Partner überfordern.

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