Griss: "Leute dürfen nicht für dumm verkauft werden"

Unprätentiös, aber selbstbewusst präsentierte sich Griss bei einr Diskussion in Wien.
Die Hofburg-Kandidatin wirft der Regierung Rechtsbruch in der Flüchtlingspolitik vor.

Ein Auftritt im Frühstücksfernsehen, eine spätabendliche TV-Diskussion und davor eine Debatte mit 150 Leuten in WienIrmgard Griss, das sieht man an ihrem Terminkalender, steht schon mitten im Hofburg-Wahlkampf.

Mitten im Wahlkampf

Sie muss auch alle Bühnen nützen, da ihr Bekanntheitsgrad begrenzt ist. Die ehemalige Präsidentin des obersten Gerichtshofes hat vor allem aber keine Partei im Rücken, die für sie Wahlwerbung macht und sie finanziell unterstützt. Griss setzt auf Spenden. 300.000 Euro hat sie beisammen, etwa eine Million würde sie brauchen.

Die Parteifreiheit ist freilich ein Alleinstellungsmerkmal, das die 69-jährige Steirerin auch hervorstreicht. Etwa Montagabend im "Salon Z", wo sich die Kandidatin vor Juristen, Spitzenmanagern, Unternehmern und anderen honorigen Menschen präsentiert. "Ich bin wirklich unabhängig", sagt Griss, als sie auf Alexander Van der Bellen angesprochen wird.

Der Ex-Grünen-Chef will sich ja als unabhängiger Präsidentschaftsanwärter in Szene setzen. Das ist nicht nur für Griss zweifelhaft.

"Es geht nicht um die Sache"

Als Beleg für ihre persönliche Autonomie führt die einzige Frau im Hofburg-Rennen ihre Arbeit in der Hypo-Untersuchungskommission an. Ihr kritischer Bericht über die Pleitebank hat ihr viel Anerkennung gebracht.

Griss schildert, wie sie dabei erkannt habe, dass es in der Politik oft nicht um die Sache, sondern fast immer nur um Partei-Interessen gehe – und darum, "in den Medien gut wegzukommen". Das missfällt ihr. Und es wirkt glaubhaft, wenn sie in energischem Ton hinzufügt: "Die Politik muss ehrlicher, redlicher werden! Die Leute dürfen nicht für dumm verkauft werden!"

Raschere Verfahren

Etwa in der Flüchtlingspolitik. Eine Obergrenze, wie die ÖVP sie verlangt, "ist mit dem innerstaatlichen und dem Völkerrecht nicht vereinbar", urteilt die Spitzenjuristin im KURIER-Gespräch. Und dass die Regierung wochenlang Flüchtlinge durchreisen hat lassen, die hierzulande keinen Asylantrag stellen wollten, sei "ein glatter Rechtsbruch". Was würde Griss tun? "Ich würde die Asylverfahren beschleunigen, indem man mehr Personal bereitstellt." Raschere Verfahren würden auch abschreckend wirken.

Selbstbewusste Selbstbeschreibung

Die Rechtsgelehrte ist merkbar überzeugt, dass sie aufgrund ihrer Berufserfahrung für das Amt der Präsidentin prädestiniert wäre: "Als Richterin ist mein Blick für Ungerechtigkeiten geschärft worden. Man ist gewohnt abzuwägen, Autorität zu haben und Konflikte zu lösen."

Und wie sieht es mit internationaler Erfahrung aus? Da verweist Griss auf ihre Tätigkeit am "Singapore International Commercial Court".

Authentisch, aber trocken

Als ein Betriebswirt fragt, was eine Präsidentin Griss für die Wirtschaft tun würde – und um eine nicht juristische Antwort bittet, sagt sie kokett: "Die Wirtschaft braucht aber ein gutes Wirtschaftsrecht, das sie nicht behindert, sondern unterstützt." Die Zuhörer schmunzeln. "Sie kommen authentisch rüber", lobt eine Frau. Ein Gast meint gar: "90 Prozent der Leute hier werden sie wählen." Andere Beobachter befinden, sie agiere zu trocken juristisch: "Wenn sie die Richterrobe nicht ablegt, wird es schwierig."

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