Wer Milliarden versenkt, soll zahlen?

Wer Milliarden versenkt, soll zahlen?
Neos und Team Stronach sind für strengere Regeln, für die anderen Parteien reichen die bestehenden.

Einen finanziellen Super-GAU beschert die Hypo Alpe-Adria der Republik. Selbst der Bundespräsident, kein heißsporniger Formulierer, spricht von einer budgetpolitischen Katastrophe. Bis zu 13 Milliarden bleiben an den Steuerzahlern hängen. "Wie kommen wir dazu?", fragen sich viele Bürger. Wieso werden nicht jene Politiker belangt, die das Debakel verursacht haben?

Die Stronachianer, noch angeführt vom milliardenschweren Frank, möchten das. Eine "Politiker-Haftung" mit dem Privatvermögen müsse her – damit Vertreter dieser Zunft "im Falle vorsätzlicher, grob fahrlässiger Handlungen zur Verantwortung gezogen werden können". Wie jetzt in Sachen Hypo, sagt Klubobfrau Kathrin Nachbaur: "Da wurde der Schaden durch Nichthandeln vergrößert." Neos-Chef Matthias Strolz drängt ebenfalls: "Diese Diskussion ist zu führen. Kommt die Politik weiterhin ihrer Rechenschaftspflicht nicht nach, leidet ihr Ansehen weiter."

Wer Milliarden versenkt, soll zahlen?
Interview mit Kathrin Nachbaur vom Team Stonach im Golfclub Fontana in Oberwaltersdorf am 30.07.3013.
Andernorts hält man nichts von Haftung. "Es gibt die Möglichkeit der Abberufung, ein Misstrauensvotum, allenfalls das Strafrecht. Das sind die Instrumente in einem demokratischen System", sagt der Bundespräsident . Im Übrigen habe "noch niemand ein Konzept für ein neues Instrument vorgelegt".

Bedenken

Selbst die populistisch versierten Blauen sagen: Einfach zu beantworten sei die Polit-Haftungsfrage nicht. Generalsekretär Harald Vilimsky: "Beschließen Politiker ein Projekt wie einen Bahntunnel, und dann stellt sich heraus, dass es gestoppt werden muss, weil bei der Unverträglichkeitsprüfung Fehler gemacht wurden, entsteht meist ein Millionen-Schaden. Soll deshalb der Politiker haften?"

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Informationsgespräch mit Univ.-Prof. Ferdinand Mühlbacher, Transplantationschirurg im AKH Wien, Univ.-Doz. Dr. Afshin Assadian, Gefäßchirurg im Wilhelminenspital und Dr. Franz Vranitzky über die aktuelle Lage der Spender- und Empfängerversorgung, Rechtslage und Zukunftsaussichten bei Nierentransplantationen in Österreich. Das Gespräch fand im AKH Wien am 10.06.2013 statt.
Der einstige SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky sieht ein weiteres Problem: "Wären sie haftbar, würden wohl nur Menschen in die Politik gehen, die sehr vermögend sind – weil andere sich das nicht leisten könnten." Abgesehen davon: "Hat es kriminelle Energie gegeben, brauchen wir keine Politiker-Haftung. Da kommt das Strafrecht zum Zug. In Kärnten ermittelt ja die Staatsanwaltschaft gegen den einen oder anderen Politiker."

ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka verweist auf die Organhaftung. Im Gesetz dazu heißt es: "Personen, die als Organe des Bundes, Landes (…) oder einer sonstigen Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts handeln, haften (…) für den Schaden am Vermögen, den sie (...) durch ein schuldhaftes und rechtswidriges Verhalten unmittelbar zugefügt haben. Der Schaden ist nur in Geld zu ersetzen." Mit diesem Gesetz sei es getan, meint Lopatka: "Sonst traut sich ja kein Politiker mehr, etwas zu entscheiden."

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Franz Fiedler, ehemaliger Rechnungshofpräsident
In einem derart komplexen Fall wie der Hypo sei schwierig, Verschulden festzumachen – damit Schadenersatz zu fordern, wendet Ex-Rechnungshofpräsident Franz Fiedler ein: "Die Feststellung, dass es Fehlentscheidungen gegeben hat, reicht nicht." Umso dringender sei ein Untersuchungsausschuss. "Da kann man nicht nur die politische Verantwortung klären, sondern auch, ob es sinnvoll ist, Schadenersatz zu fordern."

In der Privatwirtschaft haften Manager. Sie müssen für Schäden "einstehen", die sie "durch Tätigkeit oder Untätigkeit dem Unternehmen oder Dritten schuldhaft, also vorsätzlich, zugefügt haben." – auch mit Privatvermögen.

Wer Milliarden versenkt, soll zahlen?

Es war der Funke, der das Pulverfass zum Explodieren brachte: Beim gesetzlichen Hü und Hott rund um GmbH light und Gewinnfreibetrag platzte vielen kleineren und mittleren Unternehmen dieses Landes heuer endgültig der Kragen. Die Betriebe (und ihre Mitarbeiter) sind nach sechs Jahren Krise entnervt. Viele haben Personal abbauen und sich um neue Geschäftsfelder umschauen müssen, um zu überleben.

Und was tut der Staat in einer ähnlichen Situation? Das Fantasieloseste: Steuern anheben. Dass es auf Druck der Wirtschaftsvertreter nun letztlich doch zu akzeptablen Kompromissen kam und sogar ein "Handwerkerbonus" eingeführt wird, geht im Getöse um die Hypo Alpe-Adria unter. Jetzt drängt sich nämlich eine neue Frage auf: Was ist das für ein schlampiger Staat, der nicht einmal die Bankenaufsicht beherrscht, gleichzeitig aber kleine Unternehmer und Freiberufler schikaniert?

Als Klassenfeind betrachtet

Fehler von Selbstständigen werden gnadenlos geahndet, und oft genug übernehmen sie Staatsaufgaben, etwa bei der Abgabeneinhebung – von Kommunalsteuern bis zu Kammerumlagen. Im Vorschriftendschungel kommen selbst kleine Selbstständige nicht mehr ohne (Steuer-)Berater aus. Ihren hohen Sozialversicherungsabgaben stehen niedrige Pensionen gegenüber, im Krankheitsfall sind Selbstbehalte fällig. Man quält sie auch im Internetzeitalter mit Pflichtinseraten im Amtsblatt der Wiener Zeitung. Gibt es Probleme mit Mitarbeitern, können sie sich den Gang zum Arbeitsgericht ersparen: Dort wird in den allerseltensten Fällen dem Arbeitgeber recht gegeben. Exorbitante Lohnnebenkosten sowie Steuervorauszahlungen knabbern am Gewinn. Dennoch gelten Arbeitgeber oft als Klassenfeind. Ein gutes Einkommen wird als ungerechtfertigtes Privileg betrachtet, während kaum jemand das Risiko sieht. Krankheit oder Konkurs eines Geschäftspartners zum Beispiel kann für einen Kleinunternehmer existenzbedrohend sein. Firmensitz steuerschonend nach Malta oder Irland verlegen? Diese Möglichkeit haben nur die großen Fische, die kleinen werden vom Fiskus gnadenlos gejagt.

Ja, Unternehmertum bedeutet auch Freiheit und Selbstentfaltung. Immer mehr Österreicher sind selbstständig, oft unfreiwillig. Da findet gerade ein großer Generationenwechsel statt. Das goldene Zeitalter mit kontinuierlichem Karriereverlauf, Unkündbarkeit und Pensionsprivilegien ist vorbei. Immerhin unternimmt die Regierung nun Anstrengungen, Start-ups zu fördern, es gibt Gründerinitiativen und künftig auch legale Möglichkeiten zum Crowdfunding. Das ist wichtig, weil ja auch die Banken immer knausriger mit Krediten umgehen.

"Jammern", sagt der Volksmund, sei "der Kaufleute Gruß". Die Stimmung geht aber über das übliche "Sudern" hinaus. Die Leistungs- und Risikobereiten fühlen sich von Politik, Verwaltung, Banken, oft auch von der öffentlichen Meinung, wenig geschätzt. Das ist gefährlich. Denn um etwas zu unternehmen, muss man in guter Stimmung sein. Daran fehlt es derzeit eklatant.

Dieser Tage rüttelt man als Politiker leicht am Pointenbaum: Konfrontiert mit dem Vorwurf, die Regierung habe sich in Sachen Hypo Alpe-Adria zu viel Zeit gelassen, erklärte SPÖ-Klubchef Andreas Schieder: Nein, diese Zeit sei "nicht verschenkt" gewesen. Stimmt. Verschenkt eh nicht. Denn wir zahlen dafür. Auch das Wort "Anstaltslösung" klingt im Zusammenhang mit dem politischen Management des Hypo-Desasters wie ein bitterer Gag.

Im Internet kursieren bereits halb ernst gemeinte Aufrufe, man möge dem Finanzamt Hypo-anteilig einfach weniger Geld überweisen – und auf die Steuererklärung den Vermerk "Anstaltslösung" schreiben. Vielleicht wäre das überhaupt eine Lösung für alle, die Schulden haben: Man gründet seine persönliche Bad Bank und wird dort sein Minus los.

Frage: Ist den Politikern überhaupt klar, wie tief der erneute Vertrauensverlust in ohnehin schon schwierigen Zeiten ist? Und für diesen Verlust gibt es keine Bad Bank, auf die man ihn auslagern kann. Keine Anstalts- und offenbar auch keine Anstandslösung.

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