Hypo: Das Ende eines Geschäfts-Modells

Die Länder werden in Geldnöte kommen – das schlampige Bund-Länder-Verhältnis ist neu zu ordnen.

Zwischen Finanzminister Hans Jörg Schelling und den ÖVP-Ländern fliegen die Fetzen. Schelling hat im Zuge der Hypo-Krise Unerhörtes ausgesprochen: "Der Bund haftet nicht für Kärnten."

"Mit dieser einen Aussage hat er alles durcheinandergebracht", wettert Niederösterreichs Finanzchef Wolfgang Sobotka. Die Aufgeregtheit mag auf den ersten Blick seltsam erscheinen, denn Schelling gab nur die Buchstaben der Verfassung wieder. Sobotka hat dennoch recht: Schelling beendete mit einem Satz das Geschäfts-Modell der Länder.

Hypo: Das Ende eines Geschäfts-Modells
Man muss wissen, dass die Bundesländer nur zu zwei Prozent von eigenen Steuereinnahmen leben. Sie dürften im Prinzip gar keine Schulden machen, da sie kein Steuerfindungsrecht haben. Ihre Budgets kommen vom Bund, sie sind "im wesentlichen Verwaltungshaushalte mit vielen Durchlaufposten aus dem Bundestopf", sagtHerbert Paierl (Bild),Ex-Landespolitiker und nunmehriger Investor.

Wir werden den Löwenanteil der Hypo-Millionen für die kommenden Generationen anlegen. Damit handeln wir im Sinne der jungen Menschen dieses Landes nachhaltig und zeigen Weitblick. Deswegen wird Kärnten reich.

Jörg Haider, als Kärntner Landeshauptmann im Mai 2007

Aber welcher Landeshauptmann, von Medien gern zum "mächtigen Landesfürsten" hochstilisiert, will bloß ein "Verwaltungsorgan" sein? Sie wollen Gestalter sein. Und das kostet. Also wurden die Länder kreativ. Sie verkauften Krankenhäuser und andere Immobilien an Landesgesellschaften, die die Käufe mit Schulden finanzierten, für die die Länder haften. Sie finanzieren Projekte über landeseigene Hypo-Banken. Die Haftungen dafür drehte die EU zwar ab, aber es müssen Altbestände an Anleihen von 18 Milliarden bis 2017 ausbezahlt werden. Diese Altschulden müssen sie bis September 2017 "refinanzieren" , sprich, neues, und jetzt vermutlich teures Geld dafür auftreiben.

Insgesamt sind die Länder gemäß einer Aufstellung von Ende 2012 mit der gewaltigen Summe von 90 Milliarden Euro auf dem Kapitalmarkt unterwegs. Sie sind implizit immer im Windschatten der guten Bonität des Bundes gesegelt, sie zahlten wenig Zinsen.

Jetzt zog Schelling den Bundes-Paravant weg. Die Kreditwürdigkeit der Länder sinkt. Moody’s hat Kärnten auf nahe Ramschniveau abgestuft, Klagenfurt bittet den Bund um günstige Kredite. Niederösterreich hatte die Rating-Agentur bereits im Haus, Tirol und Vorarlberg sind im Visier. Sobotka fürchtet für Niederösterreich Mehrkosten von 400 Millionen. Falls die Länder überhaupt noch Geld kriegen. So sagt das Schweizer Investmenthaus Nebag: "Man kann nicht mehr davon ausgehen, dass in Österreich eine Garantie eine Garantie ist. Das wird für alle österreichischen Bundesländer zu Nachteilen auf dem Kapitalmarkt führen. Wir werden jedenfalls bis zur Klärung der Haftungsfragen rund um Heta nicht mehr in staatliche österreichische Schuldner investieren." Der Schweizer Firma werden sich wohl andere anschließen. Die Hypo-Anleihen, die jetzt geschnitten werden sollen, galten als "mündelsicher" und wurden bevorzugt von risiko-aversen Investoren genutzt – siehe deutsche Landesbanken oder Versicherungen. Die werden ihre Lehren aus dem Vorfall ziehen.

Dieses brandheiße Thema wird mit dem Gespräch zwischen Schelling und Sobotka am Montag lange nicht erledigt sein. Österreich wird sein schlampiges Bund-Länder-Verhältnis auf eine kalkulierbare, rechtsverbindliche Basis stellen müssen – schon, um als Finanzplatz wieder verlässlich zu erscheinen.

Hypo: Das Ende eines Geschäfts-Modells
APA8489180-2 - 02072012 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT WB - Das Gebäude der Österreichischen Nationalbank (OeNB), aufgenommen am Montag, 2. Juni 2012, in Wien. APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER
Kern des Problems ist, dass die "Old Boys in der Nationalbank" (ein Insider) immer signalisierten, der Bund werde schon im Ernstfall für die Länder zahlen. Hinzu kam, dass die Länder dem Bund, der für sie geradestehen sollte, immer mehr entglitten. Der Grund dafür ist die innerparteiliche Stärke der Länder in den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP. Die Länder haben die Bundeschefs und die Nationalrats-Mandatare in der Hand.

Österreichs Realverfassung wurde überdehnt, das Geschäftsmodell der Länder ist unhaltbar. Paierl: "Die Causa Hypo wirkt wie ein Dynamo in der Föderalismus-Debatte."

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