Graz wählt: Der kuriose Kampf um Platz zwei

Graz wählt: Der kuriose Kampf um Platz zwei
Dass die VP in Graz gewinnt, ist absehbar. Doch die KP könnte Umfragen zufolge die Landeshauptstadt wieder zur politischen Ausnahmekommune machen.

Vor der Wahl ist nach der Wahl – zumindest für den derzeitigen Amtsinhaber. Dass Siegfried Nagl bei der Grazer Gemeinderatswahl den ersten Platz sichern wird, scheint bereits klar. Prognosen und Exit-Polls sagen dem ÖVP-Stadtchef für die Wahl am Sonntag um die 38 Prozent voraus. Etwa gleich viel hatte der 49-Jährige beim vergangenen Urnengang erreichen können – und sich damals zum zweiten Mal den Platz als Bürgermeister der steirischen Landeshauptstadt gesichert.

Anders als im Jahr 2008 ist heuer die Ausgangslage für alle restlichen Parteien eine andere – interessant wird die Wahl vor allem deshalb, weil der zweite Platz noch nicht vordefiniert ist. Sowohl SP, Grünen als auch KP wird vorausgesagt, den zweiten Rang erreichen zu können: Damit wäre Graz zum wiederholten Male ein politisches Kuriosum - schon 2003 hatte schließlich ein Fünftel aller Wähler für die Kommunisten gestimmt. Und eine Koalitionsbildung wäre nicht so klaglos zu bewältigen, wie Siegfried Nagl dies wohl gerne hätte.

Kommunisten-Hochburg

20 Prozent sind es, die die Kommunistin Elke Kahr erreichen könnte – glaubt man den Umfragen. Die unscheinbar wirkende Politikerin scheint ihre Arbeit gut gemacht zu haben. Als Nachfolgerin des langjährigen KP-Chefs Ernest Kaltenegger, der die Grazer KP in ungeahnte Höhen katapultiert hatte, hatte sie es anfangs nicht leicht. Derzeit sieht es aber so aus, also könnten die „Kummerln“ - wie die Partei auch halb-liebevoll genannt wird - das 20-Prozent-Rekordergebnis von 2003 wiederholen. Die Themen Kahrs passen auch wunderbar zur aktuellen Zeit: Leistbares Wohnen propagiert die KP seit Urzeiten; Heute trifft sie damit bei mehr Menschen einen Nerv als je zuvor.

Die Konkurrentin der Kommunisten, die SP, hat bei der Wahl mehr zu verlieren als zu gewinnen. Denn als langjährige Bürgermeisterpartei hat sie es im Wahlkampf nicht geschafft, ein Kopf-an-Kopf-Rennen heraufzubeschwören. Martina Schröck, die der Sozialdemokratie ein junges, unverbrauchtes und weibliches Gesicht verleihen sollte, kam in den Exit Polls der Vorabwahl auf gerade mal 14 Prozent. In der sozialistisch regierten Steiermark ein Debakel – und die Fortführung einer Talfahrt, die bereits mit dem Abgang des SP-Granden Alfred Stingl eingesetzt hatte. Der heute 73-Jährige saß immerhin von 1985 bis 2003 auf dem Bürgermeistersessel, sein bestes Ergebnis lag bei mehr als 42 Prozent. Jetzt dümpelt die SP deutlich unter der 20-Prozent-Prognosemarke. Schröck, erst seit 2011 im Amt, scheiterte wie auch ihre Vorgänger Edmund Müller und Walter Ferk bisher an der schwarzen Übermacht.

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Siegfried Nagl (49) kandidiert für seine dritte Amtszeit: Seit 2003 ist der VPler Bürgermeister der Stadt Graz - und wird es wohl auch bleiben.
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Lisa Rücker, amtierende Vizebürgermeisterin, ist für die Grünen Vorzeige-Politikerin: Die bekennenden Lesbe schaffte es, mit der VP zu koalieren - zumindest bis zum Frühjahr 2012.
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Elke Kahr, Spitzenkandidatin der KPÖ, hat mit ihrem Slogan "Leistbares Wohnen" viele Grazer hinter sich - die KP setzt auf kommunale und private Themen.
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Martina Schröck war die Hoffnung der SP: Nach den Abstürzen bei den vergangenen Wahlen hätte sie den Sozialdemokraten aus dem Tief helfen sollen - Umfragen sprechen dagegen.
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Mario Eustacchio hat in Graz einen klassischen FP-Wahlkampf geführt - ob ihm das mehr als zehn Prozent Zustimmung bringt, ist fraglich.
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Gerald Grosz, BZÖ-Abgeordneter, will mit seiner Partei auch wieder in den Grazer Gemeinderat - wie auch die Piraten übrigens.

Abgeschlagene Grüne

Wenig zu sagen im Kampf um Platz zwei dürften die restlichen Parteien haben – und das, obwohl die Grünen in der vergangenen Legislaturperiode mit Lisa Rücker das Amt der Vizebürgermeisterin innehatten. 14 Prozent erreichten sie bei den Exit-Polls, ein Minus von 3 Prozent im Vergleich zum Wahlgang 2008. Angekratzt dürfte das Image der Grünen vor allem durch die Koalitionsaufkündigung seitens der VP sein: Im Frühling dieses Jahres setzte Nagl die Grünen wegen einer Liste an Meinungsverschiedenheiten vor die Tür – wohl auch, um seine eigene Basis wieder zu beruhigen. Denn der wertekonservative Nagl und die bekennende Lesbe Rücker waren von Anfang an als Experiment gedacht; als eines mit Sprengkraft. Die Grünen hatten die Möglichkeit einer Aufkündigung der Polit-Ehe zuvor verpasst – etwas, was sie bei diesem Wahlgang Wählerstimmen kosten könnte.

Wenig Chance auf Platz zwei hat die FP – ihr wird ein Ergebnis um die zehn Prozent vorausgesagt. Die Blauen haben dafür im Wahlkampf mit Slogans in gewohnter FP-Diktion und anderen Tiefschlägen von sich reden gemacht: So entsponn sich etwa um die angeblichen Rechtsradikalen-Kontakte des Spitzenkandidaten Mario Eustacchio eine Fehde, die vor allem die Schwarzen anführten. Die sich selbst als „Wohlfühlpartei“ definierende VP sprach Eustacchio in einem offenen Brief offen darauf an, dass er offenbar auch schon mal handgreiflich geworden sei.

Koalitionsfrage

Die Frage, ob sich VP und FP möglicherweise das politische Ehebett teilen, stellt sich damit nicht. Auch die Grünen sind auf der Präferenzliste der Schwarzen eher im unteren Drittel zu finden. Wahrscheinlich ist somit eine große Koalition ganz im Sinne der Reformpartnerschaft der beiden arrivierten Parteien im Land – nur mit einem schwarzen statt eines roten Chefs.

Ausgemacht ist das noch nicht. Denn auch wenn Nagl die Wahl für sich entscheiden wird, steht mit dem Vorrücken der Kommunisten die Möglichkeit eines Linksbündnisses im Raum: KP, SP und Grüne könnten unter einer kommunistischen Bürgermeisterin Elke Kahr  koalieren. Eine Vorstellung, die für Irritation im Grazer Rathaus sorgt – aber auch durchaus als geschickter Schachzug Nagls gesehen werden kann, um zum Wahlkampfausklang nochmals die eigene Basis zu mobilisieren: "Die KPÖ gibt mit Leidenschaft das Geld aus, das andere zusammentragen. Sie sind nicht bereit Gesamtverantwortung für eine Stadt zu übernehmen", meint Nagl zum KURIER. Nichts hilft besser, um wahlfaule Konservative zur Urne bewegen, als das linke Schreckgespenst. 

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