Kinderwunsch – und Wirklichkeit

Allumfassend: Freundlichkeit, Liebe und Mitgefühl sind für den Psychologen Bijay Gyawali die Formen wahrer Liebe. Diese „wahre Liebe“ ist die wahre Natur der Menschheit. Jeder kann sie erreichen – auf dem Weg der unangestrengten Anstrengung. Und: Sie bezieht sich auf alle Lebewesen.
Obwohl die Österreicher mehrheitlich Nachwuchs wollen, kommen zu wenige Kinder auf die Welt.

Egal, ob Beruf, Körpergewicht oder Wohnsituation – Wunsch und Wirklichkeit stimmen oft nicht überein. So ist das auch bei der Familienplanung. Fragt man die Österreicher, wie viele Kinder sie gerne hätten, so bekommt man im Schnitt die Antwort, dass zwei ideal wären. Tatsächlich liegt die Geburtenrate zwischen 1,4 und 1,6 Kindern pro Frau.

Das hat einmal mehr eine groß angelegte Studie im Auftrag des Familienministeriums bestätigt. Die Forscher gingen der Frage auf den Grund, warum zwischen Traum und Realität eine große Lücke klafft. Die wichtigsten Erkenntnisse: Österreich ist nicht sonderlich familienfreundlich; Frauen gehen davon aus, dass Kinder ihre beruflichen Chancen verschlechtern; Kinderbetreuung und Hausarbeit sind mehrheitlich Frauensache; der Kinderwunsch wird immer weiter nach hinten geschoben.

Familienministerin Sophie Karmasin will an mehreren Punkten ansetzen, um den Menschen mehr Lust auf Nachwuchs zu machen: Die Familienbeihilfe wird erhöht; 350 Millionen Euro werden in den Ausbau der Kinderbetreuung investiert; Anreize (z. B. finanzieller Bonus) sollen dazu führen, dass mehr Männer in Karenz gehen. Paare müssten sich aber auch bewusst machen, dass der Kinderwunsch nicht zu weit hinausgeschoben werden soll. Die Fertilität nimmt ja ab Mitte 30 rapide ab. Wünschenswert, so Karmasin, sei auch mehr Familienfreundlichkeit in den Betrieben.

Unerfreulicher Trend

In der Wirtschaft herrscht aber "ein Trend, der nicht familienfreundlich ist", sagt Christine Mayrhofer vom WIFO zum KURIER. Aus Studien sei bekannt, dass der Druck in der Arbeitswelt gestiegen sei. "Jeder Betrieb muss versuchen, den Output zu maximieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben." Häufig würden krisenbedingt Mitarbeiter abgebaut. Das alles stehe im Widerspruch zum Kinderwunsch, meint die Arbeitsmarkt-Expertin.

Familienforscher Wolfgang Mazal entgegnet wie Karmasin, Firmen würden profitieren, wenn sie familienfreundlich agierten: Die Fluktuation sei geringer, es gebe weniger Krankenstände, Mitarbeiter seien motivierter. Mazal: "Wenn Betriebe das liegen lassen, handeln sie kaufmännisch fahrlässig."

Soziologin Edit Schlaffer drängt darauf, die Kindergeld-Modelle umzuwandeln, damit mehr Väter daheim bleiben. Um auf den vollen Kindergeld-Betrag zu kommen, sollten Männer die Hälfte der Karenz übernehmen. Den Vorschlag der Grünen – Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem 1. Geburtstag des Kindes – begrüßt Schlaffer auch. Mayrhuber plädiert für flexiblere Arbeitszeiten. "In Dänemark besteht vielfach die Möglichkeit, sich die Arbeit selber einzuteilen. Das macht es leichter, Familie und Beruf zu vereinbaren."

Für Schlaffer ist klar: So lange Kinderbetreuung primär Frauenangelegenheit ist, werde die Geburtenzahl niedrig bleiben. In Österreich sind derzeit 4,4 Prozent der Männer in Karenz. Schweden ist da viel weiter: Hier gehen mittlerweile 88 Prozent der Väter in Karenz, die Geburtenrate liegt bei knapp zwei Kindern pro Frau.

Wann erlebt man schon, dass eine Ministerin vor Journalisten am Boden kniet? Und dann gleich zwei? So geschehen bei der "Ideensammlungstour" von Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) und Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) durch Niederösterreich.

Im Kindergarten Europaplatz in Wiener Neudorf informierten sie sich über das mit der Volksschule eingerichtete Übergangsmanagement und den Integrationsschwerpunkt. Die Ministerinnen durften Kuchen essen, Bastelarbeiten bewundern und Ringel-Reihe tanzen – inklusive "Kniefall".

Der nächste Tour-Stopp: Wiener Neustadt, wo mit Mitarbeiterinnen des Vereins Jugend und Kultur diskutiert wurde. "Wenn sie nicht gekürzt werden, beraten sie noch weiter", wies Sozialarbeiterin Katrin Tamandl in Märchenform auf das brennendste Thema hin. Über 900 Gespräche führt der Verein pro Jahr in der Sucht- und Jugendberatung. Heinisch-Hosek antwortete mit einer Förderung von 12.800 Euro.

Beim anschließenden Kurz-Workshop mit Jugendlichen mussten sie und Karmasin sich mit ihrem Beruf in Begriffen wie Kuraufenthalt und Weltraumausflug finden. "Dschungelexpedition" passte für Heinisch-Hosek am Besten. "Da muss man auch gut vorbereitet sein und dennoch lauern überall Gefahren." Karmasin wählte "Einkauf am Weihnachtssamstag". Warum? "Viel Positives, aber ziemlich stressig."

Ihr Ende fand die Tour in der Landesberufsschule Neunkirchen, wo die Schüler lange auf die Ministerinnen warten mussten. "Vielleicht müssen sie fürs Zuspätkommen die Hausordnung vom Parlament abschreiben", witzelten die Schüler. Die anschließende Diskussion um böse Lehrer, das duale Ausbildungssystem und die Pisa-Studie wurde zum Heimspiel für die frühere Lehrerin Heinisch-Hosek.

Ein Forscherteam (Institut für Familienforschung, Wittgenstein Centre, Vienna Institute of Demography) hat 2009 und 2013 rund 5000 Personen zum Thema Familie befragt. Die Studie ergab, dass die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau sinkt. Frauen gehen davon aus, dass sich ihre Berufschancen durch Kinder verschlechtern. Männer und Frauen sagen, die soziale Anerkennung sei gering, wenn man ein Kind bekommt. Kinderbetreuung lastet zu zwei Dritteln auf den Müttern. Je mehr sich Väter beteiligen, desto eher bekommen Frauen Kinder.

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