Wie lauten die FPÖ-Vorwürfe und was ist dran?

Probleme soll es vor allem bei der Auszählung der Briefwahlstimmen gegeben haben.
Grund für Wahlwiederholung könnten die 60.000 "unbefugt ausgezählten" Stimmen werden.

Die Bundespräsidenten-Stichwahl fand vor fast drei Wochen statt, die FPÖ hat die Wahl angefochten. Heißt das, das Ergebnis ist nicht fix?

Das ist richtig. Endgültig ist das derzeitige Ergebnis erst, wenn der Verfassungsgerichtshof entscheidet, dass die Einwände im Anfechtungsantrag nicht ausreichen, um das Wahlergebnis zu beeinflussen. Dafür gibt es eine Frist von vier Wochen, die aber verlängert werden kann. Die Angelobung von Alexander Van der Bellen am 8. Juli wackelt also.

Kritik gab es vor allem bezüglich der Auszählung der Wahlkarten. Was war das Problem?

Die FPÖ will Gesetzeswidrigkeiten in 94 von 113 Bezirkswahlbehörden erkannt haben. Es sollen dort bereits vor dem gesetzlich festgelegten Termin (Montag, 23. Mai, punkt 9 Uhr) entweder die Briefwahlkuverts vorsortiert, geöffnet, die Wahlkuverts entnommen bzw. die Stimmzettel ausgezählt worden sein. Die Vorwürfe werden laut Bundeswahlleiter Robert Stein auch intern "minutiös geprüft".

Wer zählt die Wahlkarten aus?

Dafür ist per Gesetz eine beschlussfähige Kommission in jeder der 113 Bezirkswahlbehörden nötig. Diese besteht aus einem Wahlleiter und Beisitzern der im Nationalrat vertretenen Parteien, die freiwillig nominiert werden. Maximal dürfen es neun Beisitzer sein, fünf sind Minimum. Dazu kommen oft noch Helfer der Parteien.

Laut FPÖ betreffen die Unregelmäßigkeiten mehr als eine halbe Million Wahlkarten. Woher kommen diese Zahlen?

In der Anfechtung heißt es, 573.275 Wahlkarten seien in nichtige und auszuzählende Karten vorsortiert worden. Laut Wahlleiter Stein ist das zur Erfassung bei der Bezirkswahlbehörde durchaus zulässig, solange die Stapel noch einmal von der Kommission geprüft werden. Der FPÖ-Vorwurf "vorzeitig geöffnet" betrifft angeblich 120.067 Stimmen, "vorzeitig entnommen" 80.953 Stimmen, "vorzeitig ausgezählt" 30.295 Stimmen und "unbefugt ausgezählt" – also ohne Kommission – 58.374 Stimmen. Beweise dafür legt die FPÖ nicht vor, es soll aber eidesstattliche Erklärungen von Zeugen geben.

Welcher Vorwurf ist so schwer, dass er zu einer Wahlwiederholung führen könnte?

Laut Verfassungsjurist Theo Öhlinger ist das vorzeitige Zählen rechtswidrig, würde am Ergebnis aber nichts ändern, sofern die beschlussfähige Kommission anwesend war. War sie das nicht – wie mutmaßlich bei den 58.374 Stimmen – könnte das sehr wohl einen Einfluss gehabt haben. Dann könnte der Verfassungsgerichtshof eine Wahlwiederholung anordnen.

Müsste bei einer Wahlwiederholung ganz Österreich noch einmal wählen?

Die Thematik ist Neuland, einen ähnlichen Fall gab es bisher in Österreich nicht. "Von einzelnen Bezirken bis zu ganz Österreich ist alles drin", sagt Bundeswahlleiter Stein. Offen ist auch, ob die Wiederholung auf die Briefwahl begrenzt werden kann – das sei laut Stein aber technisch schwierig.

Für die Wahlbehörde sahen die Protokolle korrekt aus. Welche Konsequenzen hat es, wenn jetzt doch Fehler nachgewiesen werden?

Wenn ein Kommissionsmitglied die Ordnungsmäßigkeit der Auszählung mit seiner Unterschrift bestätigt, und damit Fehler verschweigt, wäre das eine "falsche Beurkundung" und damit strafbar.

Wie geht es jetzt weiter?

Der Verfassungsgerichtshof hat ein Vorverfahren eingeleitet und und prüft mit Unterstützung und Aktenmaterial des Innenministeriums, ob die Wahl korrekt abgelaufen ist. Unabhängig davon ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in sechs Bezirken strafrechtliche Vorwürfe: In den fünf Kärntner Bezirken Hermagor, Klagenfurt, Villach Land, Villach Stadt und Wolfsberg, sowie in der Südoststeiermark und in Wien-Umgebung (NÖ). Unregelmäßigkeiten wurden auch in den Gemeinden Helfenberg (OÖ) und Rohrbach bei Mattersburg (Bgld) gemeldet. Das Innenministerium hat davon sechs Bezirke selbst angezeigt. Teilweise überschneiden sich die Fälle mit jenen, die die FPÖ in ihrer Anfechtung nennt.

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