Verfassungs-Bedenken gegen Islamgesetz
Am Donnerstag wurde das neue Islamgesetz vorgestellt, heute bereits regt sich erste Kritik daran: Der Religionsrechtsexperte Stefan Schima hat im Ö1-Morgenjournal Bedenken geäußert, dass die Regelung halten würde – denn der Staat schreibe damit dem Islam Dinge vor, die er bei anderen Religionsgemeinschaften offen lasse.
In der Gesetzesvorlage spiegle sich die Unsicherheit der jüngsten Vergangenheit: „Mir kommt vor, dass der Gesetzesentwurf bevormundend klingt und im Vergleich der Staat mehr Einmischung beansprucht“, sagt der Wissenschaftler der Uni Wien. Dass etwa die Finanzierung der beiden anerkannten Religionsgemeinschaften (Islamische Glaubensgemeinschaft – IGGiÖ; Islamische Alevitische Glaubensgemeinschaft – ALEVI) aus dem Ausland untersagt sei, wäre eine Ungleichbehandlung: Bei anderen Religionsgemeinschaften heiße es nämlich grundsätzlich, dass die Finanzgebarung innere Angelegenheit der Gemeinschaft sei und sich der Staat prinzipiell nicht einmischen dürfe. Konkret wird diese Regelung die 65 in Österreich tätigen Imame treffen, die bei der türkischen Religionsbehörde angestellt sind.
Diskriminierungs-Vorwurf
Zu exakt und bevormundend sei auch die Regelung zur Abberufung von Funktionsträgern – auch hier sei die Vorlage viel genauer als bei den anderen Religionsgemeinschaften; zudem werde darin ausdrücklich festgelegt, dass sich Muslime der heimischen Gesetzgebung unterzuordnen hätten. Das käme beinahe einer Diskriminierung gleich: „Darin ist die Erwartungshaltung widergegeben, dass es Rechtsverstöße mehr als bei anderen Religionsgemeinschaften gibt.“
Aus der Sicht des Gleichbehandlungsgrundsatzes sei all dies nicht korrekt, so Schima im Radio. „Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte legt immer mehr auf Antidiskriminierung Wert. Insofern kommt mir das nicht ganz unbedenklich vor - gerade aus verfassungsrechtlicher Sicht." Denn die europäische Menschenrechtskonvention stehe in Österreich im Verfassungsrang.
Kurz: "Islam österreichischer Prägung"
Integrationsminister Sebastian Kurz, der für den Entwurf gemeinsam mit Kultusminister Ostermayer verantwortlich zeichnet, verteidigt das Gesetz. Man gehe so auf „die unterschiedlichen Notwendigkeiten der Religionsgemeinschaften ein“, zudem stelle man sicher, dass es keine Einflussnahme aus dem Ausland gebe. Drei Jahre Arbeit würden in dem Entwurf stecken – und dass es verschiedene Anforderungen an verschiedene Religionen gebe, sei nur normal: „So gibt es etwa in anderen Religionen nicht Speisevorschriften wie bei den Muslimen, aber auch nicht die Herausforderung, dass wir Einflussnahmen aus dem Ausland zu befürchten haben und daher bei der Finanzierung aus dem Ausland etwas strenger sein müssen."
Schließlich wolle man „einen Islam österreichischer Prägung. Jeder Muslim in Österreich soll seiner Religion ordentlich nachkommen können, aber wir wollen keine Einflussnahme und Kontrolle aus dem Ausland."
RECHTSSTELLUNG
Der erste Abschnitt des Islamgesetzes definiert die organisierten Muslime in Österreich als Körperschaft öffentlichen Rechts. Auch geregelt ist, dass sich Muslime der heimischen Gesetzgebung unterzuordnen haben: "Religionsgesellschaften, Kultusgemeinden oder andere Untergliederungen sowie ihre Mitglieder können sich bei der Pflicht zur Einhaltung allgemeiner staatlicher Normen nicht auf innerreligionsgesellschaftliche Regelungen oder die Lehre berufen (...)."
Dargestellt werden auch die Voraussetzung für den Erwerb der Rechtsstellung, darunter "eine positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat". Wird eine der Voraussetzungen nicht mehr erfüllt, muss der Bundeskanzler die Anerkennung der Religionsgesellschaft (derzeit Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich sowie Islamische Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich) aufheben.
VERFASSUNG
Im Gesetzesentwurf festgehalten sind weiters die Anforderungen an eine Verfassung der einzelnen Religionsgesellschaften. Dazu gehört auch die "Darstellung der Lehre, einschließlich eines Textes der wesentlichen Glaubensquellen (Koran), der den Inhalt in deutscher Sprache wiedergibt". Gemeint ist damit, dass die Religionsgesellschaften jeweils eine einheitliche Fassung des Koran vorlegen müssen, wie bei einer Pressekonferenz erläutert wurde.
Ebenso in Paragraf 6 steht, die "Aufbringung der Mittel für die gewöhnliche Tätigkeit zur Befriedigung der religiösen Bedürfnisse ihrer Mitglieder" habe "im Inland zu erfolgen". Laut den Erläuterungen sind Geld und Sachleistungen, einschließlich "lebender Subventionen" wie Imame, umfasst. Eine einmalige Zuwendung aus dem Ausland wird als zulässig erachtet. Wenn daraus ein laufender Ertrag, beispielsweise zu einer Finanzierung von bestehenden Personalkosten, erzielt werden soll, wäre die Schaffung einer inländischen Stiftung möglich. "Der Einsatz öffentlicher Bediensteter im Rahmen eines Dienstverhältnisses, unabhängig davon in wessen Diensten sie stehen, als Mitarbeiter oder Geistliche, Seelsorger, Funktionsträger uä. wäre jedenfalls unzulässig", heißt es.
RELIGIÖSE BETREUUNG
Das Islamgesetz fixiert erstmals das Recht von Muslimen auf religiöse Betreuung - also auf Seelsorger - in Einrichtungen wie dem Bundesheer, in Justizanstalten sowie in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Dafür kommen aber nur Personen infrage, die "aufgrund ihrer Ausbildung und ihres Lebensmittelpunktes in Österreich fachlich und persönlich dafür geeignet sind". Eine fachliche Eignung liegt nur dann vor, wenn ein Abschluss eines islamisch-theologischen Studiums oder eine gleichwertige Ausbildung vorliegt, weitere Voraussetzung sind Deutschkenntnisse auf Maturaniveau.
In einem weiteren Absatz heißt es, ähnlich wie im Israelitengesetz: "Islamische Religionsgesellschaften und ihre Mitglieder sind berechtigt, Kinder und Jugendliche durch alle traditionellen Bräuche zu führen und entsprechend den religiösen Geboten zu erziehen." In den Erläuterungen wird dazu betont, dass davon "auch die männliche Beschneidung" umfasst ist. "Eine weibliche Genitalverstümmelung, die von einigen fälschlich als Beschneidung bezeichnet wird, steht im Widerspruch zu den Menschenrechten", steht dort ebenfalls.
SPEISEVORSCHRIFTEN
Dieser Paragraf sorgte für Aufregung bei Gegnern der umstrittenen Schlachtmethode des Schächtens. Muslime haben - ähnlich auch Juden laut Israelitengesetz - demnach das Recht, "in Österreich die Herstellung von Fleischprodukten und anderen Nahrungsmitteln gemäß ihren innerreligionsgesellschaftlichen Vorschriften zu organisieren".
Auch bei der Verpflegung von Muslimen bei Bundesheer, in Haftanstalten, Krankenhäusern und öffentlichen Schulen soll mit dem Islamgesetz sichergestellt werden, dass auf religiöse Speisegebote und -verbote Rücksicht genommen wird.
FEIERTAGE
"Islamischen Feiertagen wird der Schutz des Staates gewährleistet", heißt es in dieser Passage. Arbeitsrechtlich hat dies zwar noch keine Auswirkungen, dennoch bietet die Aufzählung offizieller Feiertage eine Basis für Verhandlungen zur Verankerung im Feiertagsruhegesetz und den Kollektivverträgen. Die Islamische Glaubensgemeinschaft führt im Islamgesetz drei solcher Tage an (Ramadanfest, Pilger-Opferfest, Aschura), die Aleviten fünf.
ABBERUFUNG VON FUNKTIONSTRÄGERN
Die Islamischen Glaubensgemeinden sind laut Entwurf künftig dazu verpflichtet, Funktionsträger wie etwa Imame ihrer Funktion zu entheben, sollten diese von einem Gericht zu einer Freiheitsstrafe von ab einem Jahr verurteilt worden sein. Dies gilt auch, sollten diese die "öffentliche Sicherheit, Ordnung, Gesundheit und Moral oder die Rechte und Freiheiten anderer nachhaltig gefährden".
ISLAMISCH-THEOLOGISCHE STUDIEN
Auch der Fahrplan für ein islamisch-theologisches Studium an der Universität Wien ist im Entwurf zum Islamgesetz geregelt: Ab 1. Jänner 2016 hat demnach der Bund bis zu sechs Stellen für Lehrpersonal zu erhalten. Die Glaubensgemeinschaft hat bei der Besetzung insofern ein Wort mitzureden, als dass ihr die Personen vier Wochen vor Bestellung "zur Kenntnis zu bringen" sind und diese eine Stellungnahme abgeben darf.
ISLAMISCHE FRIEDHÖFE
Diese sind laut Gesetz "auf Dauer angelegt". Ihre Auflösung und Schließung sind "unzulässig" bzw. bedürfen der Zustimmung der zuständigen Kultusgemeinden. Bestattungen auf islamischen Friedhöfen dürfen ebenfalls nur mit Zustimmung der jeweiligen Kultusgemeinde vorgenommen werden.
ANZEIGE- UND MELDEVERPFLICHTUNGEN
Sollte gegen einen Funktionsträger der Religionsgesellschaft ein Verfahren eingeleitet oder Haft verhängt werden, muss diese umgehend von der Republik informiert werden. Auch umgekehrt soll diese Verpflichtung bestehen.
UNTERSAGUNG VON VERANSTALTUNGEN
Behörden können Versammlungen und Veranstaltungen zu Kultuszwecken untersagen, "von denen eine unmittelbare Gefahr für die Interessen der öffentlichen Sicherheit, Ordnung, Gesundheit, der nationalen Sicherheit oder die Rechte und Freiheiten anderer, ausgeht".
WAHLEN
Das neue Islamgesetz regelt erstmals Wahlen etwa in der IGGiÖ. Diese müssen in der jeweiligen Verfassung verankert sein, sodass eine Überprüfung möglich ist. Sollte die Dauer einer Funktionsperiode der gewählten Organe überschritten werden, darf die Behörde eine Frist setzen. Ansonsten muss - notfalls via Gericht durch Antrag durch den Bundeskanzler - ein Kurator bestellt werden.
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