Die Volkspartei auf Schleuderkurs

Die Volkspartei auf Schleuderkurs
Was Parteikenner Michael Spindelegger raten, damit die Schwarzen wieder auf Touren kommen

Michael Spindelegger hat sich die Sache wohl so vorgestellt: Ich hol’ mir die aufmüpfigen Gesinnungsfreunde an einen Tisch, wir reden ein wenig – und dann ist alles wieder gut. Vor einer Woche sollte in einer nächtlichen Krisensitzung der parteiinterne Streit in Sachen Gesamtschule und Vermögenssteuern beigelegt werden.

Eines hat das Treffen bewirkt: Die Landesparteiobleute halten sich vorerst zurück, keiner schießt mehr öffentlich gegen die Bundespartei oder Spindelegger. Vertraute von ihnen rebellieren aber weiter. So befindet der steirische Klubchef Christopher Drexler im Samstag-KURIER: „Michael Spindelegger steht für Enge.“ Am Montag wollen die steirischen Wirtschaftsbündler öffentlich erklären, was ihnen am Koalitionspakt missfällt.

Zweckbündnis für Klientelpolitik

Die Volkspartei auf Schleuderkurs
Was ist los bei den Schwarzen? Warum sind sie derart auf Schleuderkurs? Und wie kommen sie wieder in Fahrt?

Drexler hat die Schuldigen ausgemacht – die Oberen in Wien. Die Bundes-ÖVP wirke wie ein „Zweckbündnis von Fachorganisationen für Klientelpolitik“. Wie moderne bürgerliche Politik sein müsse, damit sie Wahlerfolge bringe, könnten Spindelegger & Co nicht sagen.

Der Bundesobmann als Partei-Totengräber? Das ist die eine, die simple Lesart. Vielen in der ÖVP greift sie zu kurz. Für Hannes Rauch, den früheren Generalsekretär, braucht die ÖVP zweierlei, um auf Touren zu kommen: „Man sollte das Parteiprogramm aus dem Jahr 1995 von Josef Riegler – mit öko-sozialer Marktwirtschaft und Nachhaltigkeit – als Basis nehmen, es in die heutige Zeit transformieren. Dann wären wir inhaltlich hochmodern.“ Zudem müsse mehr geredet werden: „Es braucht interne Diskussionskultur, den Mut, im Parteivorstand wieder intensiver über Inhalte zu debattieren.“

Heidi Glück, einst Wolfgang Schüssels Sprecherin, nun PR-Beraterin, meint ebenfalls, Spindelegger habe viel mehr zu kommunizieren: „Er muss die Länderchefs mehr in Entscheidungen einbinden. Dann hat er auch Rückendeckung.“

Bünde- und Länder-Vertreter hätten ebenfalls umzudenken, sagt Rauch: „Das Gesamtinteresse muss über dem Detailinteresse stehen.“ Eine „innerparteiliche Sozialpartnerschaft“ sei vonnöten.

Ideologische Scheuklappen

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Eine Frau der Basis drängt auf etwas, das Spindelegger nicht gerne hören wird. „Themen, die den Menschen unter den Nägeln brennen, müssen ohne ideologische Scheuklappen diskutiert werden. Dazu gehört insbesondere die Bildung“, sagt Veronika Mickel, Bezirksvorsteherin in der Wiener Josefstadt. Obwohl die ÖVP in der Bundeshauptstadt chronisch schwächelt, ist es ihr gelungen, diesen Polit-Posten von den Grünen zurückzuholen. Was rät Mickel den Parteioberen dort wie da? „Wir müssen unsere Politik entschleunigen.“ Was meint sie, die Spindeleggers Vorgänger Josef Pröll einst half, der Partei neue Perspektiven zu geben, damit? „Wir sollten nicht auf kurzfristige, tagesaktuelle Erfolge schielen, sondern längerfristig denken.“ Habe sich die ÖVP für eine Position entschieden, müsse diese auch durchgehalten werden. Das sei nicht immer populär. „Aber die Wähler wollen Verlässlichkeit.“

Und wie sind die aufmüpfigen Parteifreunde zu befrieden? Polit-Expertin Glück empfiehlt eine „Stimmungstour, damit die Partei wieder geschlossen auftritt und in den Umfragen nicht ins Bodenlose fällt“.

Zudem müsse die Partei für die EU-Wahl im Mai mobilisieren. Nicht klug wäre von Spindeleggers Kritikern, nicht kräftig wahlzukämpfen – in der Hoffnung, dass sie den Obmann bei einer Niederlage los sind: „Eine solche hätte nicht nur er und der Spitzenkandidat zu verantworten, sondern die gesamte Partei. Machen sie die Wahl zu einem Denkzettel, schneiden sie sich ins eigene Fleisch.“

Für den einstigen Wiener ÖVP-Chef Bernhard Görg wurzelt „der permanente Streit in der Volkspartei“ in der „bürgerlichen Erziehung“: „Verlasse dich nur auf dich selbst; Du bist deines Glückes Schmied. Darum ist der Wert der Solidarität und Loyalität geringer in bürgerlichen Parteien.“ Nur durch Erfolg sei das zu kontrollieren: „Hat der Obmann keinen, kommt diese Erziehung zum Vorschein.“

Ein Obmann, „der nicht Kanzler ist, ist immer ein armer Teufel“, urteilt Görg im KURIER-Gespräch. ÖVP-Chefs seien „nach ihrem genetischen Code meist puritanisch (Ausnahme JosefPröll), der Österreicher ist eher hedonistisch. Daher tun sich ÖVP-Obmänner so schwer, über Wahlen Erster und damit Kanzler zu werden. Sie suggerieren immer, dass sich die Menschen ändern müssen. Die hören aber gerne, dass sie so, wie sie sind, richtig sind.“

Und die zwei Arten von Landesobmännern erleichterten dem Bundeschef das Polit-Leben auch nicht: „Jene zu Fuß und jene zu Pferd. Zu Pferd sind die, die auch Landeshauptmänner sind. Die spielen parteiintern in einer höheren Liga – selbst dann, wenn sie dies aufgrund des IQs nicht dürften. Landesobmänner, die nicht auch Landeshauptleute sind, gehen in der ÖVP zu Fuß.“

Wilfried Haslauer sei einer zu Fuß gewesen, nun – als Salzburger Landeshauptmann – sei er ein Landesobmann zu Pferde: „Das muss er jetzt auch zeigen.“ Der Steirer Hermann Schützenhöfer sei von einem Mann zu Pferd zu einem zu Fuß geworden: „Darum macht er Wirbel.“ Für Görg hat das „viel mit Befindlichkeiten und Eitelkeiten“ zu tun.

Spindelegger wiederum habe „aus einer Situation der Schwäche heraus“ seine Minister erkoren: „Er war mutig, weil er nicht auf die Bünde und Länder Rücksicht genommen hat. Jetzt bekommt er die Rechnung dafür – weil er eiserne Regeln auf den Kopf gestellt hat.“

Mit der Nominierung von Eugen Freund zum SPÖ-Spitzenkandidaten nimmt der EU-Wahlkampf Konturen an. Für die ÖVP wird ihr EU-Star Othmar Karas in die Wahl ziehen, für die FPÖ das Duo Andreas Mölzer/Harald Vilimsky, und bei den Grünen bewirbt sich erneut Ulrike Lunacek. Weiters fix im Rennen ist Ewald Stadler mit einer rechts-katholischen Unterstützer-Gruppe.

Hans Peter Martin hat noch nicht bekannt gegeben, ob er wieder antritt, und bei den Neos ist der mehrstufige Vorwahlprozess für den Spitzenkandidaten erst am 15. Februar abgeschlossen. Derzeit läuft die allgemeine Wahl, 52 Kandidaten sind noch im Rennen, 800 Bürger haben ihre Stimme gegen ein Entgelt von 10 Euro bereits abgegeben.

Obwohl noch nicht alle Kandidaturen feststehen, hat sich die Ausgangslage für den Wahlkampf vor allem durch den SPÖ-Spitzenkandidaten Eugen Freund geändert. Hatte die SPÖ zuvor ein Desaster befürchtet, ist mit Eugen Freund die Zuversicht gestiegen. Die SPÖ fürchtet nun nicht mehr, hinter die Blauen oder unter 20 Prozent abzustürzen. Im Gegenteil, sie hofft nun sogar, den ersten Platz zurückzuerobern.

Negativer Bundestrend

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Zwar hat die ÖVP einen Respektabstand von sechs Prozentpunkten vor der SPÖ, doch gehen viele Experten davon aus, dass die ÖVP dieses gute Ergebnis nicht wird halten können. Der Hauptgrund: 2009 befand sich die ÖVP mitJosef Pröllals Parteichef im Hoch. Sie lag damals bei der Nationalratswahlfrage bei 32 Prozent. Derzeit rutscht sie aufgrund verpfuschter Regierungsverhandlungen und innerparteilicher Turbulenzen in Richtung 20 Prozent ab. Noch deutlicher hat ihr ObmannMichael Spindeleggeran Vertrauen eingebüßt.

Es ist davon auszugehen, dass sich dieser negative Bundestrend bei der EU-Wahl bemerkbar machen wird. Schadensbegrenzung kann die ÖVP mit ihrem profilierten Spitzenkandidaten versuchen. Othmar Karas kann, so Meinungsforscher, die ÖVP vor einem Debakel bewahren und mit Glück vielleicht sogar Platz 1 retten.

Demzufolge plant Karas auch einen Persönlichkeitswahlkampf mit einem breit gefächerten Personenkomitee.

Eugen Freunds Aufgabe wird es sein, die SPÖ-Anhängerschaft – vor allem jene, die die EU für nicht besonders wichtig erachten – zum Wählen zu animieren.

Aussagekräftige Umfragen gibt es noch nicht, weil sich erst ein Viertel bis ein Drittel der Wähler gedanklich mit dem Thema beschäftigt hat.

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