"Die SPÖ war noch nie so weit weg von den Menschen"

Basis hinter Kanzler Werner Faymann fürchtet interne Parteispaltung
Funktionäre kritisieren die Führung – und fürchten, dass sich die einstige Großpartei in zwei Lager spalten könnte.

Von "Schicksalstagen in der SPÖ" spricht Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden – angesichts dessen, "dass wir in Umfragen schon auf Platz 3 liegen". Und es bei der Wahl im Burgenland und der Steiermark "einen Scherbenhaufen gegeben hat".

Tatsächlich ist die SPÖ außer Tritt: Dass Hans Niessl im Burgenland mit den Blauen koaliert und Franz Voves der ÖVP den steirischen Landeshauptmann-Posten übergeben hat, polarisiert ebenso wie der Umgang mit dem Asyl-Thema. Nicht nur ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner zweifelt an Werner Faymanns Kanzlerfähigkeit, auch Gesinnungsfreunde rufen ihn zum Rücktritt auf – etwa der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler. Der hat gar die "Gegenbewegung Kompass" etabliert, weil die SPÖ "orientierungslos herumtreibt – und einen Kurswechsel braucht". Schon 400 Rote – von Bürgermeistern bis zu einstigen Landesräten und Ministern – habe er angeheuert,sagt Babler dem KURIER.

Sorgenvoll

Der Kärntner SPÖ-Geschäftsführer Daniel Fellner ist zwar keiner der Kompass-Jünger, der Zustand der Partei missfällt ihm aber. "Ich mache mir Sorgen. Die SPÖ war noch nie so weit weg von den Menschen, auch von der Basis. Wir brauchen Leute, denen die Bürger vertrauen, die mit ihnen reden, zuhören", urteilt Fellner im KURIER-Gespräch. Anderes vermisst er ebenfalls: "Die SPÖ hat immer wieder Visionen gehabt, das waren 99 Prozent unserer Arbeit. Heute habe ich das Gefühl, dass wir großteils mit Verwaltung beschäftigt sind, damit, den Status quo zu halten."

Der Linzer SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger denkt ebenfalls wehmütig an vergangene Zeiten: "Früher hat die SPÖ es verstanden, den Schirm zwischen jenen, die mehr Freiheit wollen und jenen die mehr Schutz brauchen, zu spannen. Das gelingt uns nicht mehr so."

Fellners oberösterreichischem Pendant Peter Binder fehlt "eine Parteilinie, die es früher gegeben hat". So sei im Burgenland ein Pakt mit den Blauen okay, "in der Steiermark ist er das nicht, dort verzichtet man lieber auf den Landeshauptmann". Die Funktionäre seien "irritiert, verunsichert". Dem neuen Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid und Kommunikationschef Matthias Euler-Rolle müsse "rasch etwas einfallen, wie man das in den Griff bekommt".

Was regt Binder an? "Eine Mitglieder-Offensive, bei der darüber diskutiert wird, wie wir uns bei wichtigen Fragen positionieren: etwa beim Thema Asyl. Weiters: Wie halten wir es mit der FPÖ?" Ebenso sei "die Parteiprogramm-Diskussion ans Licht zu holen und ernster zu nehmen". Zudem sollte der Kanzler im Sommer "zu den Funktionären in die Länder kommen" (das wird dieser, siehe oben, tun).

Zwei Lager befürchtet

Faymann müsse "sich überlegen, wie es mit der Partei weitergehen soll", sagt Fellner. "Ich befürchte, dass es die Partei in zwei Lager zerreißen könnte. In Deutschland gibt es auch eine Linke und die SPD."

Diese Gefahr ortet auch der Linzer Bürgermeister Klaus Luger: "Ich sehe die Tendenz und das Potenzial, dass es zu einer Lagerbildung innerhalb der Partei kommt. Die Parteispitze hat die Verantwortung dafür, dass die Situation besser wird."

Für Salzburgs Stadtchef Schaden ist Landeshauptmann Niessl mitschuld an der Misere – durch seinen Bund mit den Blauen, "wider den Parteitagsbeschluss gegen eine Koalition mit der FPÖ auf allen Ebenen, bei dem die Burgenländer mitgestimmt haben". Auch dass Niessl "aus der Bildungsreformgruppe ausgestiegen ist, obwohl die Bildungsreform zu den zentralen Projekten der SPÖ gehört", beklagt Schaden: "Er hat damit den Kanzler und die Unterrichtsministerin im Regen stehen lassen. So geht man miteinander nicht um." Bablers Initiative behagt Schaden hingegen: "Jeder, der der SPÖ Frischzellen zuführt, ist willkommen."

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