Oberhauser: "Ich bin auch eine Quotenfrau"

Oberhauser: "Frauen sollten ihre Leistung gut verkaufen."
Die SPÖ-Politikerin verteidigt Quoten, hat kein Problem mit Kopftüchern – und dem Begriff Emanze.

KURIER: Frau Ministerin, Sie sind auch Ärztin. Wie lautet Ihre Diagnose? Wie geht es den Frauen in Österreich?

Sabine Oberhauser: Ich würde die Situation für Frauen in Österreich mit einer chronischen Krankheit vergleichen. Seit Johanna Dohnal haben schon viele Frauenministerinnen versucht, diese Krankheit zu heilen. Das ist nicht gelungen, es sind aber Verbesserungen eingetreten.

Was sind die Symptome dieser chronischen Krankheit?

Das stärkste Symptom ist sicherlich die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen. Dann gibt es etwa noch die Frage, wie unbezahlte Arbeit aufgeteilt ist – und die gläserne Decke.

Was könnte man tun, um die Gehaltsschere zu schließen?

Ein Mittel sind die Einkommensberichte (müssen Betriebe ab 150 Mitarbeitern erstellen; darin werden die durchschnittlichen Einkommen von Männern und Frauen in gleichen Verwendungsgruppen aufgelistet). Man muss die Betriebsräte aber noch besser im Umgang mit den Berichten schulen und die Lesbarkeit der Berichte verbessern. Derzeit sind viele Komponenten nicht drinnen, etwa Überstunden und Biennien. Man muss daher relativ viel nachfragen, um zu wissen, was den Unterschied bei den Gehältern ausmacht. Man sollte die Berichte auch bei Besprechungen zwischen Betriebsräten und Vorstand thematisieren. Frauen müssen aber auch ermutigt werden, etwas zu fordern. Sie sollten ihre Leistung gut verkaufen.

Sie sind für Frauenquoten, haben aber selbst ohne Quote Karriere gemacht.

Nein, ich bin auch eine Quotenfrau. Ich bin durch die Quote ÖGB-Vizepräsidentin geworden. In den staatsnahen Betrieben ist es auch schon gelungen, durch eine Quote mehr Frauen in Spitzenpositionen zu bringen. Das Ziel waren 35 Prozent Frauen in Aufsichtsräten bis 2018 zu erreichen. Wir sind derzeit schon bei 38 Prozent.

Die Grünen fordern eine 50-prozentige Frauenquote in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen. Sind Sie auch dafür?Wie viel Einfluss hat die Politik auf börsennotierte Unternehmen? Ich glaube, man muss bei Bereichen, wo man Einflussmöglichkeiten hat, mit gutem Beispiel vorangehen und Frauenpolitik so vorantreiben, dass es unattraktiv ist, keine Frauen in höheren Positionen zu haben. Internationale Studien zeigen ja, dass Firmen mit gemischten Vorständen besser performen als jene mit reinen Männer-Vorständen. Man muss Frauen aber auch ermutigen, sich zu bewerben.

Zur Familienpolitik: Im Regierungsprogramm steht, ein Ziel ist die Elternteilzeit von sieben auf fünf Jahre zu verringern. Ist das auch Ihr Ziel?

Nein, das ist mir kein Anliegen, weil ich weiß, dass Kinderbetreuung noch nicht so funktioniert, wie wir das gerne hätten.

Verstehen Sie, dass es vielen Müttern schwerfällt, ein Kind acht bis zehn Stunden in Fremdbetreuung zu geben?

Ja, klar verstehe ich das. Ich verstehe auch, wenn Frauen sagen: "Ich will jetzt einmal zu Hause bleiben oder Teilzeit arbeiten." Es muss den Frauen nur klar sein, dass sie, was die Pension betrifft, durch die lebenslange Durchrechnung, Nachteile haben. Da muss Aufklärung betrieben werden. Aufgabe der Politik ist es auch, Bedingungen zu schaffen, damit es Frauen leichter fällt, Kinder in Fremdbetreuung zu geben. Für mich ist Frankreich ein Vorbild, wo das Wort Rabenmutter nicht vorkommt und ganztägige Betreuungsformen ganz normal sind.

Ex-Frauenministerin Helga Konrad hat "Ganze Männer machen halbe-halbe" gepredigt. Wie funktioniert das bei Ihnen zu Hause? Gibt es da halbe-halbe?

Beim Kochen steht es bei uns 100:0, mein Mann kocht. Beim Zusammenräumen steht es 70:30. Und sonst haben wir ein flexibles 50:50.

Ihr Mann macht also mehr?

Ja, weil er mehr zu Hause ist als ich, seit ich Politikerin bin.

Bezeichnen Sie sich selbst als Feministin? Und wie geht es Ihnen damit, wenn Frauen als Emanzen tituliert werden?

Ich sehe mich im Prinzip als Feministin. Bei Emanze muss man überlegen, warum der Begriff so negativ besetzt ist. Eigentlich ist auch Emanze ok, es kommt von emanzipiert – und ich bin emanzipiert.

Als Vorkämpferin in der Frauenpolitik gilt Johanna Dohnal. Ist sie ein Vorbild für Sie?

Sie ist natürlich ein Vorbild, aber ein unerreichbares. Denn sie ist ohne Rücksicht auf sich selbst für Frauenrechte eingetreten und wurde dafür fertiggemacht. Ich glaube, ich hätte nicht die Kraft, so mit mir umgehen zu lassen.

Ein polarisierendes Thema sind Kopftuch und Ganzkörperverschleierung. Wie geht es der Frauenministerin, wenn Sie Frauen mit Kopftuch oder mit Burka oder Niqab sieht?

Bei Frauen mit Kopftuch geht es mir gut. Da habe ich kein Problem, weil mich ja auch Nonnen und Bäuerinnen mit Kopftuch nicht stören. Bei Frauen mit Burka und Ganzkörperverschleierung habe ich ein sehr zwiespältiges Gefühl. Das gefällt mir gar nicht. Andererseits weiß ich, dass – wenn man es verbieten würde –, die Frauen wahrscheinlich nicht ans Tageslicht kämen und in ihren Wohnungen bleiben müssten.

Der Wiener Polizeipräsident hat nach den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln gemeint hat, Frauen sollten in Wien nachts nicht alleine unterwegs sein. Sehen Sie das auch so?

Nein, die Stadt gehört uns, also den Menschen, die hier leben. Es ist die Aufgabe der Verantwortlichen für die öffentliche Sicherheit, dafür zu sorgen, dass Frauen in Wien weiterhin allein auf die Straße gehen können.

Karriere

Oberhauser ist Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde und hat auch eine Ausbildung zur Spitalsmanagerin absolviert. Ab 1998 engagierte sich die Wienerin in der Gewerkschaft, 2009 wurde sie Vizepräsidentin des ÖGB. 2008 bis 2014 saß sie im Nationalrat, seit 2014 ist die 53-Jährige Gesundheitsministerin, ab 1. Juli auch Frauenministerin.

Privat

Die Mutter zweier erwachsener Töchter (28 und 25 Jahre) ist mit einem Arzt verheiratet, seit Kurzem ist sie auch Großmutter. Im Februar 2015 machte Sabine Oberhauser ihre Krebserkrankung publik, von der sie sich mittlerweile aber gut erholt hat. Die Hundeliebhaberin postet auf Facebook gerne Bilder von ihren morgendlichen Spaziergängen.

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