Und ewig lockt die Hofburg

Hohes Prestige, wenig Macht, viel Publicity.
Entscheidungen der Kandidaten verschieben sich zunehmend Richtung Jänner.

Die Entscheidungen, wer im Frühjahr für das höchste Staatsamt kandidiert, verschieben sich zunehmend in den Jänner hinein.

Derzeit gilt die gesamte Aufmerksamkeit dem Terror in Europa und seinen Folgen.

Und dann brechen hoffentlich friedlichere Wochen an. Während der Weihnachtszeit hält sich das Interesse an Politik sowieso in Grenzen.

Also werden die Parteien mit der Bundespräsidentenwahl ins Neue Jahr starten.

SPÖ-Chef Werner Faymann hatte am 20. Oktober nach dem Ministerrat angekündigt, dass die SPÖ ihre Präsidentschaftsentscheidung Anfang Dezember treffen werde. "Das wird verschoben", gibt SPÖ-Sprecher Matthias Euler-Rolle im KURIER bekannt. Die für 30. November geplante SPÖ-Vorstands-Sitzung entfällt wegen einer Dienstreise Faymanns nach Paris. Dies nahm die SPÖ zum Anlass, den ursprünglichen Zeitplan nochmals zu überdenken, sagt Euler-Rolle. Nun wird der Hofburg-Beschluss in der SPÖ-Vorstands-Sitzung am 15. Jänner 2016 fallen.

In der ÖVP hätte Parteichef Reinhold Mitterlehner gern noch im November gewusst, ob Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll kandidieren wird. Doch Pröll lässt sich Zeit. Vor dem Jahreswechsel ist kaum mit einer Entscheidung zu rechnen.

Ähnlich wie Mitterlehner ergeht es Grünen-Chefin Eva Glawischnig. Ihr Wunschkandidat Alexander Van der Bellen hat sich ebenfalls noch nicht entschieden. Und auch Van der Bellen übereilt nichts. "Seine Entscheidung wird er wahrscheinlich nicht mehr heuer bekannt geben", sagte Glawischnig im Samstag-KURIER.

Die einzige Hofburg-Aspirantin, die aufs Tempo drückt, ist Irmgard Griss. Der Grund liegt auf der Hand: Die Richterin hat keine Partei hinter sich, die ihr organisatorisch und finanziell beisteht. Daher dauert alles länger.

Aus der FPÖ verlautete zuletzt, sie wolle mit ihrer Entscheidung auf die anderen Parteien warten. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache lässt bislang offen, ob seine Partei Griss unterstützt oder einen Parteikandidaten wie beispielsweise Rechnungshof-Präsidenten Josef Moser aufstellt.

Als dramaturgischer Ablauf zeichnet sich ab: Mit dem Neuen Jahr werden die Personalentscheidungen bekannt gegeben. Dann geht der Wahlkampf los. Die offizielle Amtsübergabe ist Anfang Juli 2016. 1992 hat Thomas Klestil Kurt Waldheim offiziell am 8. Juli abgelöst. 2004 wurde Heinz Fischer ebenfalls am 8. Juli, drei Tage nach Klestils Tod, angelobt. Weil jedoch Zeit für einen etwaigen zweiten Wahlgang vorzusehen ist, findet der erste Durchgang lange vor dem Angelobungstermin statt. Seit 1992 wurden alle ersten Wahlgänge der Bundespräsidentenwahl bereits im April durchgeführt. Wenn im ersten Wahlgang ein Kandidat 50 Prozent plus eine Stimme bekommt, entfällt der zweite Wahlgang.

Diesmal rechnen alle Beobachter mit zwei Wahlgängen, weil sich aus derzeitiger Sicht mehrere starke Kandidaten abzeichnen.

In der SPÖ und in der ÖVP ist die Situation ähnlich. Es gibt einen Politiker, der sich entscheiden kann, ob er kandidieren will oder nicht. Wenn er ja sagt, hat er die Unterstützung seiner Partei.

ÖVP-Chef Mitterlehner hat es zuletzt im KURIER so ausgedrückt: "Erwin Pröll wäre in der derzeitigen Phase des Gefühls der allgemeinen Unsicherheit einer, der Leadership zeigt und Sicherheit vermittelt."

Doch Pröll zögert. Nicht aus Sorge vor einer Niederlage, wie vielfach spekuliert wird. Sondern weil er an Trennungsschmerz von Niederösterreich leidet. Dort ist er seit 23 Jahren Landeshauptmann, regiert mit absoluter Mehrheit und fast grenzenlosem Gestaltungsspielraum. In der Hofburg ist zwar das Prestige hoch, aber die Macht steht zum Großteil nur auf dem Papier. Das Recht, den Kanzler oder die gesamte Regierung zu entlassen, sind Notfall-Paragrafen der Verfassung – die in der Realität, zum Glück, keine Anwendung finden. Pröll wäre das Bundespräsidenten-Modell "starker Mann" – aber inwieweit könnte er das in der Hofburg verwirklichen?

In der SPÖ hat Sozialminister Rudolf Hundstorfer ein Freifahrtsticket. Wenn er kandidieren will, wird er unterstützt. Anders als in der ÖVP, wo Pröll als Sieger-Kandidat gilt, gibt es in der SPÖ die Sorge, mit Hundstorfer unterzugehen – insbesondere im Fall, dass Van der Bellen antritt und im linken Spektrum die Stimmen abräumt. Van der Bellen hält das Amt des Bundespräsidenten zwar mit seiner Auffassung von persönlicher Freiheit für inkompatibel, aber Glawischnig äußert sich dennoch "sehr zuversichtlich, dass er antritt".

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