"Das ist ein Signal, aber kein Befreiungsschlag"

"Das ist ein Signal, aber kein Befreiungsschlag"
Das Diktat der leeren Kassen erzwingt eine Mini-Steuerentlastung – um nur fünf Milliarden Euro. Auch dieser Betrag muss erst erarbeitet werden.

Nein, es geht kein Ruck durchs Land. Die Ankündigung einer Steuerentlastung um fünf Milliarden Euro (mehr dazu hier), vermutlich ab dem Jahr 2016, ist keine Überraschung und auch vom Volumen her dem Sparzwang nach dem Hypo-Desaster geschuldet.

Trickreich ist der Konjunkturvorbehalt, unter den die Regierung ihr Vorhaben stellt. Soll heißen: Tritt bald ein Wunder ein, könnte das Steuerreform-Volumen sogar etwas höher ausfallen, eine kleine Entlastung vielleicht schon früher kommen. Bitter nötig wäre sie allemal.

"Das ist ein Signal, aber kein Befreiungsschlag"
APA9423884-2 - 12092012 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT WI - PK WKÖ - Fachverband Maschinen- und Metallwarenindustrie (FMMI) am Mittwoch, 12. September 2012, im Presseclub Concordia in Wien. Im Bild: Ulrich Schuh (Chef des industrienahen Forschungsinstituts EcoAustria). APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
Höchst wahrscheinlich ist freilich das exakte Gegenteil: Weit und breit ist keine Erholung der Wirtschaft in Sicht, die Prognosen sinken, die Krisen rundherum verschärfen sich. Daher wäre ja jeder Euro wichtig, den sich der Staat in seiner aufgeblähten Verwaltung und bei Doppel- und Dreifachförderungen erspart und als Entlastung an Bürger und Betriebe weitergibt.

So aber hält Wirtschaftsexperte Ulrich Schuh, er leitet das Institut EcoAustria, momentan nur einen Schluss für zulässig: "Fünf Milliarden ist nicht das Volumen für eine große Reform. Das ist gerade einmal die Entschädigung für die kalte Progression seit der letzten Steuersenkung 2009/2010. Da kann man sich wirklich keine großen Sprünge erwarten", sagt er zum KURIER.

"Das ist ein Signal, aber kein Befreiungsschlag"
APA16146466 - 19122013 - WIEN - ÖSTERREICH: IHS-Chef Christian Keuschnigg am Donnerstag, 19. Dezember 2013, anl. der PK des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo) und des Institutes für Höhere Studien (IHS) zum Thema "Konjunkturprognose 2014 und 2015 (Winterprognose)" in Wien. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER
Diplomatischer formuliert Ökonom Christian Keuschnigg, Professor in St. Gallen und Leiter des Instituts für Höhere Studien in Wien. Er sagt im KURIER-Gespräch: "Das ist ein Signal, aber kein Befreiungsschlag."

Für das "Signal" hält Keuschnigg die Fixierung des Entlastungsvolumens und den zeitlichen Fahrplan. Mit fehlendem "Befreiungsschlag" meint der Wirtschaftsforscher das geringe Volumen von fünf Milliarden. Keuschnigg: "Wir haben jetzt eine Steuer- und Abgabenbelastung von mehr als 45 Prozent. Mit dieser Tarifsenkung kommen wir vielleicht auf 44 Prozent. Das ist immer noch überdurchschnittlich hoch."

Offen ist die nicht ganz unerhebliche Frage der Gegenfinanzierung, denkbar ist viel: nur Sparen und keine neuen Steuern; hauptsächlich Sparen, aber auch höhere, schon existierende Steuern (Beispiel: Grundsteuer) oder ein Mix aus allem bis hin zur Millionärsabgabe.

Versprechen

Der neue Finanzminister Hans Jörg Schelling verspricht wie alle seine Vorgänger, dass er sich das Steuerreform-Volumen ausschließlich durch Einsparungen und nicht durch neue/höhere Steuern erarbeiten wird. Gehalten wurde dieses Versprechen noch nie.

Doch fünf Milliarden Euro liegen nirgends einfach so herum. Auch vier Milliarden Euro sind derzeit nirgendwo in Sicht. Die Budgets 2014/’15 gehen sich gerade so aus, ohne von Brüssel ein neues Defizitverfahren aufgebrummt zu bekommen.

Kräftige Einschnitte und mehr als einzelne, kleine Verwaltungsreform-Projekte müssen also her. Das geht nur mit Mut und Entschlossenheit in den großen Ausgabenbereichen wie beispielsweise den Pensionen. Aber solch heikle Fragen wurden bei der Wohlfühl-Klausur in Schladming ausgeklammert. Schließlich galt es, ein neues, richtig motiviertes Regierungsteam zu präsentieren. Da stört zu viel Inhalt.

Die Regierung, das sei „eine Mannschaft, ein Team“, hob der SPÖ-Bundeskanzler am Samstag, am Ende der ersten Klausur in neuer Formation, hervor. Werner Faymann lobte die gute Atmosphäre, die in Schladming geherrscht habe. ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, der in seiner Polit-Karriere schon bei acht derartigen Treffen dabei gewesen ist, meinte gar, „noch nie“ habe es eine „so positive Stimmung gegeben“.

Ganz so friktionsfrei, wie es nach außen hin dargestellt wurde, dürfte es hinter den Kulissen nicht abgelaufen sein – auch wenn der Kompromiss, was das Volumen der Steuerreform betrifft, das gar nicht vermuten lässt: SPÖ und ÖVP einigten sich auf fünf Milliarden Euro. Damit können beide Seiten gut leben. Die Schwarzen hatten ursprünglich ja für vier bis fünf Milliarden plädiert, die Roten für bis zu sechs Milliarden, was auch der ÖGB will.

In den Reihen der SPÖ hieß es, Finanzminister Hans Jörg Schelling habe anfangs gar keine fixe Zahl für die Entlastung nennen wollen. In der ÖVP wurde gekontert, das stimme nicht. Die Roten hätten sechs Milliarden gefordert, das sei unfinanzierbar. Am Ende einigte man sich darauf, dass noch geprüft, ob „ein höheres Entlastungsvolumen möglich ist“. Die SPÖ sieht darin die Chance, doch noch die sechs Milliarden zu erreichen.

„Das ist ein ambitioniertes Ziel.“

Damit hofft Faymann seine Gewerkschafter zufriedenzustellen – sie sollen ihn ja beim Parteitag im November wieder wählen. Schelling ließ freilich durchblicken, dass es schon schwierig genug sei, die fünf Milliarden zu finanzieren: „Das ist ein ambitioniertes Ziel.“

Was kann die Politik mit dieser Summe nun bewirken? Ein Großteil davon wird allein in die Tarifsenkung fließen, sagt Schelling. Der Eingangssteuersatz soll ja „in Richtung 25 Prozent“ gesenkt werden. Mit dem Rest will die Politik Impulse für Wachstum und Beschäftigung setzen.

Ab wann die Bürger mehr Geld im Börsel haben werden, ist noch offen. Fixiert wurde nur, dass das Steuerreform-Konzept am 17. März im Ministerrat beschlossen werden und im Juni der Sanktus im Parlament erfolgen soll.

Schelling nannte im ORF-Radio den 1. Jänner 2016 als Zieldatum für die Entlastung – mit maximal zwei weiteren Etappen bis 2018.

Das erzürnte die Roten. Schließlich pochen ÖGB und AK auf eine rasche Steuersenkung, beginnend 2015. Faymann will daher unbedingt, dass schon im kommenden Jahr etwas gelingt.

Wie es gelingen soll, das zu finanzieren, blieb auch offen. Schelling will das Geld weiterhin „ausgabenseitig heben“ (Kürzung von Förderungen, Verwaltungsreform etc.). Die SPÖ will bekanntlich einen Teil über Vermögenssteuern aufbringen. Die Frage nach der Gegenfinanzierung wurde am Samstag aber ausgespart, damit muss sich nun eine neu zu gründende SteuerreforArbeitsgruppe befassen.

Thema Bildung

Die Koalitionäre haben sich stattdessen noch dem Thema Bildung gewidmet. Es wurde ein Sechs-Punkte-Programm beschlossen, das teils aber noch unkonkret ist. Einige Vorhaben daraus sind:

Schulstart neu Kindergärten und Volksschulen sollen enger kooperieren, um den Kindern den Wechsel in die Schule zu erleichtern. An 35 Standorten wird das erprobt, ab dem Schuljahr 2016/17 soll das Projekt in ganz Österreich laufen.

Sprachförderung Kinder, die Probleme mit der Sprache haben, sollen zu Intensivkursen verpflichtet werden.

Schulautonomie Das 50-Minuten-System soll gelockert werden – durch die Möglichkeit, Stunden zu blocken und Pausen flexibel zu gestalten. Außerdem sollen Schulen mehr Mitsprache bei der Personalauswahl bekommen.

Mehr Bewegung An Ganztagsschulen und in Horten soll die „tägliche Bewegungseinheit“ realisiert werden.

Beweglich präsentiert sich auch ÖVP-Chef Mitterlehner. Er signalisiert – im Gegensatz zu seinem Vorgänger Michael Spindelegger –, über alle Schul-Fragen offen diskutieren zu wollen. Das nimmt Spannung aus der Debatte – und sorgt tatsächlich für eine ganz gute Atmosphäre.

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