Crash-Kurs in Österreich-Kunde

Männer unter sich: „Was trage ich zu meiner Integration bei?"
AMS-Kurse für Flüchtlinge: Beim Start herrscht Geschlechtertrennung. Am Ende sollen die Flüchtlinge reif zur Integration sein.

Was können die, die da kommen? Und was sollten sie wissen, wenn sie bleiben?

In einem Pilotprojekt hat das AMS Wien im Sommer "Kompetenzchecks" gestartet, bei denen einerseits Qualifikationen und Fähigkeiten von anerkannten Flüchtlingen verifiziert werden und die Asylberechtigten andererseits einen Crashkurs in Sachen Österreich erhalten.

In kleinen Gruppen werden sie – in ihrer jeweiligen Muttersprache – über Österreichs Geschichte und Geografie unterrichtet; sie erfahren, dass Österreich eine Demokratie ist und es freie Wahlen gibt; es gibt Einführung ins hierzulande übliche gesellschaftliche Miteinander.

Dazu zählt beispielsweise auch der Hinweis: "Ihr erster Chef kann auch eine Chefin sein", wie Christian Lang, Miteigentümer vom Bildungsnetzwerk Murad & Murad im Gespräch mit dem KURIER sagt. Ganz grundsätzlich, sagt Gründerin Andrea Murad, "geht es um die Frage: Was trägt Österreich zu meiner Integration bei – und was trage ich selbst bei?"

Die Männer, die die Kurse bei Murad & Murad besuchen, sind zwischen 19 und 45 Jahre alt, zwischen sechs und 36 Monaten in Österreich und haben mindestens schon einen Deutschkurs absolviert. Sie alle wollen arbeiten, drei Viertel, sagt Murad, haben studiert, eine Berufsausbildung oder Matura, der Rest hat in der Heimat zumindest Arbeitserfahrung gesammelt. Wie viele in sechs Monaten schon einen Job haben werden? 25 bis 30 Prozent, schätzt Murad.

Crash-Kurs in Österreich-Kunde
Bildunterschrift

Probe in der Praxis

Das häufigste Problem, neben der sprachlichen Hürde: Dass in den meisten Herkunftsländern die Ausbildungen nicht so stark formalisiert sind wie hierzulande, sprich: Viele haben etwas gelernt – aber keine offiziellen Zeugnisse als Beleg.

Bei Handwerkern lässt sich das oft ganz praktisch beheben: Wer etwa angibt, Schweißer zu sein, dem wird ein Schweißgerät in die Hand gedrückt – und je nachdem, was er damit macht, wird er entweder gleich als Schweißer vermittelt oder vom AMS noch in eine Nachschulung gesteckt.

Viele Teilnehmer, sagt Lang, würden gerne einen kleinen Betrieb starten. Im Kurs gibt es Bewerbungstraining und Einheiten mit einer Steuerberaterin; es wird erklärt, wie das heimische System funktioniert. Wer Österreich nicht kenne, sagt Lang, würde erst einmal erschrecken ob der hohen Sozialversicherungsabgaben. Bis er erfährt, dass er als Versicherter Anspruch auf medizinische Versorgung hat.

Warum die Kurse für Männer und Frauen getrennt gehalten werden? Eine "kulturelle Frage", heißt es – die sich nach dem Crash-Kurs in Sachen Österreich dann auch erledigt haben sollte.

Crash-Kurs in Österreich-Kunde
BFI, Kompetenz Check-Kurs, Asylwerber, Asylanten, Migranten

Frauen-Kurs: "Deutsch ist wie ein Zaun"

Acht Frauen, drei Nationalitäten, ein Wunsch: In Österreich zu arbeiten. Geld zu verdienen. Die Frauen zwischen 20 und 57 Jahren haben in ihren Heimatländern Ägypten, Syrien und dem Irak allesamt einen Ausbildung absolviert – allein das reicht nicht aus, um als asylberechtigte Mindestsicherungsbezieherin einen Job zu finden. Das Zertifikat der Landwirtschaftsstudentin ist im Irak verblieben, das Rechtswissen der Ägypterin in Wien kaum anwendbar, die jahrelange Erfahrung als Kindergärtnerin im Irak und die Pharmazieausbildung in Syrien kaum anrechenbar. „Es wird schwierig, aber wir werden etwas finden“, sagt Mishleen Niedermayr.
Seit 18 Jahren lebt die Syrerin in Österreich, seit zwei Wochen unterrichtet sie am Berufsförderungsinstitut zwei Mal pro Woche ihren neuen Kurs. Niedermayr weiß, wovon sie spricht. Und das in drei Sprachen abwechselnd. Arabisch, Englisch und vor allem Deutsch. „Sie müssen Deutsch üben. Überall und immer.“ Zu Hause wird vornehmlich arabisch gesprochen, im Fernsehen gehört, für die Familie gekocht. Die älteste Teilnehmerin würde gerne einen zweiten Deutsch-Kurs machen, doch der wird nicht gewährt. Einfacher hat es die zweifache Mutter aus Ägypten, deren Kinder ihr von „neuen Worten“ erzählen wie „unfair“ oder „gemein“. Was ist gemein? „Die deutsche Sprache“, sagt eine – alle lachen. „Deutsch ist wie ein Zaun.“

Unfreiwillig Doppeldeutigem folgt von Trainerin Niedermayr die Ausdeutung. Nicht genug, dass von links nach rechts schreiben gelernt werden muss, steht das Verb – diametral zur Muttersprache – am Ende. „Es wäre schön, wenn große Firmen Frauen Freiwilligenarbeit geben würden, damit sie Deutsch lernen und zeigen, was sie können.“ Alle acht nicken.

Einzelcoachings

Doch die Realität sieht anders aus und der Kurs einiges vor: Ohne Deutschkenntnisse kein Job und keine Chance, die angegebenen Qualifikationen via Zertifikaten verifizieren und rasch anerkennen zu lassen. Fragebögen und Einzelcoachings sollen helfen, die künftigen Möglichkeiten auszuloten. In fünf Wochen à zehn Stunden lernen die Frauen die Rechte und Pflichten am Arbeitsmarkt, schreiben Bewerbungen und üben Telefon- und Bewerbungsgespräche.

Läuft es nach Wunsch, soll die Pharmaziestudentin eine Lehre zur pharmazeutisch-kaufmännische Assistentinnen machen, die Kindergärtnerin in einem Privatkindergarten und die Juristin in einer Firma, die ihre Fähigkeiten braucht, unterkommen. Bis dahin muss der sprachliche Zaun abgebaut werden. Das wissen und wollen die Frauen. Weil „es schön ist, selbst Geld zu verdienen“, sagt die zweifache Mutter.

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