Xi Jinping, Chinas neuer Kaiser

Xi Jinping, Chinas neuer Kaiser
Seit Mao hatte kein chinesischer Führer mehr Macht als Xi Jingping. Der gibt sich volksnah und bleibt doch unfassbar. Sicher ist nur: Politische Konkurrenten weichen besser aus.

Plötzlich stand der Fremde in der Eingangstür ihrer ärmlichen chinesischen Bauernhütte. Shi Pazhuan hatte den großen Mann im Anzug, um den eine hektische Schar lokaler Parteifunktionäre herumwuselte, noch nie gesehen. "Wie darf ich Sie anreden?", fragte sie schüchtern – worauf einer aus der Gruppe keifte: "Das ist doch der Generalsekretär!"

Niemand geringerer als Staats- und Parteichef Xi Jinping war in eines der bitterarmen Dörfer der Provinz Henan hereingeschneit. Dass der mächtigste Mann Chinas dort nicht erkannt wurde, geriet aber nicht zur Blamage, sondern zu einem Image-CoupXi Jinpings. "Du bist meine ältere Schwester", sagte der 61-Jährige zur greisen Bäuerin und versprach ihr, im ganzen Land die Armut zu bekämpfen. Die Bilder von einem offenbar wohlmeinenden, volksnahen und warmherzigen Staatschef gingen um die Welt.

Händchen halten

Solche Szenen wären von früheren chinesischen Staatschefs undenkbar gewesen: Xi, wie er mit seiner glamourösen Ehefrau Händchen hält; wie er in einem gewöhnlichen Restaurant isst; die Tochter auf dem Fahrrad kutschiert, mit verschränkten Beinen auf dem Boden einer Bauernhütte sitzt.

Schnappschüsse sind das nicht, sondern sorgsamste Inszenierungen. Seit Xi Staatschef wurde, feilt ein großes Presseteam rund um den mächtigsten Mann des Landes penibel an dessen Image. Die Botschaft: China wird nicht von einer gesichtslosen kommunistischen Partei regiert, sondern von einem fürsorglichen, mitfühlenden "Mann des Volkes". "Xi Dada" – "Onkel Xi" wird er manchmal sogar schon in den offiziellen chinesischen Medien genannt.

Seit zwei Jahren an der Macht ist Xi Jingping heute in der Bevölkerung populärer als jeder Führer seit Mao. Ein Präsident zum Anfassen ist der 1,80 Meter große Pekinger trotzdem nicht. Wer Kritik wagt, wird mundtot gemacht. Bürgerrechtler, unbequeme Journalisten oder Blogger werden härter zensuriert und bestraft als in den vergangenen Jahren.

Xi Jinping, Chinas neuer Kaiser
This undated photo provided on Dec. 23, 2012, by China's Xinhua News Agency, shows Communist Party Leader Xi Jinping carries his daughter with a bicycle in Fuzhou, the capital of southeast China's Fujian Province. (Foto:Xinhua/AP/dapd) NO SALES
Als Armee-, Staats-, und Parteichef vereint der 61-jährige Xi absolute Macht in seinem Amt. Wer ihm dabei gefährlich wird, der droht bei Xis deklariertem "Krieg gegen die Korruption" unter die Räder zu kommen. Das musste schon sein ehemaliger parteiinterner Rivale Bo Xilai erfahren. Das erlebte auch der frühere Polizeiminister Zhou Yongkang, das höchstrangige und mächtigste Parteimitglied, das in China je wegen Korruption vor Gericht gestellt wurde. Beide Männer fanden sich im Gefängnis wieder, ebenso wie mindestens 80.000 andere Parteifunktionäre, die wegen Korruption verurteilt wurden. Weder "Fliegen noch Tiger" werde er verschonen, hatte Xi angekündigt – was ihm in der Bevölkerung enorme Popularität eintrug.

Doch das große Aufräumen trifft nicht alle gleich. So ist etwa von den zwei Milliarden Dollar, die Ex-Premier Wen Jiabao laut Recherchen der New York Times außer Landes geschafft haben soll, nie die Rede. Offen ist auch, wie Xis ältere, in Kanada lebende Schwester und deren Mann ein Vermögen von mehreren Hundert Millionen Dollar gemacht haben.

Xi Jinping selbst gilt als integer und nicht korrupt. "Geld ist ihm völlig egal", weiß ein Freund aus Jugendtagen über den heutigen Staatschef. Im Gegenteil sei der Vater einer erwachsenen Tochter, die derzeit in Harvard studiert, "angewidert" von Missbrauch und moralischem Sittenverfall diverser Parteifunktionäre.

Der Prinzling

Was der "Prinzling" Xi, Sohn eines Kampfgefährten von Mao und damit Nachkomme des roten Parteiadels, dagegen immer schon wusste: Er will nach oben, ganz oben. Wikileaks-Dokumente, die geheime Depeschen der US-Botschaft in Peking offen legten, schildern den neuen Steuermann von China als "außergewöhnlich ehrgeizig", "pragmatisch" und vom "ersten Tag an auf sein Ziel fokussiert".

Noch während sein kurzfristig in Ungnade gefallener Vater im Gefängnis saß, trat der junge Xi der Kommunistischen Partei bei. Frauengeschichten, Alkohol, schnöde Vergnügungen – das war nach den Schilderungen eines Studienkollegen nichts für den strebsamen jungen Mann. Der konzentrierte sich vielmehr auf seine Karriere: Zuerst beim Militär, dann als mehrfacher Gouverneur in der Provinz, als Bürgermeister und Parteichef von Schanghai. 2007, als er als Mitglied ins Allerheiligste der Macht, ins Politbüro, einzog, war der Weg frei. Ein Jahr später war Xi Jinping bereits Vizepräsident und damit designierter nächster Staatschef.

Mit der Selbstverständlichkeit, mit der sich der heute mächtigste Mann des Riesenreiches nach oben hantelte, vertritt Xi Jinping China auch nach außen. Geschäfte mit Peking – bitte, gerne. Kritik? – Eher nicht. "China exportiert weder Armut noch Revolutionen", sagte Xi einmal bei einem Staatsbesuch in Mexiko.

Und mit Blick in Richtung Westen fragte er: "Was wollt ihr eigentlich?"

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