So funktioniert Integration in Dänemark

So funktioniert Integration in Dänemark
Gemeinsam Kochen und Musizieren: In der Kleinstadt Dragør werden neu angekommene Flüchtlinge unterstützt.

Dänemark wird derzeit als Land wahrgenommen, das sich vor Fremden fürchtet und abschotten will. Die Kleinstadt Dragør, nahe Kopenhagen, wo sich ockergelb gestrichene Häuschen mit roten Ziegeldächern aneinanderreihen, zeigt, dass es auch anders geht: Bettina Fellov, Biologin und Umweltexpertin, koordiniert den Verein Venligboerne. Der Name bedeutet "freundliche Nachbarn". Als solche helfen die 136 Mitglieder den neu ankommenden Flüchtlingen dabei, eine Unterkunft zu finden oder Dänisch zu lernen. Und sie organisieren gemeinsames Kochen, Fahrrad fahren oder Bowlen.

"Herkunft spielt keine Rolle"

In Bettina Fellovs Auto findet sich so ziemlich alles, was Neuankömmlinge brauchen können: Bücher, Kleidung, Laptop. Auch Fahrräder transportiert sie des Öfteren. "Die öffentlichen Verkehrsmittel sind sehr teuer, die Räder sind hier ein wichtiges Transportmittel, um mobil zu sein." Neben den Vereinsmitgliedern gibt es etwa 260 freiwillige Helfer, die sie immer wieder unterstützen. Auch an diesem Tag. Über die Facebook-Gruppe des Vereins hat Bettina zu einem Treffen im Jugendhaus der Stadt eingeladen, um gemeinsam Suppe zu kochen, zu spielen und zu plaudern. Dabei sollen sich die alteingesessenen und die neuen Bewohner der Stadt kennen lernen. "Bei uns spielen Herkunft, Religion, Geschlecht und Alter keine Rolle, das versuchen wir den Menschen zu vermitteln", sagt Fellov. Und das hat bisher immer funktioniert.

So funktioniert Integration in Dänemark
Zehn Kilogramm Kartoffeln, zwei Säcke Zwiebeln und mehrere Stangen Lauch schleppt die zierliche Frau mit den braunen Locken ins Haus. Während im vorderen Bereich Jugendliche basteln und malen, bereiten im Wohnzimmer freiwillige Helfer alles fürs Kochen vor. Bretter, Messer und Töpfe stehen bereit. Zwei 21-jährige Mädchen aus Somalia sitzen noch etwas schüchtern auf einer Couch im Eck. Sie sind heute zum ersten Mal hier und hoffen, ein paar Menschen kennen zu lernen. Bettina Fellov setzt sich zu ihnen, fragt, wie es ihnen geht. Langsam trudeln Menschen verschiedenster Nationen ein. Manchen kennen einander, da sie aus demselben Land kommen oder in der gleichen Unterkunft wohnen. Andere wiederum sehen sich zum ersten Mal.

Der größte Wunsch

Der 15-jährige Amin aus Afghanistan überlegt nicht lange, schnappt sich ein Brett und schneidet Kartoffeln, der etwas ältere Perrik aus Ghana hilft ihm dabei. Die beiden unterhalten sich auf Englisch über afghanische und afrikanische Musik. Summen dabei Lieder.

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Maher, 30 Jahre, schmiert Smörrebröd. Der Syrer ist seit acht Monaten hier und spricht bereits sehr gut Dänisch und Englisch. Sein größter Wunsch ist es, in Dänemark sein Technik-Studium fortzusetzen. Und er möchte später am Flughafen arbeiten. Er zeigt auf die Anstecknadel an seiner Jacke – ein Flugzeug: "Mein Vater war Pilot, er starb vor fünf Jahren." Mehr will er darüber nicht erzählen. Fluchtgeschichten hört man an diesen Abend keine. Lieber wird über Chili con Carne-Rezepte und Justin Bieber gesprochen, Billard und Schach gespielt. Oder den neuen Bekanntschaften über Facebook eine Freundschaftsanfrage geschickt.
So funktioniert Integration in Dänemark
Sandra Lumetsberger, Reportage Dänemark
Erst als Kasai, ein junger Mann aus Eritrea, zur Gitarre greift und das dänische Lied "I en lille båd der gynger"(In einem kleinen Boot, das schwingt, Anm.)anstimmt, steht Mahar auf und sagt, dass das Lied ihn mit vielen hier im Raum verbindet: "Viele von uns sind mit einem Boot gekommen, es hat uns hierher gebracht und uns Hoffnung gegeben." Und die gibt der 30-jährige Syrer auch trotz seines befristeten Aufenthaltsstatus nicht auf. Er darf vorerst für fünf Jahre in Dänemark bleiben. Dann wird sein Status neu überprüft.

"Nicht alle Dänen gegen Flüchtlinge"

Dass die dänische Regierung durch ihre restriktive Asylpolitik ein fremdenfeindliches Bild von Dänemark schafft, finden viele Bettina und ihre Helfer enttäuschend. "Es sind nicht alle Dänen rechts oder gegen Flüchtlinge" – dieser Satz fällt an diesem Abend mehrmals. Allan, ein pensionierter Deutsch-Professor, ist gekommen, um sich selbst ein Bild zu machen. "Es wird in den Medien viel über Flüchtlinge geschrieben. Ich finde es wichtig, herzukommen und mit diesen Menschen persönlich zu sprechen." Nachsatz: "Und wenn ich jemandem helfen kann, warum nicht." Ähnlich denkt auch Liese, Pensionistin aus Dragør, die ursprünglich in der Schweiz arbeitete. Während des Essens setzt sie sich zu den Mädchen aus Somalia und fragt die beiden, ob sie zu ihrem wöchentlichen Strickkurs kommen wollen.

So funktioniert Integration in Dänemark
Gegen 21 Uhr verlassen die Letzten das Jugendhaus. Bettina Fellov ist müde, aber sehr zufrieden. "Es war ein guter Abend. Ich glaube, die Menschen hatten Spaß." Nachdem sie das Licht abgedreht, die Türe versperrt hat, gibt es noch eine letzte Aufgabe zu erledigen: Sie muss ein Fahrrad auf dem Träger ihres Autos montieren. Es wurde heute von einem Spender gebracht. Morgen will sie es seinem neuen Besitzer bringen. Ein wichtiges Geschenk von den Freundlichen für die neuen Nachbarn.
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Eurotours
Dieser Bericht entstand im Rahmen von "Eurotours 2015", einem Projekt des Bundespressedienstes im Bundeskanzleramt, finanziert aus Bundesmitteln.

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