Ausstiegs-Angebot für Islamisten

Mit Psychologen und Mentoren versucht die dänische Stadt Aarhus, religiöse Extremisten zu integrieren.

Omar Abdel Hamid El-Hussein war Däne. Kein Rückkehrer aus Syrien. Kein Schläfer. Sondern ein 22-jähriger Schulabbrecher aus schwierigen, familiären Verhältnissen, der kriminell wurde. Während seiner Haft wurde er radikalisiert. Im Februar tötete er bei einem Anschlag auf ein Kulturcafé und eine Synagoge in Kopenhagen zwei Menschen und verletzt weitere, bevor ihn die Polizei erschoss. Er war ein Radikaler, den niemand stoppte.

Ausstiegs-Angebot für Islamisten
Allan Arslev, Aarhus Polizei
Allan Aarslev kennt Männer wie Omar. Er ist Polizeikommissar in Aarhus, der zweitgrößten dänischen Stadt, und Mitgründer eines Programms zur Deradikalisierung. Gemeinsam mit Sozialarbeitern und Psychologen versucht er seit 2005, Menschen wieder in die Gesellschaft einzugliedern – von Rechtsextremen bis hin zu radikalen Muslimen. Vor allem jene, die sich dem IS anschließen, nach Syrien gehen und wieder zurückkehren. "Viele der Rückkehrer sind enttäuscht vom Krieg oder nach wie vor radikal – wir wollen verhindern, dass sie ins Bodenlose fallen und kriminell werden. Denn so werden sie gefährlich", erklärt Aarslev.

Seit Beginn des Krieges sind zirka 150 Personen aus Dänemark nach Syrien gegangen, berichtet das "International Centre for the Study of Radicalisation" in London. 44 davon stammen aus Aarhus. Allan Aarslev weiß, woher sie kommen. Es sind Mitglieder der Gruppe "Muslim Youth Center": Männer im Alter zwischen 15 und 25 Jahren, die meisten stammen aus Nordafrika oder dem Mittleren Osten. Ihr Treffpunkt: die Grimhøjvej-Moschee, ein Ziegelbau am Rande der Stadt, umgeben von grauen Wohnblöcken. "Viele der Mitglieder sind gut ausgebildet, sprechen sehr gut Dänisch. Dennoch fühlen sie sich von der Gesellschaft ausgeschlossen und suchen Zuflucht in der Religion. Sie bestärken einander, nach Syrien zu gehen", sagt der Kommissar. Er ist regelmäßig in Kontakt mit den Männern und dem Geschäftsführer der Moschee, sie treffen einander und führen Gespräche. Dennoch zog es einige Männer und Frauen aus Aarhus nach Syrien.

Wer zurückkehrt, wird von der Polizei zu einem Gespräch eingeladen. "Wir fragen sie, warum sie in Syrien waren, und was sie dort gemacht haben. Allerdings ist es sehr schwer, ihnen etwas nachzuweisen." Die Reise nach Syrien ist nicht strafbar, Facebook-Videos, auf denen sie mit Kalaschnikows posieren, sind ebenso kein Vergehen. Die einzige Möglichkeit, die dänische Behörden derzeit haben, ist, bestimmten Personen den Reisepass für ein Jahr zu entziehen. Und sie in dieser Zeit von ihren radikalen Tendenzen abzubringen.

Vertrauensaufbau

Häufig sind es die Eltern, die zu Allan Aarslev kommen und von ihren Kindern berichten - wenn diese beginnen sich zurückzuziehen oder wenn sie aus Syrien zurückkommen. "Die Zusammenarbeit mit Müttern und Vätern ist besonders wichtig. Sie erkennen, wenn sich ihr Kind verändert. Es hat aber viel Zeit gebraucht, damit sie uns vertrauen." Im sogenannten "Info-Haus", einer virtuellen Anlaufstelle, können sich Betroffene an Sozialarbeiter und Polizisten wenden. Diese treffen dann Maßnahmen: "Wir verändern nicht ihren Glauben oder ihre politische Einstellung, sondern sprechen – je nach Fall – mit ihren ehemaligen Lehrern, helfen ihnen zur Schule zu gehen oder Arbeit und Wohnung zu finden." Neben psychologischer Hilfe wird auch ein Mentor vermittelt, der mit ihnen Zeit verbringt oder sie zu Bewerbungsgesprächen begleitet.

Diese Strategie ist erfolgreich: Seit 2014 ist nur eine Person nach Syrien gegangen – für Aarslev eine erfreuliche Zahl. Dennoch wurde das Programm kritisiert – vor allem von der rechtspopulistischen Dansk Folkeparti. Bürgermeister Jacob Bundsgaard argumentiert, dass es im Sinne der dänischen Tradition von Offenheit und Dialog sein soll, mit diesen Menschen zu reden. Den Vorschlag mancher Politiker, Menschen schon für einen geplanten Syrien-Trip, einzusperren, hält Kommissar Aarslev für kontraproduktiv. "Was soll das bringen? Diese Männer und Frauen sitzen in Haft, sind kriminalisiert, obwohl sie nichts verbrochen haben, radikalisieren sich dann weiter, und wenn sie herauskommen, passiert etwas."

Wie im Fall von Omar: In der Haftanstalt in Kopenhagen war bekannt, dass er sich dem IS anschließen wollte. Das wusste auch der Geheimdienst. Auch seinen Hass auf Juden sprach er offen aus. Doch nichts geschah. Hier sieht der Kommissar das größere Problem für das Land. "Es sind junge Männer wie Omar, die in Dänemark aufgewachsen sind, familiäre Probleme haben, nicht zur Schule gehen, kriminell und arbeitslos werden." In den Gefängnissen gibt es bedingt Hilfe – und nur dann, wenn die Betroffenen zustimmen. "Omar hatte nichts zu verlieren, er war zu allem bereit. Wir wissen zwar, wie wir mit Rückkehrern umgehen, aber radikalisierte Jugendliche ohne Perspektive und Ausbildung sind schwieriger auf den richtigen Weg zurückzubringen."
Ausstiegs-Angebot für Islamisten
Eurotours
Dieser Bericht entstand im Rahmen von"Eurotours 2015", einem Projekt des Bundespressedienstes im Bundeskanzleramt, finanziert aus Bundesmitteln.

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