Vorbild Frankreich? Keine Dienstmails nach Dienstschluss

Feierabend am Seine-Ufer in Paris: Künftig soll kein Dienstmail auf Handy oder Tablet die verdiente Ruhe stören. Auch in anderen europäischen Ländern arbeiten Unternehmen an Mail-freien Ruhezeiten
In Frankreich sieht eine neue Regelung das Aus für Diensthandys in der Freizeit vor.

Achtzehn Uhr – und weg! Diensthandy, Laptop, eMail-Programm: All die elektronischen Begleiter dürfen, nein, sollen sogar nach Dienstschluss ausgeschaltet werden. So deklariert wird das in einer neuen Arbeitszeit-Regelung gefordert, die Frankreichs Sozialpartner soeben verabschiedet haben. Sie gilt vorerst für mehr als eine Million Arbeitnehmer, unter anderem in allen großen Hightech-Unternehmen wie Google, und wird schon jetzt als richtungsweisend für andere Branchen gehandelt.

Und das nicht nur in Frankreich. Auch in Deutschland bemühen sich große Konzerne darum, die durch elektronische Kommunikation verschwimmenden Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit neu zu regulieren. So hat BMW eine "Mobilarbeitszeit" eingeführt. Jedes Erledigen von eMails oder dienstlichen Handy-Telefonaten zu Hause wird als Arbeitszeit gerechnet. Diese kann der Arbeitnehmer als Überstunde geltend machen. Bei der deutschen Telekom untersagt eine Firmenrichtlinie Führungskräften, Mails an Mitarbeiter außerhalb der Arbeitszeit zu schreiben. Der Volkswagen-Konzern regelt die Sache technisch: Die Firmenserver spucken nach Ende der Arbeitszeit einfach keine eMails mehr aus.

Druck steigt

Wie drängend das Problem ist, zeigen Statistiken. In den USA drehen etwa nur noch zwei Prozent der Arbeitnehmer, die ein Diensthandy besitzen, dieses im Urlaub ab. Auch in Österreich, wie die Arbeiterkammer erhoben hat, arbeiten 34 Prozent der Beschäftigten in der Freizeit.

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Pressebild, honorarfrei
Ein Problem, das "gesellschaftliche Regelungen braucht", meint Jörg Flecker, Soziologe an der Uni-Wien: "Elektronische Kommunikation mag für einzelne Arbeitnehmer eine Erleichterung bedeuten. Im allgemeinen aber bedeutet es, dass Leute verstärkt unter Druck gesetzt werden und in Konkurrenz zueinander stehen."

Und das, betont auch Arbeitkammer-Experte Christoph Klein, belastet früher oder später auch ihre Gesundheit: "Nicht umsonst nehmen Krankenstände durch psychische Erkrankungen viel schneller zu als jene durch physische."

Nicht zuletzt sei das Ziel, die Menschen bis in ein höheres Alter arbeiten zu lassen, nur zu erreichen, wenn man sie nicht ins "Burn-out" treibe. Klar sei, so Flecker, "endlose Ausdehnung von Arbeitszeit macht krank."

Wenn Emails krank machen:

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Was ist Arbeitszeit, was daher Überstunden, und wie lässt sich die Grenze dazwischen besser ziehen? Auch in Österreich liegen die Meinungen der Sozialpartner in dieser heiklen Frage merklich weit auseinander. "Man kann in dieser Frage nicht alles regeln, sollte aber vernünftig damit umgehen", gibt sich etwa Rolf Gleißner, Sozialpolitik-Experte der österreichischen Wirtschaftskammer, skeptisch zu allzu strikten Regelungen von elektronischer Kommunikation: "Nicht jedes eMail, das ich zu Hause kurz checke, ist gleich Arbeit."

Man solle da als Arbeitnehmer nicht zu kleinlich sein, schließlich könne man im Gegenzug auch einmal in der Dienstzeit private Gespräche erledigen.

Es gebe allerdings Branchen, wie etwa die IT-Branche, wo die Arbeit von zu Hause verlässlich geregelt sein solle.

Derart individuelle Lösungen will man dagegen bei der Gewerkschaft nicht gelten lassen. Vor allem deshalb, weil die Angelegenheit eigentlich rechtlich sonnenklar sei, wie Karl Proyer von der Gewerkschaft der Privatangestellten betont:"Wenn ich das Handy abhebe, oder eine eMail beantworte, dann sind das ganz normale Überstunden – und die sind genau geregelt." Die Unternehmer, so Proyer, würden versuchen, "aus einer eindeutigen Rechtslage eine verschwommene Praxis zu machen".

Kein Arbeitnehmer müsse außerhalb dieser geregelten Zeiten sein Handy abnehmen oder ein eMail beantworten.

Auf kollektive Regelungen drängt auch die Arbeiterkammer. Das aktuelle französische Beispiel, so Sozialpolitik-Experte Christoph Klein, aber auch die Ansätze bei deutschen Konzernen zeige, "dass das sinnvoll ist. Österreich wird bald nachziehen müssen."

Bei der Gewerkschaft gibt man sich kämpferisch. Man rechne demnächst schon mit arbeitsrechtlichen Klagen von Arbeitnehmern, die ständig genötigt seien, auch abends für die Firma erreichbar zu sein, und stünde bereit, diese zu unterstützen.

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