"Politische Korrektheit bedroht Europa"

Tschechiens Vizekanzler Andre Babis über Flüchtlingskrise und Versagen der EU.

Der Unternehmer und Milliardär Andrej Babis ist seit zwei Jahren Tschechiens Vizepremier und Finanzminister. Seine Bewegung "ANO" liegt inzwischen in allen Umfragen an erster Stelle, Babis ist der populärste Politiker des Landes. In der Flüchtlingsfrage setzt Babis wie die meisten Spitzenpolitiker Ostmitteleuropas auf totale Blockade gegen Zuwanderung.

KURIER: Was halten sie vom EU-Abkommen mit der Türkei, ist das die Basis für eine europäische Lösung?

Andrej Babis:Europa wird auch in einem Jahr keine Lösung für die Krise finden, sicher nicht. Die Quoten sind Unsinn, das Konzept der EU-Kommission ist schlecht. Europa entscheidet grundsätzlich langsam, es gibt nur Erklärungen, aber die Taten sind das Problem.

Wo ist der grundlegende Fehler?Als Merkel die Flüchtlinge eingeladen hat, war das der erste fatale Fehler. Man sollte sich für diesen Fehler entschuldigen. Die Situation in den Ländern Europas ist völlig unterschiedlich, wir können nicht überall dieselbe Zuwanderungspolitik haben. Warum soll uns irgendjemand aus Brüssel vorschreiben, wie viele Migranten wir nehmen? Das kann man nicht vereinheitlichen.

Aber braucht Tschechien nicht auch junge Arbeitskräfte?

Wir haben hier Zehntausend Ukrainer, wir haben Vietnamesen, Slowaken. Man kann ja nicht diktieren, dass jeder, der kommt, eine Anstellung bekommt. Die Firmen heute haben eigene Probleme. Manche Regionen Europas sind voll mit Arbeitslosen, dort ist ein Drittel der Menschen arbeitslos, ein Drittel arbeitet schwarz. Ein Drittel der Leute könnte anderswo arbeiten, aber es gibt die Mobilität nicht, es gibt die Infrastruktur nicht.

Funktioniert die Integration der muslimischen Zuwanderer?

Die Politiker in Westeuropa haben gelogen, als sie sagten, dass die Migranten integriert sind, denn sie sind nicht integriert. In Orten wie Molenbeek, ein paar Kilometer von Brüssel entfernt, gibt es Zentren für die Scharia (das religiöse Recht der Moslems, Anm.), das ist absurd. Das ist ein größeres Problem als die akute Migrationskrise. Ich finde, wenn ich in einem fremden Land bin, muss ich mich an die dortigen Gewohnheiten anpassen. Ich sage das ganz pragmatisch. Europa muss den Schengenraum verteidigen, es muss den Kontinent verteidigen, es muss die Bewegungsfreiheit verteidigen, es muss sein ganzes politisches Projekt verteidigen.

Wie beurteilen Sie Österreichs Haltung in der Krise?

Ich war kürzlich in Linz und auch dort sagen die Leute, dass die Österreicher Probleme haben mit den Migranten. Sicher müssen wir solidarisch sein, aber wir können nicht für die ganze Welt bezahlen. Die Flüchtlinge wollen alle nach Deutschland. Ja, alle tschechischen Pensionisten würden eigentlich auch gerne nach Deutschland übersiedeln. Sechs Milliarden Menschen weltweit würden gerne nach Deutschland übersiedeln, aber das ist eben nicht möglich. Da sehen wir die Ratlosigkeit und die politische Impotenz von Europas Politikern. Diese politische Korrektheit ist eine Gefahr für Europa. Inzwischen haben viele Politiker in ganz Europa ihre Meinung ohnehin geändert, und zwar zu hundert Prozent. Meine Meinung dazu war immer gleich. Wir müssen uns zuerst um die Sicherheit unserer Menschen kümmern, dass sie zu essen haben, Gesetze, Arbeit. Das ist trivial, aber die Aufgabe der Politik.

Wie aber soll Europa agieren?

Hotspots in Griechenland zu errichten, ist nur eine weitere Einladung an Migranten. Diese Hotspots müssen außerhalb der EU sein, in der Türkei. Wenn ein EU-Land Zuwanderer will, ob aus humanitären Gründen oder aus wirtschaftlichen, muss es sie außerhalb Europas auswählen. Erst dann werden sie nach Europa gebracht, jeder von ihnen muss genau wissen, wohin er geht.

Die NATO sollte Europas Grenzen sichern. Warum sagen wir nicht offen, dass der Terrorismus das größte Problem ist, der größte Feind der "Islamische Staat"? Wir sprechen heute über Grenzsicherung, aber die Frontex (EU-Behörde für Außengrenzen) funktioniert ja nicht. Eine europäische Armee sollte den Kontinent verteidigen.

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