Ursachen des Konflikts von Schiiten und Sunniten

Ursachen des Konflikts von Schiiten und Sunniten
Während sich Saudi-Arabien als Schutzmacht der Sunniten sieht, gilt der Iran als jene der Schiiten.

Die tiefen Gräben zwischen Schiiten und Sunniten, die nach der Hinrichtung des schiitischen Klerikers Nimr al-Nimr in Saudi-Arabien akut zu Tage getreten sind, gehen weit zurück auf die Anfänge des Islam und die Nachfolge des Propheten Mohammed im 7. Jahrhundert.

In der Nachfolge gab es zunächst vier "rechtgeleitete Kalifen". Als letzter der vier wurde Ali ibn Talib, ein Cousin und Schwiegersohn Mohammeds bestimmt. Er wurde zunächst übergangen und erst 656 zum Kalifen gewählt. Allerdings wurde er nicht allgemein anerkannt und seine Herrschaft währte nur fünf Jahre, dann fiel er einem Mordanschlag zum Opfer. Bei der Auswahl der Kalifen war es für die Mehrheit von besonderer Bedeutung, dass sie dem Stamm Mohammeds, den Quraisch, angehören.

Nachfolge-Streit

Die Anhänger Alis - sie wurde als Schiat Ali, also Partei Alis, bezeichnet - dagegen waren der Ansicht, dass der Nachfolger des Propheten aus der Familie Mohammeds kommen müsse. Sie argumentierten damit, dass Gott Ali zum Nachfolger bestimmte und Mohammed dies noch vor seinem Tod festhalten ließ. Die Sunniten hätten diese Nachfolgeregelung aus dem Koran getilgt. Damit kam es zum Vorwurf der Koranfälschung, der bis heute nicht eindeutig zurückgenommen wurde.

Zentrum der islamischen Macht war damals Damaskus und ab dem Jahr 660 war es der Stamm der Omajjaden, der das Sagen hatte. Die Anhänger Alis zogen sich in die Grenzregionen (dem heutigen Irak) zurück und wählten Alis jüngsten Sohn, Hussein, anno 680 zum "Gegenkalifen". Noch im selben Jahr wurde er von den Omajjaden ermordet. Damit war sowohl die endgültige Trennung zwischen Sunniten und Schiiten vollzogen als auch der Grundstein für den Märtyrerkult in der Schia (den die Sunniten ablehnen) gelegt.

Sunna

Der Begriff Sunniten leitet sich von der Sunna ab, den Überlieferungen des Propheten. Im sunnitischen Islam hatte über Jahrhunderte der Kalif die geistliche und weltliche Macht. Das Kalifat, das zuletzt die osmanischen Sultane innehatten, wurde 1924 endgültig abgeschafft. Seitdem gibt es im sunnitischen Islam keine von allen Gläubigen anerkannte religiöse Autorität mehr.

Die Schiiten kennen dagegen eine Hierarchie der Geistlichen, an deren Spitze der Großajatollah steht. Der Imam (Vorbeter), der die Gläubigen führt, gilt als unfehlbarer Lehrer.

Sunnitische Mehrheit

Heute sind 80 bis 90 Prozent der Muslime weltweit Sunniten. Schutzmacht der Sunniten ist Saudi-Arabien. Dagegen stellen im Iran, im Irak (60 Prozent) und in Bahrain die Schiiten die Mehrheit und der Iran versteht sich als ihre Schutzmacht.

Die überwiegende Mehrheit der Schiiten gehört zu den so genannten Zwölfer-Schiiten – das bedeutet, sie warten auf die Wiederkehr des im neunten Jahrhundert in Samarra verschwundenen 12. Imams, der als Erlöser ("Mahdi") die Welt retten soll. Auch die Ismailiten und die Alawiten (zu der auch der syrische Machthaber Baschar al-Assad gehört) werden den Schiiten zugeordnet.

Salafismus

Der sunnitischen Strömung werden die Salafisten zugeordnet, eine ultrakonservative Strömung im Islam, die eine geistige Rückbesinnung auf die "Altvorderen" (Salaf: Vorfahre; Vorgänger) anstrebt. Der Ausdruck bezeichnet auch bestimmte Lehren des sunnitischen Islams. Diese orientieren sich nach ihrem Selbstverständnis an der Zeit der "Altvorderen". Die Sicherheitsbehörden unterscheiden zwischen dem friedlichen, politischen Salafismus sowie den dschihadistischen, militanten Salafismus.

Wahabismus

Eine besonders konservative Strömung der Sunniten ist der Wahhabismus. Seine Anhänger betrachten Schiiten als Ketzer. Der Wahhabismus geht auf den sunnitischen Gelehrten Mohammed Ibn Abd al-Wahhab (1703-1792) zurück, der im zentralarabischen Riad eine Rechtsschule mit einer strengen Auslegung des Koran und einem von allen modernen Einflüssen "gereinigten" Islam begründet hatte. Und der Wahhabismus ist Staatsreligion in Saudi-Arabien. Bis heute überwacht dort eine Religionspolizei die Einhaltung der strengen Regeln. So drohen bei Alkohol- und Drogenkonsum oder Ehebruch drakonische Strafen bis zur Enthauptung.

Grafik

Ursachen des Konflikts von Schiiten und Sunniten
Karten eingefärbt nach sunnitischen und schiitischen Strömungen, Factbox Sunniten/Schiiten; Kurzchronologie zu Mohammed GRAFIK 0006-16 , 88 x 240 mm

Kommentare