Türkei: Satire hat politisches Nachspiel

Höchst erzürnt: der türkische Präsident Erdogan.
Nach Erdogan-Persiflage in deutschem TV ließ Präsident Botschafter einbestellen.

Dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit seinen Kritikern nicht zimperlich umgeht, das wissen Dutzende Journalisten, Kabarettisten und Intellektuelle, die hinter Gittern sitzen. Doch mit seinem jüngsten Ausritt sorgt der Staatschef auch für einen diplomatischen Eklat: Weil ihm ein Satire-Beitrag in der TV-Sendung "extra 3", den die ARD am 17. März ausgestrahlt hatte, nicht gefiel, ließ er den deutschen Botschafter zum Rüffel im Außenamt in Ankara antreten.

Zum Inhalt des zweiminütigen Videos: Nenas Song "Irgendwie, irgendwo, irgendwann" wurde abgewandelt: "Erdowie, Erdowo, Erdowahn". In Anspielung auf den protzigen Palast des Präsidenten hieß es, "er lebt auf großem Fuß, der Boss vom Bosporus". Und im Hinblick auf die prekäre Lage der Pressefreiheit in der Türkei texteten die Satiriker: "Ein Journalist, der irgendwas verfasst, was Erdogan nicht passt, ist morgen schon im Knast." Unterlegt ist der Text mit prügelnden Polizisten.

Das türkische Außenministerium fordert nun von Deutschland, den Comedy-Beitrag zu löschen – im Internet ist er nach wie vor zu sehen. Das wieder treibt den NDR-Fernseh-Chefredakteur Andreas Cichowicz auf die Palme: "Dass die türkische Regierung diplomatisch aktiv geworden ist, ist mit unserem Verständnis von Presse- und Meinungsfreiheit nicht vereinbar."

Mitarbeiter des Monats

Der deutsche Journalistenverband bezeichnete die Erdogan-Reaktion als "lächerlich", er habe sich damit zum "Gespött" in den sozialen Netzwerken gemacht. Gleichzeitig beweise die nach außen getragene Dünnhäutigkeit des Staatsoberhauptes, dass die "Macher von ,extra 3‘ ins Schwarze getroffen" hätten, "Gratulation". Diese legten am Dienstag nochmals nach und kürten Erdogan mit Bild auf Twitter zum "Mitarbeiter des Monats".

Fast 2000 Mal beleidigt

Dass der immer autoritärer auftretende Staatspräsident sich zunehmend auch mit den Diplomaten im Land anlegt, beweisen die Vorkommnisse der Vorwoche: So wurden die Botschafter jener Staaten ins Außenamt bestellt, die Vertreter zu dem Prozess gegen zwei regierungskritische, türkische Top-Journalisten geschickt hatten – für Österreich war die Generalkonsulin in Istanbul, Christine Wendl, gekommen. Erdogan polterte: "Wer sind sie? Was haben sie dort zu suchen. Das ist nicht Ihr Land." Damit es künftig keine unabhängigen Zeugen mehr gibt, werden die weiteren Verhandlungen jetzt hinter verschlossenen Türen abgewickelt.

Insgesamt sind in der Türkei fast 2000 Verfahren wegen Beleidigung des Präsidenten anhängig – sogar gegen Schulkinder.

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