Truppenverlegung ausgeplaudert

Einer siebenfacher Mutter drohen nun 20 Jahre Haft.

Die Fahrt im Sammeltaxi im April wird Swetlana Dawydowa wohl nie vergessen. Neben ihr saßen russische Soldaten, die Kameraden per Handy von der bevorstehenden Verlegung ihrer Einheit an die Grenze zur Ukraine und den anschließenden Einsatz aufseiten der pro-russischen Separatisten erzählten. Dass sich die Kasernen in ihrer Heimatstadt Wjasma bei Smolensk zusehends leerten, hatte sie zuvor schon selbst festgestellt. Kurzentschlossen rief sie die ukrainische Botschaft in Moskau an.

Nun soll sie sich wegen Landesverrats verantworten. Darauf stehen bis zu 20 Jahre Haft.

Keine Haftverschonung

Dass Dawydowa siebenfache Mutter ist – die meisten Kinder sind noch im Vorschulalter, das Kleinste ist sieben Monate alt und wird noch gestillt – interessierte weder den Haftrichter noch die Geheimdienstbeamten, die sie vergangene Woche in ihrer Wohnung festnahmen und anschließend Laptop, Computer und Notizblöcke beschlagnahmten. Obwohl Eltern minderjähriger Kinder laut russischem Strafgesetzbuch Anspruch auf Haftverschonung bis zur Urteilsverkündung haben.

Dawydowa wurde inzwischen in das Hochsicherheitsgefängnis Lefortowo in Moskau verbracht. Ehemann Anatoli Gorlow wurde darüber erst Tage später per Brief informiert. Die Familie seiner Ehefrau habe ukrainische Wurzeln, sie habe sich die Entwicklungen dort "sehr zu Herzen genommen", sagte er bei Radio Echo Moskwy.

Zwar hofft Sergei Paschin, der sein Richteramt wegen Drucks auf die Justiz und bestellter Urteile schon 2001 hinwarf und jetzt an einer Privatuniversität Recht lehrt, auf Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit. Andere sind skeptisch. Der Hergang lasse befürchten, dass Dawydowas Telefone bereits vor der "Tat" verwanzt waren, glaubt Olga Romanowa. Die prominente Journalistin ist Chefin von "Sitzendes Russland", einer nichtstaatlichen Organisation, die sich um politische Häftlinge kümmert. Dabei dürfen laut geltendem Recht Telefone nur nach einem entsprechenden Gerichtsbeschluss und bei Verdacht auf schwere Straftaten abgehört werden. Dawydowa indes war vor dem Botschafts-Telefonat nicht einmal durch Ladendiebstahl oder Anderes aufgefallen.

Entsprechend hoch schlugen die Wellen der Empörung bei Medien. Zumal Hacker das Online-Portal Russki Monitor, das über den Vorfall als Erster berichtet hatte, in der Nacht zu Freitag für Stunden lahmlegten.

Mit einem Schuldspruch für Dawydowa, so ein Kolumnist, würde Moskau, das die Beteiligung regulärer russischer Truppen an den Kämpfen in der Ostukraine stets leugnet, einen unfreiwilligen Offenbarungseid leisten.

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