Terror und Zuwanderung: Die neuen Ängste der Deutschen

NPD-Recken gegen Asylwerber – Ergebnis der deutschen Angst?
Die Flüchtlingswelle verändert Deutschland – jeder Zweite fürchtet sich vor politischem Extremismus und Chaos durch Zuzug.

German Angst" sagt man im englischsprachigen Raum gerne über die Zögerlichkeit der Deutschen: Seit jeher schon unterstellt man ihnen Angst vor diffusen Bedrohungen, davor, sein Leben wegen unvorhergesehener Umstände ändern zu müssen – Hasenfüßigkeit quasi.

Passenderweise war in den vergangenen Jahren die deutsche Urangst auch stets die ums eigene Geld: Die Sorge vor steigenden Lebenshaltungskosten rangierte in den Studien, die die R+V Versicherung seit den 1990ern jährlich durchführt, immer ganz vorne. Bis zum Jahr 2015: Heuer sind es nämlich die Angst vor Terrorismus, vor Spannungen durch den Zuzug von Flüchtlingen und der daraus resultierenden Überforderung der Behörden, die die Angst-Landkarte plötzlich deutlich dominieren.

Der Zustrom an Flüchtlingen hat erste emotionale Spuren hinterlassen. Jeder zweite Deutsche fürchtet sich davor, dass die massiv ansteigende Zahl an Asylsuchenden das Land auf Dauer überlasten, dass die gesellschaftliche Ordnung dadurch nachhaltig ins Wanken gebracht werden könnte. Eine Sorge, die sich auch in den im Netz grassierenden Ressentiments und in den vielen fremdenfeindlichen Übergriffen zeigt. Mehr als 300 Attacken auf Asylheime und Asylwerber heuer sprechen eine deutliche Sprache.

NPD & Dschihadisten

"Viele Ängste spiegeln die Bedrohungen in einer modernen Gesellschaft im Zeitalter von Globalisierung und Europäisierung wider", sagt der Politologe Manfred Schmidt von der Uni Heidelberg. Damit gemeint sind diffuse Phänomene wie der Terror – und die Sorge vor politischem Extremismus, der nicht nur in Form der NPD, sondern auch im Gewand einsickernder Dschihadisten daherkomme. 49 Prozent der Deutschen sehen darin eine große Bedrohung.

"Für die Deutschen mit ihrer pazifistischen Grundstimmung sind Terror und Krieg besonders furchterregend", sagt Schmidt. Ein wichtiger Faktor dabei ist auch die Nähe zu Ländern, in denen es bereits zu Anschlägen gekommen ist – das Attentat auf die Charlie-Hebdo-Redaktion in Paris hat sich in die kollektive Erinnerung eingebrannt, ebenso die erschossenen deutschen Touristen im tunesischen Sousse. Die Angst, dass es auch auf deutschem Boden zu einem solchen Anschlag kommen könnte, stieg binnen eines Jahres um ganze 13 Prozent.

Einen Unterschied in der gefühlten Bedrohungslage macht aber der Wohnort – die östlichen Bundesländer beschäftigt die Flüchtlingsfrage viel stärker als die westlichen, obwohl dort deutlich weniger Asylwerber untergebracht sind. Die Gründe dafür sieht Schmidt darin, dass "Ostdeutschland politisch anders tickt als der Westen" – die wirtschaftlicher Lage sei schlechter, zudem dominiere weiterhin die Angst, erneut "Verlierer" zu sein – wie schon nach der Wende.

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