Moskau: 600 Rebellen in Syrien getötet

Russisches Kampfflugzeug über Syrien
Zahl der Flugzeuge bei Militäreinsatz verdoppelt. Lawrow telefonierte mit Kerry.

Russland hat nach eigenen Angaben mehr als 600 Rebellen bei einem Raketenangriff in der syrischen Provinz Deir al-Zor (Deir ez-Zor) getötet. Das gab Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Freitag laut der Nachrichtenagentur RIA bei einer Beratung mit Präsident Wladimir Putin in Moskau bekannt.

Die russische Marine hat außerdem erneut vom Kaspischen Meer aus Ziele in Syrien beschossen. 18 Marschflugkörper seien am Freitag abgefeuert worden, sagte Schoigu "Alle Ziele wurden zerstört." Die Marschflugkörper suchen sich ihren Weg dicht über dem Boden. Sie kreuzen die zivile Hauptflugroute zwischen Europa und dem Persischen Golf - allerdings deutlich unter der üblichen Reiseflughöhe. Anfang Oktober hatte die russische Marine erstmals vom Kaspischen Meer aus angegriffen.

Schoigu berichtete von den außerordentlich hohen Verlusten bei dem Angriff in Deir al-Zor, ohne Details zu nennen. Unklar blieb, wann der Schlag mit dem Marschflugkörper ausgeführt wurde. Unabhängige Bestätigungen für Schoigus Angaben gab es nicht. 600 Kämpfer seien getötet worden, in den vergangenen vier Tagen seien 820 Ziele zerstört worden. Russland beschieße verstärkt Lastwagen-Kolonnen des illegalen Ölhandels, mit dem sich die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) finanziert.

Putin kündigt nächste Phase an

Putin kündigte unterdessen die nächste Phase der Militärintervention seines Landes in Syrien an. Die bisherigen Ziele seien erreicht worden, sagte Putin der RIA Nowosti zufolge bei einer Videokonferenz mit Militärs am Freitag. Dies reiche aber noch nicht aus, um "Syrien von Rebellen und Terroristen zu säubern und die russische Bevölkerung vor Terroranschlägen zu schützen". "Wir haben noch viel Arbeit vor uns, und ich hoffe, dass die nächsten Phasen mit der gleichen Professionalität ausgeführt werden und die von uns gewünschten Ergebnisse bringen", sagte Putin. Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow sagte, ein Einsatz von Bodentruppen werde nicht diskutiert. Schoigu erklärte, Russland habe die Zahl an Flugzeugen bei seiner Militärintervention in Syrien auf 69 Maschinen verdoppelt.

Putin treibt seine Pläne einer internationalen Koalition im Syrien-Krieg voran. Putin treffe sich am 23. November in Teheran mit seinem iranischen Amtskollegen Hassan Rohani (Rouhani) sowie dem geistlichen Oberhaupt Ayatollah Ali Khamenei und am 24. November in Moskau mit dem jordanischen König Abdullah II., sagte sein außenpolitischer Berater Juri Uschakow. Mit dem französischen Präsidenten Francois Hollande will der russische Staatschef am 26. November in Moskau über einen gemeinsamen Kampf gegen den internationalen Terror beraten. Das Hauptaugenmerk gelte der Koordination von Angriffen auf die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in Syrien, betonte Uschakow. Über den Anti-Terror-Kampf wolle Putin auch mit Benjamin Netanyahu sprechen. Ein Treffen mit dem israelischen Regierungschef sei am Rande der UNO-Klimakonferenz in Paris am 30. November geplant. Vorgesehen sei auch ein Russland-Besuch von König Salman von Saudi-Arabien, für den es noch keinen Termin gebe, sagte Uschakow.

Telefonat mit Kerry

Das russische Außenministerium teilte in einer Aussendung mit, Außenminister Sergej Lawrow habe mit seinem US-Amtskollegen John Kerry telefoniert. Die beiden sprachen demnach über die Notwendigkeit, gemeinsam den "Islamischen Staat" (IS) in Syrien zu bekämpfen und über die Notwendigkeit von Gesprächen zwischen dem Regime von Machthaber Bashar al-Assad in Damaskus und der syrischen Opposition.

Russland greift seit Ende September mit seiner Luftwaffe an der Seite von Assad in den seit vier Jahren wütenden Bürgerkrieg ein. Assad ist ein Verbündeter Moskaus, der Westen, der ebenfalls militärisch aus der Luft interveniert, unterstützt die gemäßigte Opposition. Diese startete 2011 Massendemonstrationen gegen das Polizei- und Geheimdienstregime Assads, die dann in den Bürgerkrieg mündeten.

Saudi-Arabien will die zerstrittenen syrischen Regimegegner einen und dafür an den Verhandlungstisch bringen. Geplant ist ein Treffen von rund 30 verschiedenen Gruppen Mitte Dezember in der saudischen Hauptstadt Riad, wie die Nachrichtenagentur dpa am Freitag aus Oppositionskreisen in Istanbul erfuhr. "Wir begrüßen die Initiative, da sie darauf abzielt, die unterschiedlichen Zweige der syrischen Opposition zu einen", sagte Ahmed Ramadan, Führungsmitglied des Exil-Bündnisses Nationale Syrische Koalition.

Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete für Freitag acht Tote bei schweren Luftangriffen im ölreichen Deir al-Zor, die von russischen oder syrischen Kampfjets geflogen worden seien. Auch seien Dutzende Öltanklastwagen zerstört worden. IS-Kämpfer kontrollieren den größten Teil der Provinz. Die Beobachtungsstelle mit Sitz in Großbritannien verzeichnete mindestens 50 Luftangriffe in verschiedenen Teilen der Provinz Deir al-Zor. Es sei das erste Mal, dass die Provinz Angriffe dieser Schwere erlebe, erklärte die Beobachtungsstelle. Außerdem komme es dort weiterhin zu schweren Kämpfen zwischen Assads Regierungstruppen und der IS-Miliz, bei denen mindestens acht Soldaten und 22 IS-Kämpfer getötet worden seien. Laut den Aktivisten versuchen die Jihadisten derzeit, einen Militärflughafen zu erobern, der wie die Provinzhauptstadt noch von den Regierungstruppen gehalten wird. Die Angaben der Beobachtungsstelle, die sich auf ein dichtes Netz von Aktivisten in Syrien stützt, können von unabhängiger Seite nicht überprüft werden.

Ihnen zufolge wurden durch russische Luftangriffe seit Ende September mehr als 1.300 Menschen getötet worden. Unter den Getöteten waren demnach mindestens 403 Zivilisten, darunter fast hundert Kinder. Zugleich traf die russische Luftwaffe demzufolge mit ihren Angriffen 547 mutmaßliche IS-Mitglieder. Außerdem wurden 381 weitere Kämpfer getötet, die der Al-Nusra-Front - dem syrischen Ableger des Terrornetzwerks Al Kaida - sowie anderen Rebellengruppen angehörten.

Das zuletzt verstärkte Vorgehen Moskaus geht unter anderem auf Erkenntnisse zum Absturz einer russischen Passagiermaschine über der ägyptischen Sinai-Halbinsel Ende Oktober zurück, bei dem es sich nach Einschätzung Moskaus und westlicher Geheimdienste um einen Bombenanschlag handelte. Frankreich geht wegen der Attentate der vergangenen Woche in Paris mit 130 Toten verstärkt gegen den IS vor. Die Dschihadistenmiliz hatte sich zu beiden Angriffen bekannt.

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