Kritik an russischem Militäreinsatz wird lauter

USA, Saudi-Arabien, Iran: Mit Eingreifen des Kreml tun sich an mehreren Fronten neue Konflikte auf.

Russland setzt ungeachtet der Kritik an seinem Syrien-Einsatz seine Luftangriffe fort und nimmt dabei nach eigenen Angaben auch andere Rebellengruppen als den "Islamischen Staat" (IS) ins Visier. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums bombardierten russische Kampfflugzeuge in der Nacht vier IS-Stellungen. In libanesischen Medien war von mindestens 30 Angriffen am Donnerstag die Rede. Ein Regierungssprecher in Moskau sagte, die Bombardements richteten sich generell gegen eine Reihe bekannter Islamistenorganisationen, nicht nur gegen den IS. Die oppositionelle Freie Syrische Armee sehe man als wichtigen Teil des politischen Prozesses. Die Rebellen-Gruppe sei keine Terrororganisation, sagte Außenminister Sergej Lawrow am Donnerstag in New York.

Kritik an russischem Militäreinsatz wird lauter
Karte Syrien mit kontrollierten Gebieten nach Kriegsparteien, Lokalisierung der russischen Luftschläge Grafik 1124-15-Syrien.ai, Format 88 x 118 mm
Auch diesmal gibt es Vorwürfe, dass Russland eine Stadt attackierte, in der weder Kämpfer derTerrormiliz Islamischer Staatnoch anderer Rebellengruppen zu finden seien. Nur Zivilisten würden dort leben. Dem russischen Verteidigungsministerium zufolge wurden ein Munitionslager bei Idlib und eine Kommandozentrale des IS bei Hama getroffen. Bei Homs sei eine Anlage zerstört worden, in der Autos für Sprengstoffanschläge präpariert würden, hieß es in Moskau weiter.

Russland hat wie angekündigt im UN-Sicherheitsrat eine Resolution für den Kampf gegen den IS vorgestellt. In dem Entwurf wird auch auf eine Einbindung Assads verwiesen. Damit dürfte der Text bei den westlichen Vetomächten USA, Frankreich und Großbritannien auf Ablehnung stoßen.

Saudi-Arabien gegen Einsätze

Saudi-Arabien und die USA (siehe unten) äußerten sich besorgt über den Eintritt Russlands in den Syrien-Krieg. Der saudiarabische UN-Botschafter Abdalla Al-Muallimi sagte, zahlreiche unschuldige Menschen seien ums Leben gekommen. Die Einsätze müssten eingestellt und nicht wieder aufgenommen werden.

US-Senator John McCain warf dem Kreml vor, von der CIA unterstützte Gruppen zu bombardieren. Die ersten Angriffe hätten sich gegen Individuen und Gruppen gerichtet, die von dem US-Auslandsgeheimdienst finanziert und ausgebildet worden seien, sagte McCain zu CNN. Dies zeige, dass Russlands wahre Priorität darin bestehe, den syrischen Machthaber Assad zu unterstützen.

Washington unterstützt mit viel Geld Anti-Assad-Kämpfer – bisher mit wenig Erfolg. 3000 bis 5000 waren das Ziel der CIA, tatsächlich sind es nur einige Dutzend. Mindestens eine Gruppe dieser Kämpfer haben die Russen laut New York Times am Mittwoch ins Visier genommen und getötet.

Iran mit Bodentruppen?

Der mit Saudi-Arabien rivalisierende Iran hingegen begrüßte Russlands Einsatz und sagte Unterstützung zu. "Das ist ein erster praktischer Schritt im Kampf gegen den IS, um eine Lösung zu ermöglichen", sagte Außenamtssprecherin Marziyeh Afkham in Teheran. Wie Russland steht auch der Iran auf der Seite Assads. Nach libanesischen Angaben hat der Iran Hunderte Kämpfer nach Syrien entsandt, um sich an einer Bodenoffensive in Rebellen-Gebieten im Norden des Landes zu beteiligen. Die Truppen seien vor zehn Tagen mit Waffen in Syrien eingetroffen, sagten mehrere in den Vorgang eingeweihte Personen der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag in Beirut.

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Ausweitung des Syrienkriegs?

Mit den Luftangriffen steigt Russland so massiv in den Syrien-Konflikt ein wie noch nie zuvor. Der Einsatz bedeutet zugleich eine deutliche Eskalation der Krise, die rund 250.000 Menschen das Leben gekostet und mehr als elf Millionen weitere in die Flucht getrieben hat. Mehrere Rebellenführer erklärten, durch das russische Eingreifen werde der Krieg in Syrien verlängert. Er könne wohl noch zehn Jahre dauern, sagte der Kommandant der Kurdenmiliz YPG, Sipan Hemo, in einem von der oppositionsnahen Syrischen Beobachterstelle für Menschenrechte veröffentlichten Interview. Der Rebellenkommandeur Bashar al-Zoubi sagte der Nachrichtenagentur Reuters, durch das russische Eingreifen werde der Konflikt zu einem globalen Krieg gegen das syrische Volk. Das werde auch zu einer Ausweitung des Extremismus führen.

Russland hatte am Mittwoch erste Luftangriffe in Syrien geflogen und erklärt, IS-Ziele zerstört zu haben. Assad-Gegner erklärten umgehend, es seien auch Teile der Provinz Homs ins Visier genommen worden, die nicht vom IS kontrolliert werden. Kritiker vermuteten, Russland könnte eher auf Rebellen zielen, die seit Jahren gegen den mit Russland verbündeten Assad kämpfen.

US-Verteidigungsminister Ash Carter hatte am Mittwoch im Pentagon gesagt: "Es scheint, dass sie in Gegenden waren, wo vermutlich keine IS-Kräfte waren." Russlands erklärter Kampf gegen den IS und die gleichzeitige Unterstützung Assads drohe die Lage eskalieren zu lassen. Russland "gießt Öl ins Feuer", sagte Carter. Scharfe Kritik an den Luftangriffen äußerte auch die syrische Opposition. Russland spalte das Land, teilte der Syrische Nationalrat mit.

Russland und USA wollen Vorgehen koordinieren

Ein Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin sagte, Russland richte seine Angriffe in Syrien nicht nur gegen den IS. "Die Ziele werden in Zusammenarbeit mit dem syrischen Militär in Syrien ausgewählt", führte Dmitri Peskow aus. Die Koordination mit anderen Ländern funktioniere. Die Außenminister der USA und Russlands hatten zuvor angekündigt, Militärexperten beider Länder sollten sich enger absprechen. So solle verhindert werden, dass sich die USA und Russland in Syrien versehentlich in die Quere kommen. Die USA und Frankreich fliegen auch Angriffe gegen den IS in Syrien.

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