Riad rüstet für die Zeit nach dem Öl

Saudi Arabiens Vize-Kronprinz Mohammed bin Salman legte eine ehrgeizigen Wirtschaftsplan vor.
Radikaler Plan für den Totalumbau der Wirtschaft – politische Reformen sind nicht vorgesehen.

"In vier Jahren können wir ohne Öl leben", kündigte Saudi-Arabiens junger Vize-Kronprinz Mohammed bin Salman diese Woche voller Elan an. Was hinter diesem vollmundigem Versprechen steht, ist nichts weniger als der ehrgeizige Plan für einen Total-Umbau des Wirtschaftssystems im konservativen Wüstenstaat. Als "Vision 2030" präsentierte der 30-jährige Enkel von Staatsgründer Abd al-Aziz deshalb einen Weg, der Saudi-Arabien von seiner, wie er es ausdrücklich formulierte, "gefährlichen Sucht nach Öl" befreien soll.

Kernelement der größten Reforminitiative in der Geschichte des Königreichs: Saudi-Arabiens Abhängigkeit vom schwarzen Gold soll verringert werden. Nicht erst sei dem dramatischen Verfall des Ölpreises wird umgedacht, bestätigt Nahost-Expertin Karin Kneissl dem KURIER. "Fast alle Golfstaaten haben schon vor mehreren Jahren mit Anstrengungen begonnen, ihre Wirtschaft zu diversifizieren, sei es in Richtung Forschung, in Fotovoltaik oder andere alternative Energiegewinnung. Ich erinnere nur an Saudi-Arabiens Langzeit-Ölminister Al-Naimi, der im vergangenen Juni gesagt hat: Saudi-Arabiens Zukunft liegt nicht im Öl, sondern in der Sonnenenergie."

Mächtiger Königssohn

Fraglich sei hingegen nur, meint Kneissl, ob der innerhalb der großen Königsfamilie nicht unumstrittene Vize-Kronprinz seine Pläne auch umsetzen könne. Schließlich habe er als Verteidigungsminister das "saudische Vietnam im Jemen" auf seine Kappe zu nehmen. Doch Mohammed bin Salman, oder MbS, wie der mächtige Königsspross neuerdings genannt wird, weiß vor allem den König hinter sich. Und Millionen junger Saudis, die sich von dem ungestümen Vize-Kronprinzen erwarten, der altersschwächelnden, alles beherrschenden Prinzenschar in Riad Dampf zu machen.

Kern des geplanten Wirtschaftsumbaus soll ein gigantischer Staatsfonds werden. Dieser soll 2000 Milliarden Dollar umfassen – das wäre der weltweit größte Fonds dieser Art – und sein Kapital etwa zur Hälfte im Ausland, in ölfreie Branchen investieren. Die Einnahmen aus diesen Investitionen sollen dann wiederum zur wichtigsten Geldquelle des Staates werden. Das ist derzeit noch fast ausschließlich Erdöl: 90 Prozent der Staatseinnahmen Saudi-Arabiens gehen auf Ölexporte zurück.

Die angepeilten zwei Billionen Dollar für seinen Staatsfonds will Saudi-Arabien durch Privatisierungen, Devisenreserven, Umstrukturierungen, vor allem aber durch den größten Börsengang der Geschichte hereinbringen: Bereits im nächsten Jahr will Prinz Mohammed einen Anteil von "weniger als fünf Prozent" an der staatlichen saudischen Ölgesellschaft Saudi Aramco an die Börse bringen.

Wirtschaftsexperten zweifeln zwar an der Geschwindigkeit, mit der Prinz Mohammed seine "Vision 2030" umsetzen will, nicht aber seine grundsätzliche Durchführbarkeit. Und schon gar nicht die Notwendigkeit grundlegender Wirtschaftsreformen. "Saudi-Arabien hat ein Haushaltsproblem. Den Wohlfahrtsstaat erhalten, aber keine Steuern einheben – diese Gleichung geht sich auf Dauer nicht aus", sagt Kneissl.

Dass der wirtschaftliche n Liberalisierung Saudi-Arabiens eine politische Öffnung folgen könnte, bezweifelt die Nahost-Expertin. Man möge nur nach Abu Dhabi blicken, empfiehlt sie: "Dort sind die Wirtschaftsreformen in der Region am weitesten gediehen – aber politische Lockerung sehe ich gar keine."

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