Reden mit Ed Snowden – aber wo?

Whistleblower Edward Snowden und der deutsche Grünen-Abgeordnete Ströbele in Moskau
Politiker streiten darüber, wie der Whistleblower zur Spähaffäre befragt werden könnte.

Seit der NSA-Enthüller Edward Snowden signalisierte, dass er bereit ist, mit Deutschland bei der Aufarbeitung der Geheimdienstaffären zusammenzuarbeiten, sind innerhalb der deutschen Politik heftige Kontroversen aufgebrochen. Führende Unionspolitiker lehnen es ab, den 30-jährigen Amerikaner nach Deutschland zu holen. Snowden sei zwar ein wichtiger Zeuge bei einem möglichen Untersuchungsausschuss. Eine Befragung sei aber nur in Moskau denkbar, sagte der Vizechef der Unions-Bundestagsfraktion, Andreas Schockenhoff (CDU) der Tageszeitung Welt. Immerhin sei Snowden in Moskau für den Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele zu sprechen gewesen. Dann müsse dies auch für deutsche Justizorgane möglich sein.

Tatsächlich gab die Führung in Moskau, die Edward Snowden bis Sommer 2014 Asyl gewährte, gestern grünes Licht. „Er ist frei, sich mit irgendjemanden zu treffen. Wir können ihn nicht daran hindern“, sagte ein Präsidenten-Sprecher. Das aber will Edward Snowden nicht. Laut Ströbele habe er „erhebliche Vorbehalte“ gegen eine Vernehmung auf russischem Territorium.

„Freies Geleit“ und Asyl

Vielmehr drängt der Ex-NSA-Mitarbeiter auf Sicherheitsgarantien, wenn er nach Deutschland käme. Dies fordern auch SPD, Grüne und die Linke. Er müsse „freies Geleit“ oder Asyl in Deutschland bekommen. Dem Argument, dass die USA ein „Festnahmeersuchen“ für Snowden an Deutschland geschickt hätten, kontern die drei Parteien: Es gäbe durchaus die Möglichkeit, das Auslieferungsansuchen auszuschlagen. Etwa, wenn dem Betroffenen in der Heimat die Todesstrafe droht oder er wegen einer – aus deutscher Sicht – politischen Straftat verfolgt wird.

Sollte Snowden tatsächlich nach Deutschland kommen, dürften die USA den Druck auf die Regierung in Berlin massiv erhöhen. Entgegenkommen will man Berlin aber bei einem Anti-Spionage-Abkommen. Darin soll bis Anfang nächsten Jahres klar festgelegt werden, welche Bereiche künftig nicht abgehört und bespitzelt werden – darunter vor allem die Handys deutscher Spitzenpolitiker.

Große Gelassenheit

Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung begegnet den immer neuen Enthüllungen rund um die NSA indessen mit großer Gelassenheit. Drei Viertel der Deutschen glauben nach einer jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Allensbach demnach nicht, dass ihnen durch die NSA persönliche Nachteile entstehen könnten.

Auch in den USA ist die Aufregung weiterhin groß. Fix ist: Der Zugriff auf Telefondaten soll erschwert werden, wie der KURIER berichtete. Führende US-Technologieunternehmen fordern laut Washington Post angesichts immer neuer Berichte über das Ausmaß der NSA-Überwachung, dem Geheimdienst straffere Zügel anzulegen. Wie das Blatt am Freitag online schrieb, hätten sich Facebook, Google, Apple, Yahoo, Microsoft und AOL in einem Brief an US-Senatoren gewandt.

Die Überwachungspraxis der Regierung müsse reformiert werden. Es solle mehr Schutz der Privatsphäre sowie eine angemessene Kontrolle und Mechanismen für die Überprüfung solcher Programme geben, heiße es darin. Die NSA hat laut Washington Post wohl massenhaft Daten von Google und Yahoo abgeschöpft.

"Derzeit keine elektronischen Überwachungsmaßnahmen"

Indes versucht Barack Obama die Wogen zu glätten: Der US-Präsident hat offenbar den Geheimdienst NSA angewiesen, die Hauptquartiere von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) nicht mehr auszuspähen. Die USA hätten derzeit keine elekronischen Überwachungsmaßnahmen in den Zentralen beider Organisationen in Washington laufen, sagte ein mit der Angelegenheit vertrauter ranghoher US-Regierungsvertreter am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters.

Er machte ausdrücklich keine Angaben darüber, ob die Geheimdienste in der Vergangenheit Weltbank und IWF ausspioniert hätten. Mit einer ähnlichen Sprachregelung hatte die US-Regierung jüngst auf Vorwürfe reagiert, wonach auch das Mobiltelefon der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel ausspioniert worden sei.

Ihre Geduld ist zu Ende. Sauer über die Ausspähaktion des US-Geheimdienstes NSA verschob die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff einen für vorige Woche geplanten Staatsbesuch in Washington. Selbst ein persönliches Telefongespräch mit Obama half da nichts.

Rousseff stand wie auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Mexikos Ex-Präsident Felipe Calderon offenbar persönlich auf der NSA-Liste auszuspionierender Top-Politiker. Nicht nur zwischen Washington und Brasilia hängt der Haussegen wegen der Schnüffeleien schief.

Rousseff sparte vor der UNO-Vollversammlung im September nicht mit klaren Worten. Die Ausspähaktionen der USA seien ein inakzeptabler Verstoß gegen die Bürgerrechte und eine Verletzung der nationalen Souveränität, die nicht mit einem Krieg gegen den Terrorismus gerechtfertigt werden könnten. "Ohne Achtung der Souveränität gibt es keine Basis für Beziehungen zwischen Nationen", sagte die 65-Jährige, deren Telefonate und E-Mails die NSA ausspioniert haben soll.

US-Botschafter Thomas Shannon wurde ins Außenministerium zitiert und es ergingen offizielle Protestnoten an die US-Regierung mit der Forderung nach Entschuldigung und Erklärung. Doch der lange für den 23. Oktober geplante Staatsbesuch - auf der diplomatischen Rangliste immerhin das höchste Reiseformat - fiel ins Wasser. Die offiziellen Gründe: Keine zeitnahe Untersuchung der Vorwürfe, keine ausreichenden Erklärungen der USA und keine Zusage, die Abhöraktivitäten einzustellen. Klarer kann man seine Verstimmung nicht zum Ausdruck bringen.

Rousseff dringt bei der UNO auf eine internationale Regelung zum Schutz der Privatsphäre im Internet. "Das ist der Moment, um die Voraussetzungen zu schaffen, dass der Cyberspace nicht durch Spionage, Sabotage und Attacken auf Systeme und Infrastruktur anderer Länder als Kriegswaffe instrumentalisiert wird", warnte Rousseff. Die Vereinten Nationen sollten dabei eine Führungsrolle übernehmen. Die gemeinsam mit Deutschland erarbeitete UNO-Resolution gegen das Ausspähen elektronischer Kommunikation ist da folgerichtig.

Die NSA-Praktiken machen aus Sicht der Präsidentin eine Debatte über einen effizienten Schutz der Internetdaten und die Schaffung eines entsprechenden multilateralen Regelwerkes notwendig, damit der "Kampf gegen den Terrorismus" nicht als "Alibi für den Cyberkrieg" genutzt werde.

Doch nicht nur Rousseff sowie einige ihrer Berater und Diplomaten sollen ausspioniert worden sein. Auch das Bergbau- und Energieministerium in Brasília stand offenbar auf der Liste und der Name des staatlich kontrollierten Ölkonzerns Petrobras tauchte in NSA-Unterlagen auf. "Von unserer Seite werden wir alles tun, um unsere Regierung und unsere Unternehmen zu schützen", versicherte Rousseff und schickte das nationale Datenverarbeitungszentrum Serpo mit entsprechenden Direktiven ans Werk.

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