Olympia: Islamisten drohen mit Anschlag

37.000 russische Polizisten und Soldaten sind in Sotschi im Einsatz
Angst vor Anschlägen. 37.000 Polizisten sollen Olympia schützen. Auch Österreich schickt Beamte.

Was auch immer nötig ist“, möchte Wladimir Putin tun, um seine Olympischen Spielen vor Terrorattacken zu schützen. 37.000 Polizisten und Soldaten hat er bereitstellen lassen, um die Spiele im Februar zu schützen. Schon seit 7. Jänner gelten verstärkte Sicherheitsmaßnahmen in Sotschi. Soldaten durchkämmen das abgeriegelte Olympische Dorf nach Sprengfallen, suchen im ganzen Land Verdächtige. Vor der Küste patrouillieren U-Boote, in der Luft Drohnen. Eine Million Menschen, die sich in nächster Zeit in der Nähe der Spielstätten aufhalten, sollen überprüft werden.

Ausländische Beamte

Nicht alle Teilnehmernationen wollen sich auf Putins Sicherheitskonzept verlassen. So sollen die USA offiziell bereits 40 FBI-Beamte nach Russland geschickt haben. Zudem stehe laut Medienberichten eine private Sicherheitsfirma zur Evakuierung von US-Sportlern im Notfall bereit.

Olympia: Islamisten drohen mit Anschlag
Men claiming to be from an Islamist militant group speak, in this still image taken from video footage posted on the Internet on January 20, 2014. An Islamic militant group said in a video posted online that it was behind two suicide bombings that killed at least 34 people last month in the Russian city of Volgograd, and threatened to attack the Sochi Winter Olympics. The video says two men called Suleiman and Abdurakhman carried out the Volgograd attacks on behalf of a group known as Vilayat Dagestan and linked to an Iraqi faction called Ansar al-Sunna. REUTERS/Handout via Reuters Television (RUSSIA - Tags: CIVIL UNREST POLITICS SPORT OLYMPICS)
Auch andere Länder schicken Sicherheitspersonal. Die Schweiz lässt zwei Polizisten mit der Delegation mitreisen, Österreich schickt vier Beamte, davon zwei aus den Reihen der Cobra. Sie seien nicht bewaffnet, sondern vor allem als Berater und Kontaktstelle für Sicherheitsfragen für die österreichische Delegation vor Ort, erklärt ein Sprecher des Innenministeriums in Wien. Zudem können auf den Flügen nach Russland je nach Bedarf „Skymarshalls“ (Flugsheriffs) mitfliegen.

„Geschenk“ für Gäste

Inzwischen tauchte im Internet ein Bekennervideo zu den beiden Selbstmordattentaten in Wolgograd auf, bei denen Ende Dezember 34 Menschen starben. „Wir haben ein Geschenk für Euch und alle Touristen vorbereitet, die herkommen“, sagten die beiden Islamisten in dem Video und warnten vor weiteren Anschlägen, sollten die Spiele wie geplant stattfinden.

Nicht zuletzt wegen des Sicherheitskonzepts habe Sotschi bereits vor der Eröffnungszeremonie mehr als alle früheren Olympischen Spiele gekostet. Mindestens 50 Milliarden Dollar (37 Mrd. €) sind es laut CNN. Dabei hatte Putin bei der Vergabe im Jahr 2007 gemeint, er werde zwölf Milliarden Dollar brauchen. Laut Opposition sollen 20 bis 30 Milliarden Dollar verschleudert worden sein – mit Korruption oder Infrastrukturprojekten, die nichts mit Sotschi zu tun haben. Putin bestreitet große Korruptionsfälle. Er freue sich aber über konkrete Hinweise, sollte es diese dennoch geben.

Das Skigebiet Krasnaja Poljana braucht Vergleiche mit Kitzbühel oder Courchevel in den französischen Alpen nicht zu scheuen. Harmonisch fügen sich Nobelherbergen in die Berglandschaft des Nordwestkaukasus. Beim Anblick der Pisten und Loipen rollten sogar ehemalige Ski-Rennweltmeister verzückt mit den Augen. Jean-Claude Killy, der in den Siebzigern Olympisches Gold für Frankreich holte und jetzt im Auftrag des Internationalen Olympischen Komitees die Vorbereitungen für die Spiele in Sotschi koordiniert, hauchte im September bei der Abnahme ein „magnifique“ („großartig“) in die Mikros.

„Magnifique“ äfft Fatima Schemuchowa den Franzosen nach. Die 23-Jährige ist bei „No-Sotchi“ aktiv, einer Gruppe, die Widerstand gegen die Spiele organisiert. Weil sie auf den Leichen eines ganzen Volks ausgetragen werden. Buchstäblich.

Dort, wo im Februar die Wettkämpfe in den alpinen Disziplinen stattfinden, watete vor genau 150 Jahren die Zarenarmee im Blut der Tscherkessen. Sie sind die Ureinwohner des Nordwest-Kaukasus und der kaukasischen Schwarzmeerküste und wurden von Russland erst im Großen Kaukasuskrieg unterworfen. Einem Krieg, der mit kurzen Unterbrechungen über hundert Jahre dauerte – von 1763 bis 1864.

Stammesführer der Tscherkessen erklärten sich 1861 zwar bereit, die Oberhoheit des Russischen Imperiums anzuerkennen. Gegen die Umsiedlung aus den Bergen in die flache Küstenebene wehrten sie sich aber. Die russische Armee setzte ab 1862 die Vertreibung mit Gewalt durch und brannte die Dörfer der Tscherkessen nieder. Zehntausende starben.

Deportationen

Wer überlebte, wurde an die Schwarzmeerküste gebracht. Dort warteten schon Boote für die kollektive Deportation ins Osmanische Reich. Um ihr zu entgehen, stürzten sich bei Krasnaja Poljana Hunderte Tscherkessen in die Schlucht. Darunter Frauen mit Babys im Arm.

In Russland leben heute nur noch 700.000 Tscherkessen, verteilt auf drei Teilrepubliken. Zwar verabschiedete das postkommunistische Russland schon 1992 ein Gesetz zur Rehabilitierung verfolgter Völker. Auf eine offizielle Entschuldigung oder gar Entschädigungen warten die Tscherkessen aber bis heute.

Auch bei den Olympischen Spielen in Sotschi bleiben die Tscherkessen außen vor. Sie dürfen nicht mit ihrer Symbolik werben. Führer ihrer Organisationen wurden nach dem Austausch von Unfreundlichkeiten mit staatlichen Sportfunktionären zum Schweigen verdonnert.

Doch nicht alle lassen sich den Mund verbieten. „Wir möchten“, so auch der Chef der Organisation „Adyge Chasse“ in der Teilrepublik Kabardino-Balkarien, Muhammed Hafiz, „dass an allen Veranstaltungen mit Bezug zu Olympia 2014 die Vertreter aus tscherkessischen Republiken zusammen mit den tapferen Kosaken teilnehmen.“

Der Hohn ist nicht mehr zu überbieten. Kuban-Kosaken, das ist historisch belegt, haben im Großen Kaukasuskrieg noch mehr geplündert und gemordet als die regulären Truppen. Dennoch weht ihr Banner heute auf dem Gebäude von Sotschis Stadtverwaltung. Es steht auf den Trümmern des Parlaments, wo Mitte des 19. Jahrhunderts die tscherkessische Nationalversammlung tagte.

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