Österreich soll El Kaida mit Lösegeld finanziert haben

Symbolbild
Europäische Geiseln sind Millionen-Geschäft für die Terrororganisation. Österreichs Außenministerium dementiert Zahlungen.

Europa finanziert El-Kaida-Terror" titelt die New York Times eine ausführlich recherchierte Geschichte vom 29. Juli. Demnach soll das Kidnapping von Europäern und das damit Hand in Hand gehende Auszahlen von Lösegeld mittlerweile die weltweiten Operationen der Terrororganisation fast zur Gänze finanzieren.

Europa dementiert

Während Regierungen in Europa die Auszahlung von Lösegeld konsequent leugnen, haben Recherchen der New York Times ergeben, dass in den Jahren seit 2008 insgesamt um die 100 Millionen Euro, davon 50 Millionen allein im letzten Jahr, an die El Kaida geflossen sein sollen. Das Geld wird von den Regierungen meist als humanitäre Hilfszahlung getarnt oder durch Dritte überwiesen, wie das Beispiel des französischen Konzerns Areva zeigt. Das staatliche Unternehmen soll 12,5 Millionen Euro im Jahr 2011 und 30 Millionen im Jahr 2013 für die Befreiung von fünf Franzosen gezahlt haben. Auch das Unternehmen dementierte.

Millionen aus Wien?

Auch aus Österreich sollen laut Recherche der New York Times allein im Jahr 2008 bei der Befreiungsaktion zweier entführter Österreicher zwei Millionen Euro Lösegeld an die El Kaida überwiesen worden sein. Das in Tunesien verschollene Salzburger Touristenpaar wurde damals von der Gruppe "El Kaida im islamischen Maghreb" entführt und ins westafrikanische Mali gebracht. Die New York Times beruft sich auf eine Aussage des malischen Parlamentariers Ibrahim Ag Assaleh, der an den Verhandlungen zur Freilassung mitgewirkt haben soll. Er bestätigt die Zahlung.

Damals wie heute dementiert das Außenministerium jedoch Lösegeld-Auszahlungen an die Terrororganisation. "Die Regierung hat wiederholt verdeutlicht, dass es Erpressungen nicht nachgibt. Österreich hat nicht und wird niemals in jeglicher Form Lösegeld bezahlen", so Martin Weiss, Pressesprecher des österreichischen Außenministeriums gegenüber dem KURIER: "Wenn man damit anfängt, eröffnet man nur einen neuen Markt für Terroristen."

KURIER-Recherchen zeigten damals eine sehr österreichische Lösung. Das Paar wurde acht Monate nach der Geiselnahme unspektakulär befreit. Die österreichische Regierung wandte sich an Malis Präsidenten als Vermittler. Der brachte örtliche Stammesführer dazu, Druck auf die Entführer auszuüben. Dadurch, aber auch nach monatelanger Flucht "mürbe" geworden, gaben sie schließlich auf. Mali bezog in den letzten Jahren regelmäßig Hilfsgelder aus Österreich, auch der Präsident wurde zum Staatsbesuch geladen.

Terroristen bestätigen

Weder direkt noch indirekt wollen die USA und Großbritannien je Lösegeld bezahlt haben.

Die Einnahmen der Terroristen sind trotzdem beträchtlich, wie sie selbst bestätigen. In einem 2012 verfassten Brief des stellvertretenden Anführers der El Kaida wird erwähnt, dass mindestens die Hälfte seines Budgets im Jemen von Lösegeld finanziert sei. "Allah sei Dank, wurden die meisten Kosten, wenn nicht alle, durch Beute finanziert", schrieb El-Kaida-Anführer Nasser al-Wuhayshi: "Die Hälfte dieser Beute kam aus Geiselnahmen."

Mitarbeit: Alexandra Koller

Journalisten der New York Times haben in einem peniblen Report dargestellt, wie europäische Staaten mit der Zahlung von Lösegeld für in Afrika und Nahost entführte Europäer de facto die Terrororganisation El Kaida finanzieren: 125 Millionen Dollar für das Netzwerk in wenigen Jahren.

Die Staaten schweigen oder dementieren – Lösegeld für Terroristen ist ein offizielles No-Go. Hinter den Kulissen läuft dann offenbar doch manches anders.

Die Frage zahlen oder nicht ist so alt wie die Geschichte von Entführungen. Unschuldige zu befreien, gilt zu Recht als oberstes Ziel – aber ist Lösegeld nicht die Saat für neue Entführungen? Umgekehrt: Hart bleiben und damit den Tod Unschuldiger in Kauf nehmen?

Der deutsche Altkanzler Helmut Schmidt war zu Hochzeiten des RAF-Terrors damit konfrontiert. Und er nannte die Entscheidung, bei der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer nicht nachzugeben, als schlimmste seines Lebens (es ging nicht um Geld, sondern um die Befreiung von Inhaftierten). Schleyer wurde ermordet. Aber mit seiner so gesehen "erfolglosen" Entführung (und der Erstürmung der gekidnappten "Landshut"-Lufthansa) war auch der RAF-Terror am Ende.

Und Bürger der USA und Großbritanniens werden von der El Kaida nicht mehr entführt, weil sie weiß, dass von dort kein Lösegeld zu erwarten ist.

Auch wenn es oft tragische Konsequenzen hat: Das ist wohl die einzige Antwort auf die erwähnte alte Frage.

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