Deutschlands unfreundliches Gesicht

Verunsicherte Bürger, schärfere Gesetze, deftigere Rhetorik – Köln verändert das Land.

Nicht einmal vier Monate ist es her, dass Angela Merkel sich trotzig dem Vorwurf entgegensetzte, sie zeige den Flüchtlingen ein viel zu freundliches Gesicht. "Dann ist das nicht mein Land", rief sie jenen zu, die ihr eine zu laxe Asylpolitik ankreideten.

Das Gesicht, das ihre Regierung nun nach den Übergriffen zu Silvester zeigt, hat damit aber kaum mehr etwas zu tun. Weil die gefühlte Unsicherheit steigt, in den sozialen Medien der Diskurs radikaler wird, reagiert die Politik alarmiert – und mit Beschlüssen im Eiltempo. Nur zwölf Tage nach den Geschehnissen hat man ein drittes Asylpaket geschnürt, das eine massive Ausweitung der Abschiebepraxis verurteilter Asylwerber vorsieht, zudem werden Flüchtlinge an der Grenze zurückgewiesen – Deutschland ist unfreundlich geworden.

Der starke Staat

Das veränderte Klima ist auch innerhalb der Parteien spürbar – nicht nur bei den konservativen. Selbst bei der Linken, die bisher alle Asylrechtsverschärfungen abgelehnt hat, ist der Ton ein anderer. Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht sprach sich – trotz Kritik aus den eigenen Reihen – nun offen für eine Obergrenze aus; ebenso meinte sie, dass straffällig gewordene Asylwerber ihr "Gastrecht missbraucht (...) und auch verwirkt" hätten. Dafür gab es sogar Applaus von der AfD.

Auch, dass die SPD dem neuen Paket so rasch und geräuschlos zustimmt, wäre vor Kurzem nicht denkbar gewesen. Jetzt gingen die Hinweise mancher Genossen, dass die Strafverschärfung im Widerspruch zu EU-Recht stehe, im Chor jener unter, die eine "harte Hand" und einen "starken Staat" forderten. Dabei stimmt auch die CDU mit ein, Willkommenskultur hin oder her – Generalsekretär Peter Tauber, ein enger Vertrauter der Kanzlerin, forderte nun ganz im Stil der CSU, "täglich 1000 abgelehnte Asylwerber abzuschieben". 2000 Asylentscheidungen gebe es pro Tag, die Hälfte davon falle negativ aus – dementsprechend leicht müsste man auf die Zahl kommen, so Taubers simple Rechnung.

Bürokratie-Probleme

Wie kurzsichtig solche Forderungen oft sind, zeigt die Statistik. Obwohl es 200.000 Ausreisepflichtige gibt, wurden bis November nur 18.000 abgeschoben. Bei vielen scheitert dies daran, dass die Herkunftsländer keine Papiere ausstellen; oft ist das bei Tunesien und Marokko der Fall. Gerade aus diesen Regionen kommen nicht nur viele Tatverdächtige von Köln, sondern seit Kurzem auch vermehrt Asylwerber. An der Grenze, so berichtet der Deutschlandfunk, seien nach Silvester fast nur Nordafrikaner angekommen. Weil ihre Chance auf Asyl aber praktisch gen Null tendiert, verschweigen viele ihre Herkunft oder vernichten ihre Papiere. Wie man diesem Problem beikommen will, ist noch nicht klar: Das sei "ein besonderer Anlass zur Sorge", so Innenminister Thomas de Maizière.

Das deutsche Innenministerium warnt einem Medienbericht zufolge vor Anschlägen in Deutschland nach dem Muster der Attentate von Paris. Das berichtet Bild (Donnerstagausgabe) im Voraus unter Berufung auf einen aktuellen Bericht des Innenministeriums zur Sicherheitslage in Deutschland.

In dem als vertraulich eingestuften Bericht heiße es: "Deutschland ist erklärtes und tatsächliches Ziel dschihadistisch motivierter Gewalt", die "sich jederzeit in Form von Gewalttaten gegen staatliche und zivile Einrichtungen sowie Staatsbedienstete und Zivilpersonen konkretisieren" könne. Konkret warne der Bericht vor Attacken im Stil der Angriffe von Paris.

Dabei gelten dem Blatt zufolge "multiple, teilweise über mehrere Tage zeitversetzte, Anschläge gegen verschiedene Zielkategorien" mithilfe von Schusswaffen, Spreng- und Brandbomben als das wahrscheinlichste Szenario.

In dem Bericht soll es laut Bild außerdem heißen, dass "Anschläge unter Nutzung von unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen" oder "Angriffe mittels Schusswaffen oder sonstige gefährlichen Gegenständen" am wahrscheinlichsten sind. Als mögliche Täter gelten laut der Sicherheitsanalyse des BMI "Einzeltäter oder autonom agierende Gruppen". Die größte Gefahr gehe von ehemaligen Syrien-Kämpfern aus.

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