Neue Flüchtlingsströme nach Europa

Zahl aus Türkei nach Griechenland versiebenfacht. Vor Italien 6500 Migranten an einem Tag gerettet.

"Hoffentlich hängt das mit dem guten Wetter zusammen und ist kein Zeichen seitens der Türkei", sprach ein Offizier der griechischen Küstenwache das an, was in Europa viele befürchtet haben: Dass die Verantwortlichen in Ankara die Tore für Flüchtlinge wieder öffnen könnten, wenn es ihnen opportun erscheint, den Druck auf die EU zu erhöhen.

Die Zahlen jedenfalls sprechen Bände. Zuletzt setzten binnen 24 Stunden 462 illegale Migranten von türkischem Festland auf Ägäis-Inseln über. Das ist ein Wert fast sieben Mal so hoch wie noch vor wenigen Tagen, an denen durchschnittlich nur 74 Menschen registriert wurden, wie der Stab für Flüchtlingshilfe in Athen mitteilte.

Kritik an Ankara

An Konfliktstoff zwischen dem Westen und der Türkei mangelte es in jüngster Vergangenheit nicht. Das rigide Vorgehen von Präsident Erdoğan nach dem Putschversuch hat ihm in vielen EU-Hauptstädten Kritik eingetragen. Wien fordert gar den Abbruch der Beitrittsverhandlungen. So weit gehen die übrigen EU-Staaten zwar nicht, doch auch EU-Kommissar Günther Oettinger meinte gegenüber der Bildzeitung, dass die Türkei unter Erdoğan nicht der Union beitreten könne. Die Aufhebung der Visumspflicht für die Einreise in die EU bis Oktober sieht der Deutsche ebenfalls infrage gestellt. Diese ist für Ankara aber Voraussetzung, dass der Flüchtlingsdeal mit Brüssel Bestand hat. Außenminister Mevlüt Cavusoglu dazu: Solange die EU ihren Verpflichtungen nicht nachkommt, könne die Türkei die illegale Migration nicht alleine stoppen.

Auch an der militärischen Intervention im Nachbarland, die sich jetzt primär gegen die dortigen Kurden und weniger gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" richtet, gibt es ebenfalls heftige Kritik an dem NATO-Partner. US-Präsident Obama will diesen Streitpunkt bei dem heute in China beginnenden G-20-Gipfel im Gespräch mit Erdoğan thematisieren.

Heuer schon mehr als 3100 Tote im Mittelmeer

Vor den Küsten Italiens wird derzeit ebenso eine Rekordzahl an Flüchtlingen beobachtet. Binnen 24 Stunden mussten dort 6500 Menschen aus Seenot gerettet werden. Auch am Tag davor waren mehr als 1000 gekommen. Binnen vier Tagen sind (Stand Mittwoch) sind 13.000 Bootsflüchtlinge in Italien eingetroffen.

Insgesamt wagten 2016 schon rund 272.000 Migranten die Passage über das Mittelmeer, auf der heuer mehr starben als im Vorjahr: Bei 3165 Menschen liegt die Opferzahl – das sind um 509 mehr als in den ersten acht Monaten des Vorjahres, rechnet die Internationale Organisation für Migration (IOM) vor. Als Begründung führt die IOM unter anderem ins Treffen, dass die Schlepper immer skrupelloser würden und noch mehr Flüchtlinge auf noch weniger seetüchtigen Boote pferchten.

Norwegen plant Zaun

Obwohl über die "Arktisroute" über Russland kaum noch Flüchtlinge kommen, will Norwegen um die Grenzstation Storskog einen 300 m langen Zaun errichten. Zudem soll die Hälfte der 2015 aufgenommenen Asylwerber, deren Anträge negativ beschieden werden, abgeschoben werden.

Kommentare